Polizei dachte an Finale-Absage Sancho kämpft mit "Wut, Verzweiflung, Schuld"
15.07.2021, 08:22 Uhr
Jadon Sancho mit Trainer Southgate nach dem verlorenen EM-Finale.
(Foto: Pool via REUTERS)
Die Nachwehen und rassistischen Auswüchse des EM-Finals halten England weiter in Atem. Jadon Sancho geht emotional in die Offensive, Premierminister Boris Johnson droht Social-Media-Unternehmen Strafen an. Die Polizei bestätigt derweil, dass eine Absage des Endspiels möglich gewesen sei.
Jadon Sancho hat Zeit gebraucht. In den schlimmsten Tagen seiner Profi-Karriere kämpfte der 21-Jährige nach seinem EM-Final-Fehlschuss und ekelerregenden rassistischen Schmähungen mit "widerstrebenden Emotionen" - Wut, Verzweiflung, Schuldgefühlen. Er musste sich sortieren - am Mittwoch meldete er sich höchst emotional zu Wort.
"Hass wird niemals siegen", schrieb der englische Fußball-Nationalspieler, der von Borussia Dortmund zu Manchester United wechseln wird, bei Instagram. "Ich werde nicht so tun, dass ich den Rassismus gegen mich und meine Brüder Marcus Rashford und Bukayo Saka nicht gesehen habe."
"Traurigerweise" seien derlei Anfeindungen "nichts Neues. Wir müssen als Gesellschaft besser werden und diese Menschen zur Verantwortung ziehen", betonte Sancho. Er sei immer noch von Emotionen durchgeschüttelt: "Das ist mit Abstand das schlimmste Gefühl in meiner Karriere."
"Problem gesetzlich regeln"
Auch Rashford und zuletzt Saka hatten bei der Niederlage im Elfmeterschießen gegen Italien (2:3) vergeben, unmittelbar danach wurde das Trio in den sozialen Netzwerken aufs Übelste beschimpft. Dann gab es einen überwältigenden "Lovestorm" in die Gegenrichtung, für den Sancho sich bedankte. Allen jungen Menschen, "die ähnlichen Missbrauch erfahren haben", sprach er Mut zu: "Haltet den Kopf oben und verfolgt eure Träume."
Der britische Premierminister Boris Johnson will ähnlich üble Auswüchse wie im Nachgang des Sonntags unterbinden. Er drohte den Social-Media-Unternehmen empfindliche Strafen an, sollten diese die Verbreitung von Hassbotschaften und rassistischen Nachrichten auf ihren Plattformen weiterhin zulassen. Außerdem soll es Stadionverbote geben.
"Ich habe mich mit Vertretern von Facebook, Twitter, TikTok, Snapchat und Instagram getroffen und ihnen klargemacht, dass wir dieses Problem gesetzlich regeln werden", sagte Johnson auf einer Parlamentssitzung. Er "verurteile und verabscheue die rassistischen Schmähungen (...) aufs Schärfste. Was wir also tun, ist, Schritte zu unternehmen, sodass man, wenn man sich online rassistischer Beschimpfungen schuldig macht, nicht zum Spiel gehen wird. Ohne Wenn und Aber."
"Es gab kein Polizeiversagen"
Auch die Aufarbeitung des Stadionsturms von Fans ohne Tickets hält das Königreich weiter in Atem. Dem Vater des Nationalspielers Harry Maguire waren in dem Chaos rund um Wembley mutmaßlich zwei Rippen gebrochen worden, sagte sein Sohn und berichtete von Atemproblemen des 56-Jährigen.
Die Polizei lehnt die Verantwortung für den Sturm auf Wembley ab. "Einer der wichtigsten und umfassendsten Sicherheitspläne für ein Spiel dieser Größenordnung" habe am Sonntag "Schlimmeres verhindert", teilte die Metropolitan Police in ihrer Einsatzbilanz mit.
Dutzende Fans ohne Eintrittskarten hatten Ordner überrannt, Absperrungen niedergerissen und waren ins Stadion eingedrungen. "Die schnelle Reaktion von Polizeikräften" habe ihrer Ansicht nach jeder weiteren Eskalation vorgebeugt, sagte Deputy Assistant Commissioner Jane Connors. "Es gab kein Polizeiversagen." Ohne sofortiges Eingreifen hätte das Spiel womöglich verschoben oder abgesagt werden müssen.
Quelle: ntv.de, dbe/sid