Vorteile im Elfmeterschießen Spanien besiegen - so schafft es das DFB-Team

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Das vorgezogene Finale dieser Fußball-Europameisterschaft findet zur Stunde in Stuttgart statt. Die deutsche Nationalmannschaft trifft auf Spanien, es sind die beiden stärksten Teams dieses Turniers. Wie die Elf von Bundestrainer Julian Nagelsmann die lange Sieglos-Serie beenden kann.

Deutschland gegen Spanien - das Viertelfinale dieser Fußball-Europameisterschaft könne klangvoller nicht sein. Die beiden spielerisch besten Teams dieses Turniers treffen in Stuttgart (18 Uhr/ARD, MagentaTV und im ntv.de-Liveticker) aufeinander. Spaniens Nationaltrainer Luis de la Fuente sprach mehrfach vom "Finale", so eindrucksvoll dürfte die Partie werden. Auch wenn sein Gegenüber Julian Nagelsmann davon nichts wissen will: Ein vorweggenommenes Endspiel, wie de la Fuente und viele Experten und Fans es nennen, sei es nicht. "Es ist ein Viertelfinale."

Eines, nach dem nur eine Nation weiter die Chance haben wird, Rekord-EM-Sieger zu werden. Bislang haben sowohl Deutschland als auch Spanien jeweils dreimal den Coupe Henri Delaunay hochrecken dürfen. Für einen endet die Reise zum möglichen vierten Titel in Stuttgart. Der Sieger zieht ein ins Halbfinale, bei dem der Sieger aus dem Duell Portugal gegen Frankreich wartet.

Geht es nach der Historie, ist Spanien der Favorit im Kracher-Duell. Seit der EM 1988 hat Deutschland nicht mehr gegen ein spanisches Team in einem Pflichtspiel gewinnen können. Der einzige Sieg seitdem gelang im November 2014 in einem Testspiel (1:0) - mit Toni Kroos ist der Siegtorschütze von damals allerdings immer noch dabei. Elf Partien sind seit 1988 gespielt worden, fünfmal gingen diese Unentschieden aus, wie auch das letzte Aufeinandertreffen in der Gruppenphase der WM 2022, als das DFB-Team den Einzug in die K.-o.-Runde versemmelte. Doch die Hoffnung ist groß, dass es diesmal anders kommt.

"Deutschland ist eine großartige Mannschaft"

Der Respekt voreinander ist groß. Er habe nie gesagt, dass Spanien die bessere Mannschaft habe, betonte de la Fuente. "Deutschland ist eine großartige Mannschaft. Aber ich möchte anmerken, dass wir auch eine großartige Mannschaft haben." Und dann tauchte er in die Analyse ein: Es werden zwei Teams mit einem "sehr ähnlichen Matchplan" aufeinandertreffen. Es gelte, gerade die Anfangsminuten zu prägen. "Deutschland beginnt immer mit sehr viel Power", sagte der 63-Jährige. Beim Auftaktspiel gegen Schottland (5:1) traf Florian Wirtz nach zehn Minuten, Jamal Musiala erzielte gegen Ungarn (2:0) nach 21 Minuten das erste Tor. Auch gegen die Schweiz und im Achtelfinale gegen Dänemark landete der Ball jeweils frühzeitig im gegnerischen Tor - beide Male wurden die Treffer wegen Offensivfouls im Vorfeld aberkannt.

"Wir versuchen aber, ihr System zu kontern und genau so zu agieren", so de la Fuente. "Wir wollen von der ersten Minute an die Initiative übernehmen. Das ist das beste Mittel gegen ihre Attacken." Und genau darin, dies nicht zuzulassen, liegt ein Schlüssel, sagt ZDF-Experte Christoph Kramer: "Mir macht Hoffnung, dass Spanien das erste Mal auf einen Gegner trifft, der auch den Ball haben will und den Ball braucht. Das hatten sie bislang noch nicht. Und wenn sie das nicht haben, ist Spanien sehr verwundbar."

"Habt Mut im Ballbesitz!"

ARD-Experte Thomas Broich warnte: "Das Gegenpressing der Spanier ist Hardcore, wir müssen da extrem sauber sein am Ball." Taktikexperte Tobias Escher nannte dem Sportinformationsdienst seinen Appell ans DFB-Team: "Habt Mut im Ballbesitz! Wenn die Spanier früh pressen, nicht sofort den langen Ball wählen, sondern versuchen, zwei, drei Pässe am Stück zu spielen. Sucht Tiefe, gerade auf den Flügeln! Wer da spielt, ist der erste Kandidat für einen Wechsel. Dem würde ich sagen: Wenn du nach 60 Minuten tot bist, bringen wir jemand anderen." Fünf Wechsel sind pro Spiel erlaubt, geht die Partie in die Verlängerung, kommt ein möglicher sechster Wechsel hinzu.

Der Blogger, Journalist und Autor erklärte: "Man muss selbst auch ein bisschen offensiv spielen. Erstens, weil die Spanier in der Konterabsicherung sehr aggressiv sind, also sehr stark nach vorne verteidigen. Das sieht man an den Außenverteidigern, die häufig auf der Sechser-Position zu finden sind, um dort mitzuverteidigen." Georgien habe das sehr gut gemacht, der Achtelfinal-Gegner hat den ersten Pass ins Zentrum gespielt, den Gegner rausgelockt und dann "sofort die Verlagerung auf die Außenverteidiger gespielt und versucht, diese nach vorne zu schicken". Sein Fazit zu dieser Taktik: "Du brauchst auf den Außen Spieler, die sehr viel nach hinten arbeiten und immer wieder den Weg nach vorne nehmen."

Julian Nagelsmann wollte seine Startelf bei der Abschlusspressekonferenz nicht preisgeben. Escher machte einen Vorschlag: "Du kannst sagen, auf den Außen sind die Spanier anfällig, in den Raum musst du kommen und dafür sorgen, dass Williams und Yamal nach hinten arbeiten müssen. Da kann es sinnvoll sein, Sané auf rechts zu stellen und Raum auf links, um viel Breite und die Option zu haben, mit Fünferkette zu verteidigen. Es könnte ein Schlüssel sein, Andrich wieder zurückzuziehen, um die gesamte Breite des Feldes besser abzudecken. Da muss man wirklich aufpassen. Gleichzeitig darfst du dich nicht hinten reindrücken lassen. Dafür verteidigen wir nicht gut genug."

"Mein Fokus liegt weniger auf Yamal als Jamal"

In der Innenverteidigung ist Antonio Rüdiger gesetzt, der nach seiner Verletzungspause im Training gegen Dänemark gewohnt stark spielte und sich auch selbst dafür feierte. Ob neben ihm der zuletzt gelb-gesperrte Jonathan Tah zurückkehrt oder Nico Schlotterbeck weiter ran darf, ist genauso offen wie die Position des Linksverteidigers. Zuletzt hatte David Raum seine Chance erhalten, Maximilian Mittelstädt war für ihn aus der Startelf rotiert. Während klar ist, dass Joshua Kimmich als Rechtsverteidiger gegen Nico Williams ranmuss, ist offen, ob Raum oder Mittelstädt gleichzeitig nach vorne Akzente setzen und nach hinten gegen das 16-jährige Wunderkind Lamine Yamal - den jüngsten EM-Spieler aller Zeiten - verteidigen müssen. Broich erklärte, die Außenverteidiger dürften es nicht übertreiben. "Sie stehen hoch, müssen aber die Balance finden und genau den Moment erkennen, wann das zu riskant ist und sie absichern müssen."

Klar ist, dass die spanische Flügelzange schwer in den Griff zu bekommen sein wird. Vor allem die Italiener spielten die beiden in der Gruppenphase komplett schwindelig. Doch "11Freunde"-Chefredakteur Philipp Köster ist sich bei ntv sicher: "Da wird niemand an den Nägeln kauen oder sich vor Angst in die Hose machen" beim DFB-Team. Die Verteidigung müsse allerdings noch konzentrierter ins Spiel gehen, kleine Nachlässigkeiten wie gegen Dänemark sind zu vermeiden. "Wir werden ihn nicht aus den Socken hauen, sondern wollen den Ball haben", sagte Nagelsmann zur Verteidigung Yamals. Außerdem sagte der Bundestrainer: "Mein Fokus liegt weniger auf Yamal als Jamal." Yamals großes Manko ist noch der Torabschluss. Zwei Tore bereitete er in den bisherigen vier Spielen vor, selbst als Torschütze konnte er sich noch nicht beweisen. Nagelsmann eigener Star-Spieler, Musiala, erzielte bei dieser EM dagegen bereits drei Tore.

Und so haben die Spanier vor ihm gehörigen Respekt. Genauso wie vor Toni Kroos, den sie als jahrelangen Real-Madrid-Profi natürlich bestens kennen. De la Fuente witzelte aufgrund der beiden sogar schon über eine besonders kreative Strategie: "Ich weiß nicht, ob wir ihre Schnürsenkel zusammenbinden dürfen. Ich vermute, die UEFA hätte etwas dagegen. Ich muss noch mal mit denen sprechen." Ein Knoten im Schnürsenkel wird das Spiel ganz sicher nicht beeinflussen. Nagelsmann ist jedenfalls von seinem Team überzeugt: "Es ist ein 50:50-Spiel. Ich sehe die Spanier nicht, wie viele andere, kometenhaft weit vorne. Ich sehe uns aber auch nicht kometenhaft weit vorne. Wenn wir eine gute Tagesform haben, sind wir definitiv eine Mannschaft, die Spanien schlagen kann."

Und eine Statistik spricht ja tatsächlich für das DFB-Team: Im Elfmeterschießen liegt Deutschland vor Spanien. Nur bei der Premiere im EM-Finale 1976 gab es nach dem Schuss in den Nachthimmel von Belgrad durch Uli Hoeneß gegen die CSSR eine Niederlage. Es folgten sechs Erfolge von der WM 1982 bis zur EM 2016. Nur fünf von 37 Elfmetern wurden von den DFB-Schützen nicht verwandelt. Spanien hingegen hat mit fünf Siegen und fünf Niederlagen nur eine ausgeglichene Bilanz. Bei den letzten drei Turnieren, der WM 2018, der EM 2021 und der WM 2022 schied Spanien jeweils durch die Entscheidung vom Punkt aus.

Quelle: ntv.de, ara mit sid/dpa

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