Fußball

Trainerlegende wird 85 Als Trapattoni im Zorn Rotwein über Hoeneß' Hose kippte

Ein dynamisches Duo beim FC Bayern: Uli Hoeneß und Giovanni Trapattoni.

Ein dynamisches Duo beim FC Bayern: Uli Hoeneß und Giovanni Trapattoni.

(Foto: imago sportfotodienst)

Giovanni Trapattoni schenkte den Deutschen Sätze für die Ewigkeit, denn er war in seiner Karriere als Fußballtrainer viel mehr als nur ein Erfolgscoach. Der Italiener ist ein Poet, der das Spiel liebt. Doch der eine Tag und die legendäre Pressekonferenz überstrahlt fast alles.

Bei seiner letzten längeren Station als Trainer, damals als Coach der irischen Nationalelf, hat Trapattoni den schönen Satz gesagt: "The cat is in the sack, but the sack is not closed. The cat is it in, but it's open. It's a wild cat." Die irischen Journalisten waren begeistert und philosophierten tagelang in den Zeitungen über die inhaltliche Tiefe dieses Ausspruchs ihres Nationaltrainers. Da war er wieder, der Poet des internationalen Fußballs. Ein Feingeist, der sich nicht nur auf Italienisch, sondern in fast allen Sprachen der Welt einen Namen in der Fußballszene gemacht hat. Uns Deutschen hat er in seinen Jahren beim FC Bayern München und in Stuttgart wunderschöne Sätze für die Ewigkeit geschenkt. Giovanni Trapattoni war und ist ein Mann, den die Fußballfans weltweit nicht nur aufgrund seiner Erfolge immer sehr geschätzt haben - auch wenn sie nicht immer verstanden haben, was er genau mit seinen Sätzen meinte.

Seine Karriere begann Giovanni Trapattoni als Spieler des AC Mailand im Jahr 1957. Wie immer in poetischen Worten beschreibt der spätere italienische Nationalspieler diese Anfänge so: "Als ich in den 50er-Jahren erfahren habe, dass ich mein Debüt in der Serie A für den AC Mailand gegen SPAL (Ferrara) geben würde, bekam ich Fieber. Aber ich habe niemandem etwas gesagt. Ich wollte meinen Zug nicht verpassen. Ich wusste ja nicht, ob der Zug noch mal vorbeikommt!" 274 Partien bestritt Trapattoni für den AC Mailand und stand siebzehnmal im Trikot für die italienische Nationalmannschaft auf dem Platz.

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Als Trapattoni 1994 zum ersten Mal als Trainer zum FC Bayern München kam, hatte er bereits 17 nationale und internationale Titel geholt. Doch seine erste Amtszeit in München scheiterte schnell an seinen gravierenden Verständigungsproblemen. Aus Bremen folgte Trapattoni zur neuen Saison Otto Rehhagel nach. Die Bayern-Führung hatte sich allerdings in den italienischen Maestro und Feingeist verguckt. Und auch Trapattoni selbst mochte die erste Episode nicht so stehen lassen. Er übte fleißig die deutsche Sprache und sagte: "Wenn ich mit dem Druck nicht fertig werden würde, wäre ich Lokführer geworden." Und tatsächlich klappte es nach seiner Rückkehr zur Saison 1996/97 besser. Er gewann sogar mit den Bayern die deutsche Meisterschaft. Seine Idee vom Spiel gefiel auch den neutralen Beobachtern: "Der FC Bayern soll klingen wie eine Fuge von Bach."

"Broadway-Star in der Provinz"

Doch in der zweiten Saison spielte der Aufsteiger 1. FC Kaiserslautern unter Leitung des ehemaligen Bayern-Trainers Otto Rehhagel überraschend groß auf. In München kriselte es zusehends. Und dann kam die legendäre Pressekonferenz ("Was erlauben Strunz?"). Der italienische Gentleman gab kurz darauf selbst seinen Rücktritt zum Saisonende bekannt - und kam so einer zwangsläufigen Entlassung durch die Bayern zuvor. Zum versöhnlichen Abschied holte er mit seiner Mannschaft den DFB-Pokal.

Die "Abendzeitung" nannte ihn damals in seinen besten Münchener Zeiten "Don Giovanni" und Bremens Manager Willi Lemke adelte ihn als "Broadway-Star in der Provinz". Giovanni Trapattoni waren Lobpreisungen solcher Art immer etwas unangenehm: "Ich bin weder Lollobrigida noch Monroe, ich verdiene all diese Aufmerksamkeit nicht - ich bin ja nicht so schön." Der schöne Schein aus Worten interessierte ihn ohnehin nicht: "Wenn ich jemanden von Image reden höre, denke ich unmittelbar an schöne Zitronen, die beim Öffnen komplett ohne Saft sind."

Diese Zitate erinnern allesamt an den legendären 10. März 1998. Damals, als Trapattoni raus zur Pressekonferenz ging, ahnte nur einer, was für ein historischer Moment möglicherweise unmittelbar bevorstand. Es war der Mediendirektor des FC Bayern München. Markus Hörwick meinte auch viele Jahre später immer noch, dass er das Spektakel habe kommen sehen. Damals war die Situation beim FC Bayern München mal wieder dramatisch. Nach einem 0:1 auf Schalke lag der Rekordmeister sieben Punkte hinter dem überraschenden Spitzenreiter, dem Aufsteiger aus Kaiserslautern. Eine sportliche Katastrophe. Und als dann auch noch ein Spieler öffentlich seinen Trainer an den Pranger stellte, eskalierte die Lage endgültig. Der Bayern-Profi Thomas Strunz hatte nach seiner Auswechslung im Parkstadion verärgert in die Mikrofone der Fußballsendung "ran" geraunt, dass man nun auch einmal die Taktik des Trainers hinterfragen müsse. Ein öffentlicher Affront.

"... ich hätte Giovanni eingeschlossen"

Nachdem Bayern-Coach Giovanni Trapattoni schon im Mannschaftshotel nach der Partie auf Schalke seinem Unmut freien Lauf gelassen hatte - und dabei, wie Augenzeugen berichteten, Manager Hoeneß sogar eine Rotweinflasche über den Anzug gekippt haben soll - fuhr er danach erst einmal für zwei Tage in seine Heimat. Doch als er am Dienstag zurückkam, hatten sie beim FC Bayern ein komisches Gefühl - und ganz besonders Markus Hörwick. Normalerweise habe sich der italienische Cheftrainer der Münchener nämlich nur zwei, drei Sätze von einem Dolmetscher ins Deutsche übersetzen lassen, doch an diesem Tage wäre er gleich mit einem Stapel Zettel erschienen. Hörwick erinnert sich lebhaft an seine Gefühle damals: "Ich schwöre: Wenn die Trainerkabine einen Schlüssel gehabt hätte, ich hätte Giovanni eingeschlossen und den Schlüssel weggeworfen." Doch so blieb dem Mediendirektor nur einer der besten Plätze an diesem denkwürdigen Tag - in direkter Nähe des spektakulären Geschehens.

Was nach dem knapp dreiminütigen Wortrausch blieb, waren Sätze für die Ewigkeit. "Ich habe fertig" oder der Ausruf "Flasche leer" sind in die deutsche Umgangssprache eingegangen. Was aber kaum einer weiß: Giovanni Trapattoni wollte noch einmal in den Presseraum zurückkehren. Schon beim Rausgehen hatte er angeboten, falls es Nachfragen gäbe, könne er seine Worte gerne wiederholen. Doch nun stand er draußen vor der Türe und sagte zu Hörwick: "Habe ich was vergessen!" Der Mediendirektor beschwichtigte den Bayern-Trainer und ging mit ihm in die Kabine. Dort meinte er, dass er erst einmal schauen wolle, ob überhaupt noch jemand da sei. Als er die Tür zum Presseraum nur einen Spaltbreit öffnete, blickte er in einen aufgeregten Ameisenhaufen. Er eilte zu Trapattoni zurück und sagte entschuldigend: "Du, die sind leider schon weg!" Der Trainer der Bayern zog enttäuscht die Schultern nach oben und blieb in seinem Zimmer. Nicht auszudenken, was er noch alles für wunderbare Sachen an diesem Tage gesagt hätte. So blieb es bei 198 magischen Sekunden, die für die Ewigkeit sind.

"Calcio ist Liebe, Calcio ist Leben"

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Stolz ist Giovanni Trapattoni auf diese unvergessliche Pressekonferenz nie gewesen, da er damals so viele grammatikalische Fehler gemacht habe. Es sei seinem Temperament geschuldet gewesen, hat er einmal gesagt. Und genau diese einzigartige Leidenschaft für das Spiel hat er an anderer Stelle einmal in diesem wunderbaren Zitat zum Ausdruck gebracht: "Es gibt nur einen Ball. Wenn der Gegner ihn hat, muss man sich fragen: Warum!? Ja, warum? Und was muss man tun? Ihn sich wiederholen!"

Der "Spiegel" meinte einmal, Trapattoni habe "ein romantisches Verhältnis zum Spiel" gehabt, da es ihn von einem einfachen Bauernsohn zu einem Weltbürger habe werden lassen. Das stimmt wohl. Doch seine Leidenschaft für den Fußball ging weit über den sozialen Aufstieg hinaus, wie einer seiner unsterblichen Sätze zeigt: "Calcio ist Liebe, Calcio ist Leben". Mittlerweile hat sich Giovanni Trapattoni von der großen Bühne, die ihm so viel bedeutete, komplett zurückgezogen. Seine Erfolge, seine Ausstrahlung und ganz besonders seine vielen wunderschönen Sätze strahlen aber ohnehin immer weiter: "Wer Mozart hört, kann auch besser Fußball spielen. Man lernt viel über Spannungen, Tempo, Rhythmus, den Aufbau und die Strukturen. Man lernt die Logik, ein Spiel zu lesen."

Heute feiert der Maestro seinen 85. Geburtstag. Herzlichen Glückwunsch, alles Gute und Glück auf, lieber Giovanni Trapattoni!

Quelle: ntv.de

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