Fußball

Tschüss, Profifußball? MSV Duisburg stürzt Richtung "Schweineliga"

Der Frust sitzt tief beim MSV Duisburg und Stürmer Daniel Ginczek (l.).

Der Frust sitzt tief beim MSV Duisburg und Stürmer Daniel Ginczek (l.).

(Foto: IMAGO/Revierfoto)

Dem MSV Duisburg droht der Absturz in die Regionalliga. Das Gründungsmitglied der Fußball-Bundesliga verpasst beim Remis gegen den Abstiegskonkurrenten Waldhof Mannheim den dringend benötigten Heimsieg und hat sieben Punkte Rückstand auf den ersten Nichtabstiegsplatz. Dieser könnte am 33. Spieltag noch anwachsen.

Auch viele Minuten nach dem Abpfiff saßen noch zahlreiche Fans des MSV Duisburg auf den Tribünen der tief traurigen Schauinsland-Reisen-Arena und versuchten zu begreifen, was an diesem späten Freitagabend immer wahrscheinlicher geworden war. Das Gründungsmitglied der Fußball-Bundesliga droht am Ende dieser Saison in die Regionalliga abzustürzen und sich damit (vorerst) vom Profifußball zu verabschieden. Nach 90 intensiven und leidenschaftlichen Drittliga-Minuten vor über 16.000 Zuschauern teilten die Zebras die Punkte mit dem direkten Abstiegskonkurrenten Waldhof Mannheim (1:1). Zu wenig, um groß zu hoffen. Zu viel, um abzuhaken.

Rechnerisch ist alles noch möglich. Aber das nüchterne Zahlenwerk, sieben Punkte beträgt der Rückstand nun auf das rettende Ufer (sollte Arminia Bielefeld am Sonntag zuhause gegen den ungeliebten MSV-Revierrivalen Rot-Weiss Essen punkten, wären es acht Punkte), traf nach dem Schlusspfiff auf die großen Gefühle. Und die sahen nach Abschied aus. Auf dem Rasen lagen die Spieler erschöpft, manche allein. Auf den Rängen trösteten sich die Fans, einige wischten sich die Tränen aus den Augen. Eine Ära im deutschen Profifußball wird in wenigen Wochen wohl enden. Aus dem heiteren Nichts kommt das freilich nicht. Seit Jahren kämpft der Verein gegen den Untergang, sportlich und finanziell. Notdürftig wurden alle Löcher im Rumpf immer irgendwie gestopft. Bis jetzt.

Sollte der Kahn tatsächlich noch einmal über Wasser gehalten werden, wäre das ein gigantisches Fußball-Wunder. Mindestens vier der noch ausstehenden fünf Spiele müssten gewonnen werden. Eine Herkulesaufgabe für eine Mannschaft, die in der ganzen Saison gerade einmal sieben Erfolgserlebnisse im Drei-Punkt-Bereich gefeiert hat. Aber aufgeben, bevor auch rechnerisch nichts mehr geht, das gibt's an der Wedau nicht. Und so suchten sie noch am Freitagabend das Positive.

"Wir hätten mehr verdient gehabt"

"Es tut brutal weh. Ich glaube, wir hätten mehr als einen Punkt verdient gehabt. Wir waren die klar bessere Mannschaft. Im Endeffekt macht Mannheim aus eineinhalb Chancen ein Tor. Wir stehen mit einem Punkt da", sagte Spielmacher Thomas Pledl bei Magenta und betonte: "Es ist ein Tick zu wenig, es ist zwar rechnerisch alles möglich. Aber wir wissen selbst, dass in fünf Spielen alles für uns laufen muss. Aber ich finde, man hat gesehen, dass wir an uns glauben, dass wir es schaffen können. Schade, dass wir uns nicht belohnen konnten."

Trainer Boris Schommers, der seine Spieler nach dem Schlusspfiff am Mittelkreis versammelt und noch einmal eingeschworen hatte, lobte die Leistung seiner Fußballer, die bis zum Umfallen gekämpft hatten und durch ein kurioses Eigentor von Mannheims Terrence Boyd in Führung gegangen waren (32.). Die Duisburger verpassten es, einen weiteren Treffer nachzulegen. Die eigene Passivität im Spiel nach vorne wurde bestraft, wieder war es der "falsche" Mann der traf. MSV-Verteidiger Tobias Fleckstein lenkte einen Schuss unglücklich ins eigene Tor ab. Der zuvor starke Keeper Maximilian Braune war machtlos. Die Duisburger bäumten sich noch einmal auf, aber ohne Glück und Erfolg. Ein Sinnbild: der eingewechselte Daniel Ginczek. Der ehemalige Bundesliga-Stürmer war im Winter als Hoffnungsträger gekommen, sah nun aber zum wiederholten Male hektisch und unbeholfen aus.

"Wir sind alle sehr enttäuscht. Man hat von der ersten Minute gesehen, dass wir spielerische Lösungen in den Drucksituationen gefunden haben, hätten aber schon früher in Führung gehen müssen", befand Schommers laut "Reviersport" und haderte sehr damit, dass seine Mannschaft nach der Pause nicht so weitermachte, wie in den ersten 45 Minuten. "Am Ende war es ein bisschen zu viel Brechstange. Wir mussten aufmachen und das Spiel unbedingt gewinnen, was uns hinten raus leider nicht gelungen ist." Dennoch zieht er Hoffnung aus der Leistung, um auf der Zielgeraden das eigentlich Unmögliche, den Klassenerhalt, doch noch irgendwie möglich zu machen.

Direkter Wiederaufstieg schon ausgerufen

Die Mannheimer erkämpften sich einen Punkt der Moral, den 14. aus den vergangenen sieben Spielen. Auch sie sind noch nicht über den Berg, haben aber einen weiteren wichtigen Schritt Richtung Klassenerhalt geschafft und den Konkurrenten auf Distanz gehalten. Der darf nun seine Planungen für die Regionalliga intensivieren. Dieses Szenario war am Mittwochabend auf der Jahreshauptversammlung des Klubs diskutiert und skizziert worden. Trotz stark sinkender Einnahmen durch TV-Gelder soll es im Falle des Abstiegs höchstens eine Ehrenrunde in der "Schweineliga" geben, in der etwa der große Rot-Weiss Essen über ein Jahrzehnt verzweifelt festhing.

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Die Regionalliga West ist ein Nadelöhr. Nur eine Mannschaft kommt hoch. Bei vielen anderen ambitionierten und großen Traditionsvereinen wie etwa Rot-Weiß Oberhausen oder dem Wuppertaler SV kann das jederzeit bitter enden. "Wir haben dennoch den Anspruch, sollten wir absteigen, sofort wieder aufzusteigen", sagte Präsident Ingo Wald bei der Versammlung. Gelingen soll das womöglich über die Gründung einer Genossenschaft, die dem Verein frisches Geld als Darlehen zur Verfügung stellt.

Nun ist es ja so an der Wedau, dass sie Leiden gewöhnt sind. Seit Jahren geht es mit dem Klub konstant bergab, inklusive kleiner Zwischenhochs. Aber die großen Zeiten des Klubs aus der Arbeiterstadt an Rhein und Ruhr sind vorbei. In den 70er-, 80er- und sogar noch 90er-Jahren konnte man hier internationalen Fußball bestaunen. Im Jahr 1979 erreichte der MSV das Halbfinale des UEFA-Pokals, scheiterte aber an Borussia Mönchengladbach. Ein anderes Highlight der Vereinsgeschichte: Das Pokalfinale 1998, das auf dramatische Weise gegen den FC Bayern (1:2) verloren ging, aber immerhin in den europäischen Pokalsieger-Wettbewerb führte. Nun geht der Weg immer weiter in eine andere Richtung, in Richtung westdeutscher Viertklassigkeit.

Quelle: ntv.de, tno

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