0:5 gegen Manchester "sieht schon scheiße aus" Bayers Störfall
28.11.2013, 10:00 Uhr
So hilflos ... Simon Rolfes, Kapitän von Bayer 04 Leverkusen.
(Foto: imago sportfotodienst)
Fußball-Deutschland schaut vor dem Fernseher zu, wie sich der vermeintliche Bayern-Jäger aus Leverkusen von Manchester United abschlachten lässt. Bayer blamiert sich - und die Bundesliga gleich mit. Der Frust ist riesengroß.
Tore: 0:1 Valencia (22.), 0:2 Spahic (30., Eigentor), 0:3 Evans (66.), 0:4 Smalling (77.), 0:5 Nani (88.)
Leverkusen: Leno - Donati, Toprak, Spahic, Can - Lars Bender (81. Kohr), Reinartz (70. Hegeler), Rolfes - Castro, Kießling, Son (70. Derdiyok)
Manchester: De Gea - Smalling, Ferdinand, Evans, Evra (70. Büttner) - Giggs, Jones - Valencia (80. Young), Kagawa, Nani - Rooney (80. Anderson)
Referee: Moen (Norwegen) Zus.: 29.412 (av)
Schüsse: 12:20 Ecken: 8:5 Ballbes.: 48:52
Die Leverkusener Spezialisten für Öffentlichkeitsarbeit hätten nach dem Spiel gegen Manchester United so gerne weiterhin die Trommel geschlagen, wie sie es schon zuvor getan hatten: "Das ist das Spiel der Spiele für uns", hatte etwa Sportdirektor Rudi Völler geschwärmt. "Es ist etwas Schönes, dass ganz Deutschland zuschaut", hatte Stürmer Stefan Kießling gesagt. Und der neue Bayer-Geschäftsführer Michael Schade hatte im Stadionheft selbstbewusst angekündigt: „"In unserem Stadion muss man uns erst mal bezwingen(…) Wir können auch United schlagen."
Doch nach dem Abpfiff übten sich die Protagonisten dann in Krisenkommunikation. Kießling konnte "nicht viel sagen". Trainer Sami Hyypiä sprach leise von einer "Lehrstunde für uns"; Rudi Völler stellte sich zwar geduldig den Mikrofonen, musste aber einräumen: "Mir fehlen selten die Worte, aber das war ein ganz bitterer Abend."
Graue Maus bestätigt ihr Image
0:5 hat Bayer Leverkusen sein Heimspiel in der Gruppenphase der Champions League gegen Manchester United verloren. Und wenn man die Vorgeschichte dieser Partie betrachtet, ist diese Niederlage in doppelter Hinsicht bitter für die Leverkusener. Würde ein PR-Manager den Klub untersuchen, er käme wohl auf das besorgniserregende Ergebnis: Das Unternehmen Bayer Leverkusen hat ein ausbaufähiges Verhältnis zu seiner wichtigsten Bezugsgruppe - den Fußballfans. Das Stadion ist mit knapp 30.000 Plätzen eines der kleinsten der Liga. Die gefühlte Wahrnehmung in der Liga korrespondiert damit: Um Leverkusens Image zu beschreiben, werden gerne die Attribute Mauerblume, graue Maus oder Biedermeier herangezogen.
Seltsamerweise steht dieses Image konträr zu dem Erfolg, den sich diese Mannschaft derzeit erspielt. Aktuell hat sich der Verein zwischen die beiden vermeintlichen Top-Klubs der Bundesliga auf Tabellenplatz zwei geschoben - doch kaum jemand scheint das wahrzunehmen. Wie das? In der Vereins-Hymne heißt es passend: "Kommt doch mal vorbei, und findet‘s selbst heraus."
Doppelchance versiebt
Als der klangvolle Name Manchester United mit Bayer Leverkusen in einem Atemzug genannt wurde, und sogar das ZDF ankündigte, das Spiel live im freien Fernsehen zu übertragen, sahen die Leverkusener endlich ihre Chance auf der großen Bühne gekommen. Man wollte nicht nur Punkte in der Champions-League-Gruppe sammeln, sondern auch in der Gunst der ganzen Republik.
Doch Bayer verspielte beides. "Das Ergebnis ist vielleicht einen Tacken zu hoch", befand Mittelfeldspieler Stefan Reinartz, "aber es sieht natürlich schon scheiße aus." Bis zur 20. Minute, da waren sich die meisten Akteure einig, habe man ganz gut mithalten können mit dem englischen Großklub. Beide Mannschaften ließen fast nichts zu. Das Spiel plätscherte vor sich hin. "Das war nichts Weltbewegendes, aber es war ok", sagte Reinartz. In jener 20. Minute hatte Bayer auch seine erste große Chance, als Stefan Kießling nach schöner Kombination erst im allerletzten Moment im Strafraum am Schussversuch gestoppt werden konnte. Doch im unmittelbaren Gegenzug fiel das 0:1 durch Valencia nach Flanke von Rooney; Reinartz hatte zuvor im Mittelfeld den Ball an Kagawa verloren.
Als acht Minuten später Bayer-Verteidiger Emir Spahic ins eigene Tor köpfte, wieder nach einer Rooney-Flanke, "da haben wir die Köpfe hängen lassen", wie Emre Can zerknirscht eingestand. Bayer spielte fortan uninspiriert: Die Mannschaft trug das so dringend benötigte Angriffsspiel allzu gemächlich und harmlos auf; die vielen Fehlpässe zeugten von großer Unsicherheit. Manchester hatte dem Gegner schon nach 30 Minuten den Stecker gezogen und kam in der zweiten Halbzeit durch Evans, Smalling und Nani zum Kantersieg. Das ungewohnte Millionenpublikum und der berühmte Gegner hatten offenbar eine lähmende Wirkung auf die Heimmannschaft. Bayers Innenverteidiger Ömer Toprak gestand später frustriert, man habe sich "abschlachten lassen", zudem bemerkte er einen "Klassenunterschied".
Schlechter Fußball = schlechte Presse
Das dürfte insofern zusätzlich für schlechte Stimmung sorgen, weil Bayer Leverkusen an diesem Abend auf großer Bühne die Bundesliga repräsentierte; jene Liga also, von der die meisten Fans und Funktionäre hierzulande angenommen hatten, dass kein Klassenunterschied mehr existiere zum englischen Pendant. Störfälle wie diese öffentlichkeitswirksame Vorführung des Bundesligazweiten durch den Premier-League-Sechsten tragen da wohl eher zur Wiederbelebung der alten Skepsis bei.
Angesprochen auf diese Image-Korrektur nach unten, sagte Kapitän Simon Rolfes: "Wir müssen das Tagesaktuelle sehen. Fußball ist schnelllebig." Dann hatte er noch einen selbstkritischen Merksatz parat: "Schlechter Fußball gibt schlechte Presse." Dem ist nur noch ein anderer, tröstlicherer Merksatz hinzuzufügen, er stammt aus der Krisen-PR: Schlechte Presse ist besser als gar keine.
Quelle: ntv.de