
Rudi Assauer prägte den FC Schalke. Auch gegen anfängliche Widerstände.
(Foto: imago/WEREK)
Beinahe hätte es die Wiederauferstehung des FC Schalke 04 unter seinem Manager Rudi Assauer nie gegeben. Denn anderthalb Jahre nach seinem Einstieg bei den Königsblauen wurde Assauer gefeuert. Doch Schalke und sein Manager lernten aus diesen wilden Tagen - und führten den Klub anschließend zu großen Erfolgen.
"Das ist wie ein Fingerzeig von oben, der dir sagt: Junge, du bekommst noch eine zweite Chance, um zu zeigen, was du drauf hast." Als Rudi Assauer Anfang April vor dreißig Jahren zum FC Schalke 04 zurückkehrte, fragte ihn eine große Sportillustrierte, ob er schon "Angst vor den Fans" habe. Und tatsächlich war dem damals 48-jährigen gebürtigen Saarländer die Geschichte nicht ganz geheuer. Denn nur sechs Jahre zuvor hatten sie ihn auf Schalke davongejagt, weil sie ihm vorwarfen, den Klub finanziell und sportlich an die Wand gefahren zu haben. Aber schon nach ein paar Tagen am Berger Feld schaute Rudi Assauer schon wieder optimistischer in die Zukunft: "Mich hat überrascht, wie viele mir Mut gemacht haben."
"Entweder ich schaffe Schalke oder Schalke schafft mich", hat Rudi Assauer damals aus Trotz und mit viel Weitsicht gesagt. Dass es am Ende eine solche Erfolgsgeschichte werden würde, konnte in diesen kühlen Frühlingstagen des Jahres 1993 allerdings noch niemand ahnen - denn Assauers Rückkehr wurde von wilden Fanprotesten gegen ihn begleitet. Sein damaliger Ruf als "unnahbarer, schöner Rudi" ("Ich kann's nicht mehr hören. Für seine äußere Erscheinung kann doch keiner was. Und heutzutage muss man sich eben eine Krawatte umbinden, wenn man mit irgendwelchen Weltfirmen um Werbeverträge verhandelt. Das muss man auch in Schalke lernen") stammte noch aus seiner ersten Zeit als Manager der Königsblauen. Damals hatte er schon einmal Kinder mit dem Wunsch nach Freikarten mit wenig feinfühligen Sätzen weggeschickt: "Hasse kein Pulver, brauchste nich auf Schalke."
"Weg-frei-Räumer und Massenbändiger"
Ein Wirtschaftsmagazin beschrieb ihn und sein umfassendes Betätigungsfeld in diesen Tagen so: "Er ist derjenige, der die Spieler verpflichtet, Sponsoren-Verträge aushandelt, Repräsentant der königsblauen Philosophie, Chefverkäufer des 'Produktes' Schalke 04, Mitglied des Vorstands, Geschäftsführer aller Tochtergesellschaften des Vereins, Ideengeber, Weg-frei-Räumer, Lenker und Massenbändiger ist." Und auch Assauer selbst sah sich vor dreißig Jahren tatsächlich noch als jemand anderes, als ihn die Fußballfans heute in Erinnerung haben: "Ich bin nun mal nicht der Typ, der schulterklopfend mit den Jungs am Tresen steht und mit den Jungs ein Bier nach dem anderen trinkt." In der Öffentlichkeit gab es ein Bild von ihm, das den Worten von Max Merkel sehr nahekam: "Sir Assauer sprach oft durch die Nase, um seine perlweißen Jacket-Kronen zu schonen." Doch dieses Bild sollte sich schnell wandeln.
Denn Günter Eichberg, der legendäre Schalker "Sonnenkönig", sah trotz großer interner Widerstände im Verwaltungsrat der Königsblauen im Frühjahr 1993 keine andere Chance mehr, als Rudi Assauer zurückzuholen. Die finanziellen, strukturellen und auch sportlichen Probleme verlangten nach einer ganz besonderen Lösung und Persönlichkeit. Eine Reizfigur musste her, die auch Eichberg selbst etwas aus der Schusslinie nehmen sollte. Assauer war die Ideallösung - auch wenn er übergangsweise noch in Teilzeit bei seinem alten Arbeitgeber, dem VfL Oldenburg, bis Saisonende aushelfen musste. Was Rudi Assauer zwar ahnte, aber nicht im Detail wusste: Der Verein war in diesen Tagen nur bedingt "lebensfähig". Schalke hatte durch ein kompliziertes Geflecht an unterschiedlichen Gesellschaften ein System aufgebaut, das schwer zu durchschauen war, wie auch Assauer damals erkennen musste: "Ich bin immer wieder überrascht, dass das eine oder andere hochkommt, mit dem ich nicht gerechnet habe."
Doch Assauer lernte schnell und erkannte schon bald: "Dieser Verein wird nie grau und normal sein." Was das für ihn allerdings selbst bedeuten sollte, musste er nur anderthalb Jahre später erfahren, als am 12. September 1994 die Mitglieder im Gelsenkirchener Sportparadies zusammentraten, um nach dem Tod von Bernd Tönnies einen neuen Präsidenten zu wählen. Heute weiß man: Es sollte die letzte skandalträchtige Schalker Mitgliederversammlung alter Schule werden.
"Gegen den BVB haben wir uns früher nicht mal umgezogen"
Doch an diesem Tag machte die Versammlung ihrem legendären Ruf noch einmal alle Ehre. Denn dem ehemaligen Schalker Spieler Helmut Kremers reichte ein einziger unvergesslicher Satz, um den gesamten Saal geschlossen hinter sich zu bringen: "Wenn wir früher gegen Dortmund gespielt haben, haben wir uns dafür nicht mal umgezogen." Und als der neu gewählte Präsident zum Abschluss schließlich traditionell "Blau und weiß, wie lieb ich dich" anstimmen wollte, begannen die Mitglieder stattdessen inbrünstig zu singen: "Wir scheißen auf den BVB!"
Eine der ersten Amtshandlungen von Helmut Kremers war es, seinen ehemaligen Widersacher Rudi Assauer zu feuern. Doch nach mehreren heftigen Querelen musste schließlich Kremers selbst sein Amt niederlegen - und Assauer kehrte zurück. Das war dem Schalker Manager eine Lehre. So konnte es auf Schalke nicht mehr weitergehen. Es musste sich dringend etwas ändern. Und so schloss sich mit der außerordentlichen Jahreshauptversammlung am 5. Dezember 1994 eines der unterhaltsamsten Kapitel deutscher Fußballgeschichte. Die maßgeblich von Assauer vorangetriebene neue Schalker "Muster-Satzung" wurde mit großer Mehrheit verabschiedet. Ab sofort konnten die Mitglieder nicht mehr unmittelbar den Vorstand wählen. Dies taten ab sofort die Aufsichtsräte. Für Schalke und Rudi Assauer bedeutete dies: Von nun an konnten sie in Ruhe und mit der notwendigen Konstanz arbeiten. Und davon profitierten die Königsblauen.
"Und wenn meine Alte nix zu fressen kriegt ..."
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Rudi Assauer legte den finanziellen Sumpf nach und nach trocken, plante im großen Stil ein neues Stadion, baute eine wettbewerbsfähige Mannschaft auf und verpflichtete mit dem Niederländer Huub Stevens einen Trainer, der den Verein schon kurz darauf zum Gewinn des Europapokals im Jahr 1997 führen sollte. Doch nicht nur durch die sportlichen Erfolge erspielte sich Assauer einen Platz in den Herzen der Fans. Er hatte erkannt, dass ein enger Kontakt und Austausch mit dem wichtigsten Pfund, mit dem Schalke wuchern kann, einfach unabdingbar war. Denn die Fans sind das Besondere auf Schalke, auch wenn sich Assauer selbst immer wieder aufs Neue über ihre spezielle Leidenschaft wunderte: "Denen ist scheißegal, was das kostet. Die sagen sich: Und wenn meine Alte nix zu fressen kriegt - ich fahr mit!"
Seinen größten Traum hat sich Assauer allerdings nie erfüllen können - den Gewinn der deutschen Meisterschaft mit seinem Verein. Sprach er vom möglichen Titelgewinn, hatte er Tränen in den Augen: "Wenn Schalke Meister würde, dann läuten im ganzen Revier die Glocken." Doch es sollte nicht sein. Nach dem packenden Finish der Spielzeit 2000/01 war Schalke nur der "Meister der Herzen". Und Assauer? Der ahnte in diesen Minuten, dass sein Traum nie in Erfüllung gehen würde: "Wenn es einen Fußballgott gibt, ist er ungerecht. Der ist für mich gestorben." Doch das änderte alles nichts an einer Sache: Rudi Assauer hatte seine zweite Chance bei den Königsblauen mehr als nur genutzt. Und eins ist dreißig Jahre später sicher: Er hat Schalke geschafft - und nicht umgekehrt!
Quelle: ntv.de