Fußball

"Alles oder nichts" bei der Fifa-Wahl Blatter beschwört die Apokalypse

Anfang Juni wählt der Fußball-Weltverband Fifa einen neuen Präsidenten. Geht es nach Joseph Blatter, wird der neue Boss der alte sein: er selbst. Im Wahlkampf geriert sich der 75-Jährige als Vorzeigedemokrat und siegessicher, warnt aber gleichzeitig vor seiner Abwahl und dem dann unausweichlichen Untergang der Fifa. Schon jetzt kollabiert dank zahlreicher Korruptionsaffären ist der Ruf der Fifa.

Patron der Fifa: Joseph Blatter, seit 1998 Präsident des Fußball-Weltverbandes.

Patron der Fifa: Joseph Blatter, seit 1998 Präsident des Fußball-Weltverbandes.

(Foto: dpa)

Australien fordert angesichts der Bestechungsvorwürfe um die WM-Vergaben 2018 und 2022 dringend Aufklärung. Der englische Fußball-Verband will Fifa-Präsident Joseph Blatter seine Stimme verweigern. Die 20-Millionen-Euro-Spende des Fußball-Weltverbandes an Interpol wirft Fragen auf, vor allem an der Integrität des Fifa-Bosses. Transparency International bescheinigt der Fifa ein Defizit an interner Transparenz. Doch Joseph Blatter ficht das alles nicht an.

Drei Wochen vor der Wahl des Fifa-Präsidenten verkündet der Patron selbstbewusst, er werde den Kampf um seine vierte Amtszeit am 1. Juni gegen Herausforderer Mohamed Bin Hammam gewinnen. Nicht knapp, sondern deutlich, "mit einer klaren Zwei-Drittel-Mehrheit". Das schreibt Blatter im Schweizer Boulevard "Blick".

Der 75-Jährige ist seit Wochen im Dauerwahlkampf, er wirbt mit Visionen und Millionen. Inzwischen ist er überzeugt: "Südamerika, Zentral- und Nordamerika, Europa, Ozeanien und ein wesentlicher Teil von Afrika und Asien werden meine Ideen weiterhin unterstützen."

Aus den einstigen Verbündeten Blatter und Mohamed Bin Hammam sind erbitterte Rivalen geworden.

Aus den einstigen Verbündeten Blatter und Mohamed Bin Hammam sind erbitterte Rivalen geworden.

(Foto: dpa)

Seinen Herausforderer bei der Abstimmung am 1. Juni in Zürich, Mohamed Bin Hammam, kritisierte Blatter scharf - ohne dessen Namen zu nennen. Es gehe um "alles oder nichts" beim Kongress des Fußball-Weltverbandes, formulierte Blatter drastisch und beschwor den drohenden Untergang der Fifa, sollte er von den 208 Mitgliedsverbänden nicht wiedergewählt werden: "Die Wahl vom 1. Juni  kann zu einer tektonischen Plattenverschiebung führen, mit  irreversiblen Schäden. Es geht um den Fortbestand der Fifa  schlechthin. Darum, ob die erfolgreich gewachsene Weltorganisation des Fußballs nach diesem Datum noch weiterbesteht oder in einem schwarzen Loch verschwindet." Für jemanden, der den Sieg schon öffentlich für sich verbucht, klingt das freilich reichlich panisch.

Mit Blick auf die Dezentralisierungsbestrebungen seines Herausforderers aus Katar, der die kontinentalen Dachverbände stärken will, erklärte Blatter: "Der Fußball funktioniert, weil es eine einzige, gemeinsame Spielregel gibt, die auf allen Kontinenten verbindlich ist. Sonst würde jeder sein eigenes Süppchen kochen. Was für jeden Zimmermann gilt, gilt auch für uns: Das Dach hält nur so lange, wie das Fundament steht", betonte Blatter. Das bringe ihm zwar oft den Vorwurf ein, antidemokratisch zu  handeln, aber das sei selbstverständlich falsch.

Vorzeigedemokrat Blatter

Vielmehr geriert sich Blatter als Vorzeigedemokrat: "Ob Deutschland oder Papua-Neuguinea - jeder der 208 Nationalverbände hat eine Stimme, ist gleichberechtigt. Wenn schon, müsste man mir vorwerfen, den demokratischen Gedanken bis ins Extreme ausgedehnt zu haben - nur so kann die Universalität des Fußballs garantiert werden."

Kritiker bezeichnen diese Sichtweise freilich als zynisch und wundern sich, dass die Fifa mehr Mitgliedsverbände hat als die Vereinten Nationen. Allerdings haben sie auch eine schlüssige Erklärung dafür, schließlich lässt sich die Gunst von Zwergverbänden durch Zuwendungen aus dem Fifa-Entwicklungsprogramm – wie sie Blatter zufälligerweise auch für den Fall seiner Wiederwahl in üppigem Umfang ausgelobt hat - leicht gewinnen.

Dubiose Interpol-Spende

Auch gegenüber Interpol erwies sich der Fußball-Weltverband so kurz vor der Präsidentenwahl äußerst spendabel. Im Rahmen eines 10-Jahres-Programms will die Fifa die internationale Polizeiorganisation mit insgesamt 20 Millionen Euro unterstützen, wurde just zu Wochenbeginn bekanntgegeben. Das ist höchste Spende, die Interpol je von einer privaten Institution erhalten hat, was Blatters Image so kurz vor der Wahl sicher nicht abträglich ist.

Blatters Herausforderer Bin Hamman stört nicht nur der Zeitpunkt der Spende, sondern auch das Vorgehen des Fifa-Präsidenten. So monierte der Katari auf seiner Homepage: "Die Entscheidung wurde nicht mit dem Exekutiv-Komitee diskutiert." Bin Hammam wirft Blatter also vor, mit Fifa-Geld Wahlkampf für sich zu betreiben.

Auch Sylvia Schenk, Sportexpertin von Transparency International, kritisierte die Kooperation in der "Süddeutschen Zeitung" als "verdächtig nahe am Wahltermin" und mahnte: "Die Verkündung darf nicht vom gut dokumentierten Defizit an interner Transparenz der Fifa ablenken".

Mangel an innerer Moral

Ebenfalls gut dokumentiert ist der akute Mangel an innerer Moral in der Fifa. Zuletzt waren, der Skandal aus Dezember 2010 ist längst nicht aufgearbeitet sondern nur ausgesessen, in England erneut massive Bestechungsvorwürfe gegen mehrere Exekutivmitglieder laut geworden. Unter anderem soll Katar, das den Zuschlag für die WM 2022 erhielt, zwei afrikanischen Mitgliedern mit jeweils 1,5 Millionen Dollar bei der Wahlentscheidung geholfen haben.

Mohamed Bin Hammam weist jegliche Bestechungsvorwürfe gegen sein Heimatland Katar zurück. Der Wüstenzwergstaat hat die WM trotz der schlechtesten Bewerbung ganz regulär erhalten, beteuert er.

Mohamed Bin Hammam weist jegliche Bestechungsvorwürfe gegen sein Heimatland Katar zurück. Der Wüstenzwergstaat hat die WM trotz der schlechtesten Bewerbung ganz regulär erhalten, beteuert er.

(Foto: dpa)

Bin Hammam und sein Heimatland Katar wiesen die Vorwürfe kategorisch zurück. Australien – ein Unterlegener Mitbewerber um die Endrunde 2022, fordert dennoch Aufklärung. "Die Fifa ist jetzt in der Pflicht, die Untersuchungen in die Hand zu nehmen", sagte AOC-Präsident John Coates. Er hoffe inständig, dass sich der Verband der Sache annehme.

Fifa-Boss Blatter präsentierte nach Bekanntwerden der schweren Anschuldigungen umgehend sein Betroffenheitsgesicht, kündigte eine Untersuchung und forderte dafür Beweise an. Diese sollen aber, zumindest im Fall der beschuldigten Afrikaner, der Fifa schon seit Herbst 2010 vorliegen, erklärte der britische Abgeordnete Damian Collins. Nur passiert ist seitens der Fifa noch nichts.

Der englische Fußballverband FA, der nun weitere Dokumente an die Fifa geschickt hat, will deshalb tun, was Blatter gar nicht gefallen dürfte: selbst ermitteln. "Wir suchen die Wahrheit und nachprüfbare Tatsachen", kündigte der FA-Vorsitzende David Bernstein an. Die Ermittlungen von Fifa und FA sollen in den kommenden Wochen parallel verlaufen. Für die Präsidentenwahl deutete Bernstein an, dass der englische Verband dem siegessicheren Blatter die Gefolgschaft verweigern werde. Herausforderer Bin Hammam wollen die Engländer allerdings auch nicht wählen.

Quelle: ntv.de, cwo/dpa/sid

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