Fußball

100 Mal Joachim Löw Besessen und erfolgreich wie keiner

Erfolg im Sport basiert darauf, nicht nur gut zu sein, sondern besser als die Konkurrenz: Joachim Löw.

Erfolg im Sport basiert darauf, nicht nur gut zu sein, sondern besser als die Konkurrenz: Joachim Löw.

(Foto: AP)

Wenn die deutsche Nationalelf am Abend in Mailand gegen Italien spielt, feiert Joachim Löw ein Jubiläum. Zum einhundertsten Mal steht er als Chef an der Seitenlinie - doch der so Gelobte scheut sich, darum viel Aufhebens zu machen.

Wie sehr sie im Ausland die Arbeit des Bundestrainers schätzen, zeigt ein Interview, das Joachim Löw der englischen Zeitung "The Times" in dieser Woche gegeben hat. Dort ist in der Einleitung von einem "außergewöhnlichen Aufstieg" des deutschen Fußballs "in einer Dekade des Wandels" unter seiner Ägide die Rede. Was sich auf die Nationalelf bezieht, die bei den jüngsten vier Turnieren stets das Halbfinale erreichte. Aber auch auf die Vereine, nicht zuletzt, weil sich in der vergangenen Saison der FC Bayern München und Borussia Dortmund im Finale der Champions League gegenüberstanden.

Besser als alle zuvor

Joachim Löws Bilanz als Bundestrainer liest sich gut. Seit er nach der Weltmeisterschaft in Deutschland am 16. August 2006 beim 3:0 im Freundschaftsspiel gegen Schweden als Nachfolger von Jürgen Klinsmann erstmals die Verantwortung trug, hat die deutsche Fußball-Nationalmannschaft in 99 Partien 68 Mal gewonnen, 16 Mal unentschieden gespielt und 15 Mal verloren. Das sind 2,22 Punkte im Schnitt, mehr holte keiner seiner Vorgänger seit 1908. Bei der Europameisterschaft 2008 in Österreich und der Schweiz erreichte die DFB-Elf das Finale gegen Spanien - und verlor. Die Spanier waren auch bei der WM 2010 in Südafrika die Endstation, dieses Mal im Halbfinale. Im Halbfinale der EM 2012 in Polen und der Ukraine verlor die Nationalelf im Halbfinale gegen Italien.

Joachim Löw, schreibt die "Times", sei der Mann "an de r Spitze eines komplexen Systems", bestehend aus einer vorbildlicher Nachwuchsförderung und Zusammenarbeit zwischen dem DFB und den Klubs der Bundesliga. Der Bundestrainer sei "impulsgebende Kraft und wichtigster Nutznießer zugleich". Wenn die deutsche Nationalmannschaft nun heute in Mailand (ab 20.45 Uhr im Liveticker bei n-tv.de) gegen Italien spielt, feiert besagter Joachim Löw ein Jubiläum. Zum einhundertsten Mal steht er als Chef an der Seitenlinie, bevor am Dienstag der zweite Härtetest in London gegen England ansteht. Doch der so Gelobte scheut sich, darum viel Aufhebens zu machen.

"Ich messe der Zahl 100 jetzt nicht die ganz große Bedeutung zu." Aber dankbar sei er, seinem Trainerteam, den Spielern, und vor allem seinem Arbeitgeber, der ihn stets habe machen lassen. In der Tat ist das einhundertste Spiel seit seinem Amtsantritt nach der Weltmeisterschaft 2006 keine Zäsur, nur weil die Zahl so schön rund ist. Und auch Joachim Löw weiß, dass sich der Wert seiner Arbeit der vergangenen sieben Jahre am Ende daran bemisst, wie die DFB-Elf im kommenden Jahr in Brasilien schlägt. Oder wie es die "Times" formulierte: "Die atemberaubenden Darbietungen zählen nichts, wenn die deutsche Mannschaft bei der WM versagt." Titel oder nicht - das ist hier für viele die Frage.

"Garantien gibt es keine"

Ein Diktat, dem sich der Bundestrainer nicht unterwerfen will. Der Situation aber ist er sich durchaus bewusst. "Ich spüre den Druck jeden Tag." Den Titel versprechen aber kann er nicht, weil Erfolg im Sport darauf basiert, nicht nur gut zu sein, sondern besser als die Konkurrenz. "Wir haben natürlich eine gute Mannschaft und wir mögen zu den Favoriten zählen. Aber ich mag es wirklich nicht, wenn die Leute sagen, Deutschland ist der Topfavorit und Deutschland muss den Titel gewinnen." Es gebe bei der WM nur einen Topfavoriten: Brasilien. "Sie haben ein gutes Team und dort ist eine Menge Energie im Land. Eine Menge Energie. Es steckt eine unglaubliche Kraft in diesem Land. Da können Sie sich vorstellen, was im kommenden Jahr in Brasilien passieren wird." Und so könne er nichts garantieren. Oder genauer: "Es gibt Garantien, was die Entwicklung einer Mannschaft betrifft. Aber keine für den Gewinn von Titeln."

Das mit der Entwicklung hat er gut hinbekommen, die junge DFB-Elf steht ohne Frage für attraktiven, technisch feinen, mitunter begeisternden Fußball. War das Spiel bei der WM 2010 in Südafrika noch auf Konter angelegt, hat der Bundestrainer seine Mannschaft gegen mittlerweile meist defensiv eingestellte Gegner auf Ballbesitzfußball getrimmt. Erfolgreich, wie die Qualifikationsrunde mit neun Siegen und einem Unentschieden gezeigt hat. Wobei Ballbesitz im Löw'schen Sinne nicht heißt, dass die Spieler möglichst lange mit dem Ball am Fuß herumspazieren. Im Gegenteil: Sie sollen ihn so schnell wie möglich zum Kollegen passen. Früher waren es 2,8 Sekunden. "Nun sind wir in guten Spielen unter einer Sekunde."

"Sinnstiftende Quelle einer Volks-Identifikation"

Doch seit die Mannschaft in Juni 2012 bei der Europameisterschaft ihr Halbfinale gegen den heutigen Gegner Italien verloren hat, steht der Bundestrainer bei allem Zuspruch aus dem Ausland unter besonderer, besonders kritischer Beobachtung. "Das muss er in seinem Job aber auch aushalten können", sagte dazu Nationalmannschaftsmanager Oliver Bierhoff vor dem Spiel heute in Mailand. Interessant dabei ist, dass es in Deutschland anscheinend eine Diskrepanz zwischen veröffentlichter und öffentlicher Meinung gibt. Während die Seiten im Internet und die Zeitungen besonders die Anfälligkeit in der Abwehr zum Dauerthema machen, scheinen die Zuschauer und Fans mehr als zufrieden.

Eine Studie des "Instituts for Sports, Business and Society" kommt sogar zu dem Schluss, dass die DFB-Elf in der Gesellschaft einen weitaus höheren Stellenwert als die Politik habe. "In einer Zeit, in der tradierte gesellschaftliche, politische und soziale Institutionen an Bedeutung verlieren, erweist sich die Nationalmannschaft dank hoher Sympathiewerte und ihrer enormen gesellschaftlichen Reichweite als Fels in der Brandung." Fazit: Die Nationalelf sei eine "sinnstiftende Quelle einer Volks-Identifikation". Und Joachim Löw ein Glückfall. Der stehe "wie kein Bundestrainer zuvor für die kontinuierliche Verbesserung und Verstetigung der Leistung auf hohem Niveau." Um das herauszubekommen, hatten die Wissenschaftler 3000 Menschen befragt. Im Auftrag des Deutschen Fußball-Bundes.

Quelle: ntv.de

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