Christian Wulff des deutschen Fußballs Ballack, das Alphatier ohne Rudel
30.01.2012, 13:22 UhrDer Geschäftsführer will ihn nicht mehr, der Trainer braucht ihn nicht mehr, die Kollegen sind genervt. Fußballspieler Michael Ballack manövriert sich bei Bayer Leverkusen und in der Öffentlichkeit unaufhaltsam ins Abseits, weil er nicht wahrhaben will, dass er, einst Weltstar, nur noch einer unter vielen ist.
Das Blöde am Fußball wie am richtigen Leben ist, dass niemand vorher weiß, wie es hinterher ausgeht. Das hat auch Leverkusens Geschäftsführer Wolfgang Holzhäuser gemerkt. "Wenn ich gewusst hätte, was ich heute weiß, hätte ich mir den Transfer sehr gut überlegt." Nun aber spielt Michael Ballack, 35 Jahre alt, seit mehr als eineinhalb Jahren beim Fußball-Bundesligisten Bayer 04 und verdient geschätzte sechs bis acht Millionen Euro pro Saison.
Das heißt: Meist spielt er nicht. Und wird immer mehr zum Problem, weil er sich weigert einzusehen, dass es dafür gute, nämlich sportliche Gründe gibt. Zum Beispiel den, dass andere, jüngere, mittlerweile besser sind. Oder den, dass er nicht mehr wie einst der Anführer ist, das Alphatier, das seinem Rudel sagt, wie und wohin es zu laufen hat. Sondern nur noch einer unter vielen, an guten Tagen durchaus einer der Besseren, an schlechteren eben nur Ersatz. Michael Ballack ist auf bestem Wege, zum, wie der Berliner "Tagesspiegel" schrieb, Christian Wulff des deutschen Fußballs zu werden. Wie der Bundespräsident immer noch im Amt, aber nur noch auf der Ersatzbank.
Holzhäuser jedenfalls möchte ihn am liebsten sofort loswerden und nicht erst im Sommer, wenn der Vertrag des ehemaligen Kapitäns der deutschen Fußball-Nationalmannschaft ausläuft. Das Projekt Ballack sei gescheitert. Der Geschäftsführer will ihn nicht mehr, der Trainer braucht ihn nicht mehr, und die Kollegen sind genervt. Oder wie Manuel Friedrich es nach dem Unentschieden bei Werder Bremen formulierte: "Das drückt mir so auf das Herz, ich konnte drei Tage lang gar nicht schlafen und bin froh, dass ich die 90 Minuten irgendwie durchgehalten habe."
Einzige deutsche Fußballer mit Weltformat
Es wird einsam um Michael Ballack, die Branche spottet immer offener über einen alternden Star, der nicht merkt, dass seine Zeit abgelaufen ist und viel dafür tut, dass die Menschen ihn dereinst nach dem endgültigen Ende seiner Karriere in schlechter Erinnerung behalten werden. Ihn, über den sie jahrelang gesagt und geschrieben haben, er sei der einzige deutsche Fußballer mit Weltformat. Ihn, der die Nationalelf geprägt hat wie nach ihm bisher keiner. Und auch wenn immer deutlicher wird, dass Michael Ballack seinen öffentlichen Niedergang zu einem guten Teil selbst zu verantworten hat – den Spott hat er so wenig wie jeder andere verdient. Allerdings würde er sich das Leben leichter machen, ginge er souveräner mit der Situation um. Doch danach steht ihm, wie es scheint, nicht der Sinn.
Wenn sich Sportchef Rudi Völler und Holzhäuser dafür einsetzten, dass ihm doch noch eine anständige Verabschiedung aus der DFB-Elf beschert wird, sagt Michael Ballack: "Wenn man meine Karriere in der Nationalmannschaft sieht, wenn man sieht, was ich geleistet habe in den letzten Jahren und Jahrzehnten, dann ist es aus meiner Sicht nur selbstverständlich, dass sich der eine oder andere einbringt, dass ich einen würdigen Abschied finde. Das hat mit seiner Sichtweise aber nichts zu tun." Klarer kann einer Hilfe nicht ablehnen. Und deutlicher kann einer nicht zum Ausdruck bringen, dass er die Sicht der Dinge exklusiv hat. Dass sich die Eigenwahrnehmung fundamental darin unterscheidet, wie andere einen sehen.
Neulich hat ein ehemaliger Nationalspieler dem "Spiegel" etwas Bemerkenswertes gesagt. "Ich bin jetzt 31 Jahre alt und irgendwann muss man akzeptieren, dass die eigene Karriere als Profifußballer auch endlich ist." Es war nicht Michael Ballack, der das gesagt hat. Sondern der vier Jahre jüngere Christoph Metzelder, als Innenverteidiger beim FC Schalke 04 nur noch zweite Wahl. Klar würde er gerne spielen, und er will seine Einsicht auch nicht so verstanden wissen, dass er den Kampf um einen Platz in der Mannschaft aufgegeben hat. Aber er weiß auch: "Es kommen sehr viele starke, junge Spieler nach. Deshalb haben es viele Spieler meines Jahrgangs nun eben schwerer. So schön der Beruf als Profi ist, er geht irgendwann eben zu Ende. Das ist der normale Gang."
Quelle: ntv.de