Drama, Schluchzen, Auferstehung Ronaldo klettert nach bitteren Tränen aus tiefem Loch der Trauer

Er kann sie nicht mehr zurückhalten, seine bitteren Tränen: Superstar Cristiano Ronaldo weint wie ein Schlosshund, weil er in der Verlängerung im EM-Achtelfinale gegen Slowenien einen Elfmeter verschießt. Aber CR7 gelingt eine verrückte Auferstehung - auch dank seines Torhüters.

Es soll endlich sein großer Moment werden. Sein erster bei dieser Europameisterschaft in Deutschland, die bislang noch überhaupt nicht das Turnier des Cristiano Ronaldo war. Des 39-jährigen Superstürmers aus Portugal, der schon EM-Rekordtorschütze ist und auch noch zum ältesten Torschützen einer EM werden wollte.

Doch in der 105. Minute fließen Ronaldo bittere Tränen über das Gesicht. Erst nur ganz vereinzelt. Dann bricht es komplett aus dem stolzen Angreifer heraus. Es läuft die Halbzeit der Verlängerung des Achtelfinals zwischen Portugal und Slowenien. Wie ein Schlosshund weint Ronaldo, kriegt sich gar nicht mehr ein. Schluchzt, als hätte sich soeben seine erste Liebe von ihm getrennt. Auf der Tribüne weint seine Mutter unisono mit.

Ronaldos Mitspieler legen kameradschaftlich die Arme um seine Schulter, küssen ihn ermutigend auf den Kopf. Aber João Palhinha etwa warnt auch eindringlich, CR7 solle sich schnell zusammenreißen. Und das tut der Megastar, kurz bevor die Partie wieder beginnt - und schreibt kurz darauf beim 3:0-Sieg im Elfmeterschießen sein ganz eigenes, verrücktes Märchen.

Ronaldo verschießt Elfmeter und jubelt dennoch

Was ist passiert? Ein Kuss auf den Ball. Dann läuft Ronaldo mit seinen typisch stolzierenden, selbstbewussten Schritten kurz vor Ende der ersten Halbzeit der Verlängerung zum Elfmeter an, nachdem der eingewechselte Diogo Jota nach einem tollen Sololauf im slowenischen Strafraum zu Fall gebracht worden ist. CR7 ist so selbstsicher, schließlich trifft er fast immer vom Punkt, dass er gar nicht auf den slowenischen Keeper Jan Oblak schaut.

Ronaldo, der besonders gerne ins linke Eck schießt und trifft, entscheidet sich für rechts. Er hämmert die Kugel mit Vehemenz aufs Tor, doch Torwart Oblak hat die Ecke geahnt und lenkt den Ball mit einem Sensationsreflex an den Pfosten und von dort ins Toraus. Ronaldos Elfmeter ist nicht schlecht geschossen, scharf und platziert, allerdings halbhoch, und damit weder hoch noch flach genug. Es bleibt beim 0:0.

"Ich war unglaublich traurig und hinterher überglücklich", sagt der portugiesische Superstar nach der Partie über seinen verrückten Abend, an dem er sich schon als Unglücksrabe und beim Kofferpacken wähnte. "Das ist Fußball. Man kann nicht erklären, was da passiert. Ich habe versucht, das Spiel zu entscheiden, aber das ist mir nicht gelungen. Ich habe diesen Elfmeter verschossen, das ist mir selten passiert. Oblak hat einfach super gehalten."

Portugal - Slowenien 0:0 n.V., 3:0 i.E.

Tore: Fehlanzeige
Elfmeterschießen: Costa hält gegen Ilicic, 1:0 Ronaldo, Costa hält gegen Balkovec, 2:0 B. Fernandes, Costa hält gegen Verbic, 3:0 B. Silva
Portugal: Costa - Cancelo (117. Semedo), Dias, Pepe (118. Neves), Mendes - Palhinha - Vitinha (65. Jota), Fernandes - B. Silva, Leão (76. Conceicao) - Ronaldo; Trainer: Martínez
Slowenien: Oblak - Karničnik, Drkusic, Bijol, Balkovec - Gnezda Cerin, Elsnik (106. Iličić) - Stojanović (87. Verbič), Mlakar (74. Gorenc-Stankovič) - Šporar (74. Celar), Šeško; Trainer: Kek
Rote Karte: Kek (Slowenien, Trainer) (105.+1)
Gelbe Karten: - Drkusic, Karničnik, Gorenc-Stankovič, Bijol, Balkovec
Besonderes Vorkommnis: Oblak (Slowenien) hält Foulelfmeter von Ronaldo (105.)
Schiedsrichter: Daniele Orsato (Italien)
Zuschauer: 47.000 (ausverkauft) in Frankfurt

Am Ende darf Ronaldo jubeln, weil sein Torhüter, Diogo Costa, alle drei Elfmeter der Slowenen, die zum ersten Mal überhaupt in einem EM-Achtelfinale stehen, hält. Und weil CR7 seinen zweiten Schuss vom Punkt, den im Shootout, versenkt. Und sich damit besonders mit seinem an diesem Abend größten Kritiker, sich selbst, versöhnt.

Auferstehung: Ronaldos zweiter Elfer sitzt

Im Spiel hatte Ronaldo gleich eine Handvoll an Freistößen aus aussichtsreichen Positionen verballert. Mal mit dem Innenrist knapp über das Tor, mal war er per Power-Vollspann an Oblak gescheitert. Was sich sein Mitspieler Bruno Fernandes, der exzellente Freistöße tritt, gedacht haben muss? Auch bei einigen Kopfballchancen und einer Hundertprozentigen mit dem Fuß in der 89. Minute scheitert der Altmeister, der in den vergangenen Dekaden nicht nur die Fans aus Portugal, sondern auch von Sporting Lissabon, Manchester United, Real Madrid und Juventus Turin mit beängstigender Konstanz zum Jubeln gebracht hatte und der nun in Saudi-Arabien sein (großes) Geld verdient. Sieben Abschlüsse vergibt er in der Partie.

Dann aber tritt er im Elfmeterschießen gleich als Erster für sein Land an. Ronaldo atmet tief durch, läuft dieses Mal verzögert an - und schießt nach links. Oblak ahnt erneut die Ecke. Jetzt aber ist der Schuss flach, klatscht ins Innennetz. CR7 faltet erleichtert die Hände zusammen, entschuldigt sich gar mit einem Winken bei den portugiesischen Fans hinter dem Tor für den Fehlschuss zuvor.

Dann ist es geschafft. Die Tränen des Cristiano Ronaldo sind getrocknet. Freudestrahlend umarmt er seinen Torhüter Costa und darf sich nach wenigen Minuten im tiefschwarzen Fußball-Abgrund doch noch auf das EM-Viertelfinale gegen Frankreich freuen.

Quelle: ntv.de

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