Das Super-Spiel dieser EM Wie Spanien den deutschen Fußball massiv beeinflusst
05.07.2024, 10:02 Uhr
Zwei Männer, die maßgeblichen Einfluss auf den Fußball in Deutschland haben: Pep Guardiola und Xabi Alonso.
(Foto: picture alliance / dpa)
Deutschland gegen Spanien kann man gut und gerne als vorgezogenes Endspiel der Fußball-EM betrachten. Die beiden Nationalteams spielen einen versierten Ballbesitzfußball. Das kommt nicht von ungefähr. Ein Blick zurück.
Als Deutschland und Spanien im EM-Finale 2008 aufeinandertrafen, lagen noch Welten zwischen beiden Fußballnationen. Doch 16 Jahre später haben sich beide erheblich angenähert - vor allem dank des spanischen Einflusses auf den deutschen Fußball. Bundestrainer Joachim Löw ließ bei der WM 2010 - mit einem umgebauten Kader rund um Mesut Özil, Thomas Müller und Co. - einen doch deutlich veränderten Fußball spielen.
War es zuvor noch viel auf Athletik und System-Stabilität ausgerichtet, spielte das DFB-Team fortan einen dominanteren Ballbesitzfußball - bis man auf Spanien im Halbfinale der WM 2010 traf und hinten eingeschnürt wurde. In Ansätzen erinnerte das an jenen Fußball, den Pep Guardiola mit dem FC Barcelona über Jahre praktizierte und verfeinerte. Das Positionsspiel und der darüber hinaus reichende Einfluss des Katalanen auf die deutsche Nationalmannschaft wurden nach 2008 unübersehbar. Erst recht, als Guardiola ab 2013 das Traineramt beim FC Bayern München übernahm.
Vor seinem Amtsantritt gewannen die Bayern den Champions-League-Titel im Finale von Wembley gegen Borussia Dortmund. Der große Unterschied zum "Finale dahoam" in der eigenen Allianz Arena ein Jahr davor, als Bayern noch gegen Chelsea gescheitert war: Javi Martínez. Der baskische Mittelfeldspieler erzeugte jene defensive Grundstabilität, die den Bayern bis 2012/13 noch fehlte. Auch nach dem Finale von 2013 sollte Martínez weiterhin eine wichtige Rolle spielen, wenngleich Guardiola ihn fortan des Öfteren in der Innenverteidigung einsetzte.
Guardiola und Thiago prägten die Bayern
Generell versuchte Guardiola einige taktische Dinge im Vergleich zu Vorgänger Jupp Heynckes zu ändern. Nicht, weil er die Arbeit von Heynckes missbilligte, sondern weil sich Guardiola darüber im Klaren war, dass die Bayern neue Impulse benötigten, um international konkurrenzfähig zu bleiben. Mit nach München brachte Guardiola einen ehemaligen Barça-Spieler - nämlich Thiago Alcántara. Dieser konnte in Barcelona nicht so recht aus dem Schatten von Andrés Iniesta und Xavi treten, sollte aber über die nächsten Jahre seine Fußabdrücke bei den Bayern hinterlassen.
Lediglich die stetigen Verletzungssorgen stoppten Thiagos Einfluss auf das Spiel der Münchner. Ansonsten war der Passkünstler zumeist prägend für den Spielaufbau und die Spielgestaltung. Seine wahre Krönung erfolgte jedoch erst kurz vor seinem Abschied aus München. Während der in Corona-Zeiten ausgetragenen Champions-League-Endrunde 2020 dirigierte Thiago den FC Bayern zum erneuten Gewinn des Henkelpotts. Zum Ende seiner Zeit wurde dem Ballkünstler nahezu einhellig Bewunderung entgegengebracht.
Zwischenzeitlich hatte die deutsche Nationalmannschaft mit einer Mischung aus Heynckes-orientiertem Stabilitäts- und Athletikfußball und Guardiola-inspirierten Ballbesitzfußball die WM 2014 in Brasilien gewonnen. Im Anschluss schlug das Pendel, was die taktische Ausrichtung des DFB-Teams betraf, immer stärker in Richtung Guardiola aus. Allerdings verfügte Deutschland nicht durchweg über die geeigneten Spielertypen und Bundestrainer Löw fand zudem nicht die notwendige Balance zwischen langen Ballbesitzphasen und dem Auslösen von Angriffen in die Spitze.
Ein Aufeinandertreffen von fußballerischen Verwandten
Man sollte dazu wissen, dass Guardiola in den vergangenen Jahren als Cheftrainer von Manchester City seinen Fußball auch ein Stück weit angepasst hat. City agierte phasenweise mit vielen Flanken und ist mittlerweile auch um einiges traditioneller ausgerichtet, was die defensive Absicherung betrifft. In der abgelaufenen Saison hatte Guardiola zuweilen ein halbes Dutzend Defensivakteure auf dem Rasen stehen. Die DFB-Elf hingegen fand nie so wirklich die Balance. Dem heutigen Bundestrainer Julian Nagelsmann scheint das schon um einiges besser zu gelingen, wenngleich die deutsche Mannschaft vor und zu Beginn der Europameisterschaft ein wenig sorglos hinsichtlich der eigenen defensiven Absicherung vorging.
In der Bundesliga wiederum hat in jüngster Zeit ein anderer Spanier von sich reden gemacht: Xabi Alonso. Als Cheftrainer von Bayer Leverkusen krempelte er nicht nur die Werkself gehörig um, sondern entthronte mit geduldigem Passspielfußball sogar den FC Bayern. Alonso, der selbst unter Guardiola zwei Jahre bei den Bayern als Spieler diente, tritt in die Fußstapfen seines Landsmanns. Er tut dies aber mit seiner eigenen Art von Fußball, die auch auf Dominanz ausgerichtet ist, aber keineswegs eine reine Kopie vom einstigen Positionsspiel des FC Barcelona darstellt.
Die spanische Nationalmannschaft, die bislang wie das stärkste Team bei dieser EM wirkt, tritt ähnlich dominant auf, weil man nicht nur den Ball, sondern auch das Feld über das starke Mittelfeldzentrum kontrolliert. Gerade Rodri als Absicherung hinter den Offensivkräften ist im Gegenpressing und der generellen Rückgewinnung des Balles einer der Besten weltweit. Die Durchschlagskraft erzeugt Spanien jedoch anders als etwa Alonsos Leverkusen vor allem über die starken Eins-gegen-Eins-Akteure auf den Außenbahnen. Darin liegt auch ein Unterschied zum DFB-Team, welches mit Jamal Musiala und Co. vor allem die engen Zwischenlinienräume bespielt. Aber allgemein gesprochen sind sich beide Teams doch recht ähnlich - in jedem Fall viel ähnlicher als noch beim Finale 2008.
Quelle: ntv.de