Fußball

Abraham lässt Hoffnung liegen Bayer Leverkusen macht die AS Rom fix und fertig

imago1044603793h.jpg

Bayer Leverkusen steht mit einem Bein im Endspiel der Europa League. Die Werkself gewinnt souverän in Rom und ist nun seit 47 Pflichtspielen ungeschlagen. Doch Trainer Xabi Alonso warnt vor trügerischer Euphorie, dabei hat er dafür eigentlich keinen Grund.

Bayer 04 Leverkusen hat seine kleine Krise (kleiner Scherz!) beendet und erstmals seit dem 14. April wieder ein Fußballspiel gewonnen. Nach drei Unentschieden in Serie fegte die Mannschaft von Trainer Xabi Alonso am Donnerstagabend über die AS Rom hinweg und steht nach dem 2:0 (1:0)-Sieg im Stadio Olimpico kurz vor dem Einzug ins Finale der Europa League. Im Rückspiel am kommenden Donnerstag müssten schon sehr verrückte Dinge passieren, damit es anders kommt. Denn nicht nur der Vorsprung ist komfortabel, es war vor allem die Leistung der Werkself, die die Roma komplett ernüchtern muss, so chancenlos waren die Gastgeber. "Bayer macht Rom dem Erdboden gleich", hieß es in Alonsos spanischer Heimat voller Ehrfurcht.

"Es ist Qualität, aber es ist auch Glaube, auf den wir Spiel für Spiel setzen", befand der absolut unverzichtbare und unverwüstliche Mittelfeldchef Granit Xhaka zur Topleistung bei RTL. Er selbst erwischte in Rom allerdings nicht seinen allerbesten Abend, agierte manchmal überraschend fahrig und pomadig. Die Bälle zog er dennoch an, verteilte sie oft clever und lebte die nötige Emotionalität vor. "Wir wussten, dass es brutal schwierig wird, aber Riesenkompliment an die ganze Mannschaft, was wir heute hier in Rom geleistet haben. Auch Dominanz, wir haben ohne Ball sehr clever gespielt und wir hätten sicher noch zwei, drei mehr schießen können."

Womöglich wären zumindest Stimmung und Zutrauen in die das kleine Wunder von Leverkusen bei der AS anders gewesen, hätte der spät eingewechselte Stürmer Tammy Abraham in der 94. Minute aus drei Metern ins leere Tor geköpft und nicht drüber. Bayers Keeper Matej Kovar hatte sich bei einer Flanke zuvor mächtig verschätzt und die große Chance zum Anschlusstreffer möglich gemacht. Aber der Engländer vergab. Bayer hatte das Glück des Tüchtigen. Wieder einmal. In der Nachspielzeit gibt es offenbar einen Geheimbund zwischen den Leverkusenern und ihren Schutzengeln. Hinten bleibt die Hütte dicht. Und vorne wird der Ball reingezwungen, wenn es denn sein muss.

"Habe schon viele Comebacks gesehen"

Musste es dieses Mal, wie sonst so oft, aber nicht. Denn die beiden Nationalspieler Florian Wirtz (28.), nach einem dicken Fehler von Rick Karsdorp, und Robert Andrich, per traumhaftem Distanzschuss (73.), hatten den Bayer-Express auf das Gleis Richtung Dublin gestellt, wo am 22. Mai das Endspiel des Wettbewerbs ausgetragen wird. Dann entweder gegen Olympique Marseille oder Atalanta Bergamo. Die beiden Teams trennten sich 1:1.

Von etwas Vorentscheidendem wollen sie bei Bayer indes noch nichts wissen. Auch mit der Euphorie der ersten Deutschen Meisterschaft der Klubgeschichte und einer überragenden Leistung gegen Rom, ließen sich Spieler und Trainer nicht locken. Sie bleiben bei ihrer wenig forschen, nur seriösen von Spiel-zu-Spiel-Denke. "Es ist ein gutes Ergebnis, aber es ist noch nicht vorbei", sagte Xabi Alonso: "Es gibt noch ein Spiel in Leverkusen. Sie haben nichts zu verlieren, wir haben alles zu verlieren. Manchmal ist das eine schwere Situation. Ich habe schon viele Comebacks gesehen. Aber wir sind bereit." Ein Vergleich mit den Comic-Helden Asterix und Obelix, die sich stets erfolgreich gegen die Angriffe der Römer wehren, erheiterte den Coach. "Das ist eine große Metapher. Ich weiß nicht, ob wir die Gallier sind - wir sind einfach eine gute Mannschaft", meinte er nach dem "Überfall" auf Rom.

AS Rom - Leverkusen 0:2 (0:1)

Tore: 0:1 Wirtz (28.), 0:2 Andrich (73.)
Rom: Svilar - Karsdorp (62. Angelino), Mancini, Smalling, Spinazzola - Paredes (79. Baldanzi), Cristante, Pellegrini - El Shaarawy, Lukaku (79. Azmoun), Dybala (90.+1 Abraham); Trainer: De Rossi
Leverkusen: Kovar - Stanisic, Tah, Tapsoba - Frimpong (88. Palacios), Andrich, Xhaka, Hincapie - Wirtz (77. Hofmann), Grimaldo (90.+3 Kossounou) - Adli (77. Tella); Trainer: Alonso
Gelbe Karten: Spinazzola, Cristante, Pellegrini - Tah, Andrich, Xhaka
Schiedsrichter: Francois Letexier (Frankreich)
Zuschauer: 70.000

In der ersten von zwei Halbzeiten (also dem Hinspiel) nahmen die Leverkusener nun eiskalt Revanche für das 0:1 im vergangenen Jahr. Damals beschränkten sich die Italiener nur aufs Verteidigen und den leidenden Kampf, während sie mittlerweile unter der Anleitung von Daniele de Rossi auch um spielerische Lösungen bemüht sich. Aber gegen das defensiv brillant auftretende Bayer-Team gab es kaum welche. Nach 21 Minuten hatte Sturm-Bulle Romelu Lukaku an die Latte geköpft. Vorausgegangen war eine Ecke. Nach 84 Minuten war Bayer-Leihgabe Sardar Azmoun schön freigespielt worden, wurde beim Abschluss von Piero Hincapie so gestört, dass es nicht noch gefährlicher wurde. Und dann kam eben noch Abraham.

Alonsos taktischer Kniff geht auf

Aber der Rest des Spiels ging an die Werkself, bei der Alonso wieder einmal für einen taktischen Kniff gesorgt hatte, der voll aufging. Obwohl die Topstürmer Patrik Schick und Victor Boniface fit waren, verzichtete der Baske auf einen klassischen Neuner und wählte den kleinen, schnellen Überfallansatz. Mit Wirtz als falscher Neun, ein Begriff, den man eigentlich mit fürchterlichen Jahren der DFB-Elf verbindet. Flankiert wurde der Bayer-Magier von den schnellen Amine Adli und Jeremie Frimpong. Wirtz ließ sich oft fallen, entwand sich so einer engen Verteidigung und nutzte die Freiräume für schöne Dribblings. "Wir haben ein bisschen gewechselt. Mit Amine und Jeremie wollten wir dynamisch sein. Mit Grimaldo und Florian Wirtz haben wir auch Spieler zwischen den Linien. Die Jungs haben sehr seriös und diszipliniert gespielt. Das brauchen wir, wenn wir in Europa erfolgreich spielen wollen. Wir haben heute das gemacht, was wir machen wollten."

Adli und vor allem Frimpong stürmten wie die Wilden die Seitenlinie entlang. Frimpong ließ vor dem 1:0 eine dicke Gelegenheit liegen, als er knapp neben das Tor lupfte. Und verpasste nach der Führung das direkte Nachlegen. Einen wunderbaren Konter über den starken Alejandro Grimaldo setzte der 23-Jährige hauchzart neben den Pfosten. Dass die Leverkusener nach dem Spiel haderten, dass sie nicht mehr Tore erzielt hatten, war angesichts dieser Szenen durchaus verständlich.

Leverkusen kocht die Emotionen runter

Und es waren ja nicht die einzigen. Auch Wirtz hätte kurz nach der Führung nachlegen können, schoss aber ebenfalls vorbei. Als voll aufgegangen darf der Plan trotzdem gelten. "Wir hatten uns mit dem Trainer etwas überlegt und das hat ganz gut funktioniert", sagte Abwehrchef Jonathan Tah, der im Duell mit Lukaku früh Gelb sah, danach aber seriös und aufmerksam verteidigte, ohne Gefahr zu laufen, einen Platzverweis zu kassieren: "Sie haben wohl was anderes erwartet."

Mehr zum Thema

Und wurden später in ihrer immer greifbareren Verzweiflung nickeliger. Immer wieder gab es kleine Schubser und kleine Rudel. Doch auf dieser Ebene zogen die Römer den Kürzeren. "Es war zu erwarten, dass es hier in Rom vor der Kulisse ein hitziges Spiel wird, vielleicht auch mit dem Spiel letztes Jahr", befand Andrich. "Wir haben es sehr gut hinbekommen, hitzige Situationen anzunehmen und dann trotzdem auch in den richtigen Situationen kühl zu bleiben. Das haben wir heute sehr gut gemacht."

Nichtsdestotrotz gibt De Rossi die Hoffnung auf das Erreichen des Endspiels nicht auf. "Ich glaube fest daran, auch wenn es schwer werden wird, aber wir werden nicht aufgeben", sagte der Weltmeister von 2006. Doch nicht nur der Umstand, dass die Werkself von nun 47 Pflichtspielen (!) keines verloren hat, macht die Mission für die AS sehr unwahrscheinlich. "Es war heute ihr Abend", sagte De Rossi: "Und es ist einfach ihr Jahr."

Quelle: ntv.de

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen