"Am Ende war es zum Kotzen" Bayerns Remis erzürnt van Gaal
06.11.2010, 20:41 UhrEs hätte ein perfekter Nachmittag werden können für den FC Bayern, es wird ein desaströser. Mainz verliert zwar, aber die Münchner verschenken gegen Schlusslicht Gladbach selbst Punkte. Das führt zu einer lautstarken Kabinenpredigt von Coach van Gaal. Vereinschef Rummenigge findet: "Das Unentschieden fühlt sich an wie eine Niederlage."

Lebender Vulkan: Ohrenzeugen berichten, dass Louis van Gaal nach dem 3:3 gegen Gladbach in der Bayern-Kabine ausgebrochen ist.
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Rekordmeister Bayern München wartet in der Bundesliga weiter darauf, endlich wieder zwei Spiele in Folge zu gewinnen. Die propagierte Aufholjagd wird schon von Schlusslicht Borussia Mönchengladbach gestoppt, das den Bayern nach deren frappierendem Leistungseinbruch in der zweiten Halbzeit ein 3:3 (1:2) abtrotzt. Bayern-Coach Louis van Gaal war anschließend entsprechend sauer und hielt seinen überheblichen Stars nach dem Spiel in der Kabine eine Standpauke, die, so ist es aus Gladbach überliefert, bis in die Mixed-Zone der Journalisten zu hören war.
Später, in der Pressekonferenz, bat der Niederländer um Verständnis für seine lauten Worte und erklärte ganz ruhig, was ihn so auf die Palme gebracht hatte. "Ich war sehr enttäuscht, und auch ein bisschen böse auf meine Spieler. Wir waren so überlegen", sagte er und spielte damit auf 79 Prozent Ballbesitz, zwei Tore und drei Aluminiumtreffer im ersten Durchgang an: "In der Halbzeit hatte ich ihnen noch ein Kompliment gemacht und gesagt, dass ich den FC Bayern in dieser Saison noch nie so gut gesehen habe."

Hacke, Spitze, 1:2: Bastian Schweinsteiger traf künstlerisch wertvoll zur Münchner Pausenführung, davor und danach aber nur Latte und Pfosten.
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Zu diesem Zeitpunkt hatte sein Team noch 2:1 geführt, weil es nach der frühen Gladbacher Führung durch eine perfekt verunglückte Flanke von Patrick Herrmann (5.) eindrucksvoll das Kommando übernommen hatte. Das erste Bundesliga-Auswärtstor seit elf Monaten von Mario Gomez (11.), der seinen neunten Treffer in den vergangenen sieben Spielen erzielte, und der sehenswerte Hackentrick von Bastian Schweinsteiger zum 2:1 (40.) spiegelten die Überlegenheit nur unzureichend wider. Angesichts des an den rechten Pfosten geschossenen Foulelfmeters von Schweinsteiger (43.) und zwei Lattentreffern durch ihn (30.) und Toni Kroos (36.) hätten die Bayern viel höher führen müssen. "Ich denke, wir sind selten so vorgeführt worden wie in der ersten Halbzeit", bekannte Mönchengladbachs Trainer Michael Frontzeck.
Lethargie nach dem Wechsel
Doch Schweinsteigers Fehlschluss ließ den Gladbachern die Chance, ins Spiel zurückzufinden, und die Borussen nutzten sie eindrucksvoll. Angetrieben vom in der Pause zusammen mit Roel Brouwers eingewechselten de Camargo attackierten sie die Bayern jetzt frühzeitig und wurden nach neun Minuten belohnt, als Reus einen schönen Pass von de Camargo zum Ausgleich nutzte. Nur vier Minuten später erzielte der Belgier dann selbst sein erstes Bundesliga-Tor, diesmal vorbereitet von Reus. Die Bayern schauten nur noch interessiert zu.

Gladbach zeigte gegen die Bayern Moral, verpasste aber dennoch den ersten Heimsieg der Saison.
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Die Lethargie seines Teams war es auch, die van Gaal so erzürnte. "Ich sage den Spielern noch: Seid nicht überrascht, wenn Gladbach ein bisschen aggressiver zurückkommt", meinte er. Doch seine Spieler schienen ihm da nicht mehr zugehört zu haben, und Gladbach nutzte die Fahrlässigkeit der Bayern gnadenlos aus. Nach dem Doppelschlag standen die Münchner sogar am Rande einer Niederlage, die erst ein - von van Gaal ("Mir wären fast die Tränen gekommen") dann wieder gelobter - Kraftakt und der späte Treffer von Philipp Lahm (84.) verhinderte.
Zufrieden mit dem Punkt war van Gaal trotzdem nicht, denn er fand auch: "Am Ende hätten wir sogar noch gewinnen können, Toni Kroos muss seine Chance eigentlich machen. Aber vielleicht hat der liebe Gott gedacht, dass diese Spieler noch ein bisschen lernen müssen." Immerhin, tröstete sich der Niederländer, sei man zumindest "einen Punkt näher an Mainz herangerückt". Sportdirektor Christian Nerlinger glaubt trotz zweier verschenkter Punkte unverdrossen weiter an die Meisterschaft, räumte aber ein: "Es wird ein langer und steiniger Weg zurück an die Spitze."
"Fühlt sich an wie eine Niederlage"
Bedient war neben van Gaal auch Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge. "Das Unentschieden fühlt sich an wie eine Niederlage. Wir haben uns das Leben selber schwer gemacht", schimpfte er: "Wenn man führt, muss man den Sack zumachen. Was wir von der 46. bis zur 70. Minute gespielt haben, war fahrlässig. Das ist kein Schritt nach vorne."
Allerdings wussten die Spieler das auch selbst. "In unserer Situation ist das Remis natürlich dramatisch, vor allem wenn man sieht, wie leicht der Sieg möglich gewesen wäre", pflichtete Thomas Müller bei. "Katastrophal, dieses Spiel dürfen wir nie unentschieden spielen", sagte Gomez: "In der ersten Halbzeit haben wir überragend gespielt, am Ende war es zum Kotzen."
Quelle: ntv.de, cwo/sid/dpa