Bundestrainer in freudiger Erwartung BVB mahnt - Löw rudert zurück
12.10.2012, 14:51 Uhr
Bundestrainer Joachim Löw freut sich vor dem Irland-Spiel auf eine "unglaublich enthusiastische, elektrisierende Atmosphäre". Allerdings nicht in seinem Team.
(Foto: picture alliance / dpa)
Dass Joachim Löw den Dortmunder Marcel Schmelzer offenbar nur widerwillig aufstellt, sorgt vor dem WM-Qualifikationsspiel der deutschen Mannschaft gegen Irland für Aufregung. Nun rudert der Bundestrainer zurück. Und freut sich auf eine fantastische Stimmung. Allerdings nur auf den Rängen.
Nun hat er es also selbst gesagt. Nach langer Diskussion um die Stimmung in der deutschen Fußball-Nationalmannschaft hat Joachim Löw eingeräumt, dass bei der Europameisterschaft in Polen und der Ukraine doch nicht alles ganz so prima war im Kreise der Mannschaft wie noch bei der Weltmeisterschaft 2010 in Südafrika. Oder um mit Irlands Trainer Giovanni Trapattoni zu sprechen: "The cat is out of the sack." Der Bundestrainer differenzierte zwischen "überragend gut" und "gut". Tendenz also fallend. Nur - was bringt das jetzt? Für das dritte WM-Qualifikationsspiel der DFB-Elf auf dem Weg nach Brasilien erst einmal gar nichts.
Nach Siegen gegen die Färöer und in Österreich treten die Deutschen heute ab 20.45 Uhr in Dublin an. Aber auch da geht es wieder um Stimmung - allerdings um die der irischen Fans. Die sind notorisch gut gelaunt und werden auch heute Abend wieder singen bis der Arzt komme, da kann ihre Mannschaft auf dem Rasen machen, was sie will. Und seien es Dutzende Querpässe in Serie. Darauf freut sich nicht nur Lukas Podolski, der Anfang der Woche von den "verrückten irischen Fans" sprach, auch für den Bundestrainer scheint das ein Erlebnis zu sein. "Immer absolut fair, sogar für den Gegner gibt es Beifall."
Was das betrifft, dürfte es ein Fest mit den 51.700 Zuschauern im Stadion an der Lansdowne Road im Südosten Dublins werden, das nach dem Neubau für 410 Millionen Euro seit knapp zweieinhalb Jahren den Namen einer Versicherungsgesellschaft trägt. Die Heimstätte der irischen Fußballer und Rugbyspieler erinnert aus der Vogelperspektive an ein Hufeisen, wirkt mit seiner Glasverkleidung wie ein Designobjekt und steht in einem Wohngebiet zwischen alten Backsteinhäusern. Wer mit dem Vorstadtzug anreist, rattert direkt unter der Tribüne entlang. Die deutsche Mannschaft fährt allerdings die gut anderthalb Kilometer vom Hotel an der Simmonscourt Road zum Stadion im Bus.
Neue Art der Mitarbeitermotivation?
Irland: Westwood (FC Sunderland/27 Jahre/12 Länderspiele) - Coleman (FC Everton/24/6), O'Shea (FC Sunderland/31/81), O'Dea (FC Toronto/25/16), Ward (Wolverhampton Wanderers/27/16) - McGeady (Spartak Moskau/26/55), Cox (Nottingham Forest/25/18), Andrews (Bolton Wanderers/32/32), McCarthy (Wigan Athletic/21/6), Fahey (Birmingham City/29/15) - Walters (Stoke City/29/12)
Trainer: Giovanni Trapattoni
Deutschland: Neuer (Bayern München/26/33) - Boateng (Bayern/24/26), Mertesacker (FC Arsenal/28/82), Badstuber (Bayern/23/28), Schmelzer (Borussia Dortmund/24/8) - Khedira (Real Madrid/25/35), Schweinsteiger (Bayern/28/95) - Müller (Bayern/23/35), Özil (Real/23/41), Reus (Dortmund/23/11) - Klose (Lazio Rom/34/124)
Trainer: Joachim Löw
Schiedsrichter: Nicola Rizzoli (Italien)
Wie dort die Stimmung ist, wird aller Wahrscheinlichkeit nach nie publik. Marcel Schmelzer allerdings könnte auch etwas anderes als Vorfreude auf sein neuntes Länderspiel auf der linken Abwehrseite empfinden. Schließlich hatte Joachim Löw gestern bei der Pressekonferenz im Stadion klar gemacht, dass er den Dortmunder nur aufstellt, weil er keinen besseren hat. "Gekleidet wie ein Schweizer Banker für einen Spaziergang um die Mittagszeit", wie der "Irish Independent" schrieb, im dunkelblauem Anzug, hellblauem Hemd und mit schwarzem Wollschal saß er auf dem Podium und kritisierte öffentlich einen Spieler, wie er selten zuvor einen Spieler kritisiert hatte. Er könne sich schließlich keinen neuen Linksverteidiger schnitzen. "Also müssen wir mit Marcel Schmelzer weitermachen." Ob das eine neue Art der Mitarbeitermotivation ist oder er doch der Forderung des Präsidenten des FC Bayern München, Uli Hoeneß, nachgekommen ist, die Spieler mehr unter Druck zu setzten, bleibt sein Geheimnis. Die Reaktion aus Dortmund jedenfalls ließ nicht lange auf sich warten. "Ich fand die Kritik komplett kontraproduktiv. Ich habe mich darüber geärgert und habe diesem Ärger auch deutlich Ausdruck verliehen." Und weiter "bei Borussia Dortmund vertreten wir grundsätzlich die Philosophie, dass wir unsere Spieler öffentlich stark reden", sagte Hans-Joachim Watzke, Vorsitzender der Geschäftsführung", den "Ruhr Nachrichten". "Und damit ist eigentlich alles gesagt." Er jedenfalls halte nichts davon, einzelne Spieler, noch dazu jüngere Spieler, öffentlich herauszupicken.
Allerdings zeigte Watzke auch Verständnis für den Bundestrainer: "Er wird momentan von vielen Seiten attackiert und angegriffen, teilweise auch völlig unqualifiziert. Da muss man ihm zugestehen, dass er in einer Drucksituation auch mal überreagiert.
Zuvor war der Bundestrainer allerdings bereits etwas zurückgerudert. Schriftlich. "In der Nationalmannschaft war er zuletzt beim Freundschaftsspiel gegen Argentinien im August überragend. Daher gehört er absolut zurecht der DFB-Auswahl an. Dass er gegen Österreich, genauso wie die gesamte Mannschaft, nicht überzeugt hat, weiß er selbst." Dennoch habe er nach wie vor großes Vertrauen in Schmelzers Fähigkeiten", ließ Löw ausrichten. Was nichts daran ändert, dass es ihm wohl am liebsten wäre, er könnte Philipp Lahm klonen und dann an beiden Enden der Viererkette spielen lassen. Das der Kapitän aber heute wegen zweier Gelben Karten aus den ersten beiden Qualifikationsspielen fehlt, wird voraussichtlich sein Münchner Vereinskollege Jerome Boateng den Part des Rechtsverteidigers übernehmen. Eine Alternative ist der Schalker Benedikt Höwedes.
Bastian Schweinsteiger ist wieder mit dabei
Und sonst? Steht der Münchner Manuel Neuer wieder im Tor, vor ihm spielen Bayerns Holger Badstuber und Arsenals Per Mertesacker als Ersatz für den verletzten Dortmunder Mats Hummels in der Innenverteidigung. Reals Sami Khedira kommt im defensiven Mittelfeld zum Einsatz, erstmals seit dem Halbfinal-Aus bei der EM wieder an der Seite von Bastian Schweinsteiger. Der Münchner, laut "Independent" der Talisman der DFB-Elf, bekommt dann auch gleich die Kapitänsbinde. Auf der rechten Angriffsseite beginnt Thomas Müller vom FC Bayern, in der Mitte spielt Mesut Özil von Real Madrid, neuerdings wieder mit Kurzhaarfrisur. Vakant ist noch die Stelle auf der linken Seite, Kandidaten sind der Dortmunder Marco Reus und Arsenals Lukas Podolksi. Und im Sturm wirkt, wie sollte es anders sein, Miroslav Klose von Lazio Rom. Und das zum 125. Mal.
Der Bundestrainer hat sich derweil einen Plan zurechtgelegt. "Wir müssen die richtige Präsenz in den Zweikämpfen zeigen, wir müssen als Einheit auftreten und dagegenhalten." Schließlich sollen es nach dieser Partie und nach der am kommenden Dienstag in Berlin gegen Schweden zwölf Punkte aus vier Qualifikationsspielen sein, die er und seine Mannschaft mit in die Winterpause nehmen. Ansonsten freut sich Joachim Löw. Auf eine "unglaublich enthusiastische, elektrisierende Atmosphäre". Allerdings nicht in seinem Team.
Quelle: ntv.de