"Tätlichkeit schlimmer als ein Foul " Boateng wehrt sich
19.05.2010, 13:32 UhrNach den schweren Vorwürfen wegen seines brutalen Tritts gegen DFB-Kapitän Michael Ballack sieht sich Kevin-Prince Boateng zu Unrecht öffentlich an den Pranger gestellt. Der 23-Jährige beklagt unter anderem, dass Ballacks unsportliche Provokation vor dem Foul vom DFB nicht thematisiert werde: "Wenn ich das höre, sehe ich, wie mit zweierlei Maß gemessen wird."
Kevin-Prince Boateng beklagt nach seinem fatalen Foul an Michael Ballack, dass er sowohl vom Nationalmannschaftskapitän als auch von Bundestrainer Joachim Löw und dem Deutschen Fußball-Bund (DFB) unreflektiert kritisiert wurde. "Auf einem anderen Zettel als mein Foul steht seine Ohrfeige. Von ihm habe ich nichts dazu gehört. Ich denke, eine Tätlichkeit ist schlimmer als ein Foul aus dem Spiel heraus", sagte Ghanas Fußball-Nationalspieler der "Sport Bild" mit Blick auf eine grobe Unsportlichkeit Ballacks, die dieser vor Boatengs Foul begangen haben soll.
Während des englischen Pokalfinales zwischen dem FC Chelsea und dem FC Portsmouth (1:0) sei er kurz vor seinem folgenschweren Foul mit Ballack aneinandergeraten. "Warum lässt du dich nicht einfach fallen, damit unser Spieler eine Karte bekommt? Warum provozierst du?", zitierte die "Sport Bild" eine Aussage Boatengs während der Partie. Daraufhin hatte Ballack ihm einen "Wischer" mit der Hand verpasst.
"Ich habe ihm dann gesagt, was er sich denn rausnehmen würde, mir ins Gesicht zu langen", erklärte Boateng in der "Sport Bild" weiter. Drei Minuten später traf er im Mittelfeld nicht den Ball, sondern Ballack am Knöchel. Dessen WM-Aus war die Folge. Das Vorrunden-Duell zwischen Deutschland und Ghana am 23. Juni findet wohl mit Boateng, aber ohne den deutschen Star statt. "Dafür kann ich mich nur entschuldigen", betonte der Deutsch-Ghanaer, der im Gegensatz zu Ballacks Aussage beteuerte, sich schon auf dem Platz "zweimal" für das Foul beim Deutschen entschuldigt zu haben. "Das stimmt nicht", hatte Ballack dazu erklärt. Ballacks Berater Michael Becker nannte Boatengs vermeintliche Entschuldigung auf dem Platz eine "reine Schutzbehauptung eines uneinsichtigen Gewalttäters, der schon des Öfteren in dieser Richtung auffällig geworden ist." Laut Becker behalte man sich rechtliche Schritte gegen Boateng vor.
Kritik am DFB
Boateng erklärte derweil in der "Sport Bild", er habe zu Ballack "noch nie" ein Verhältnis gehabt. Gleichzeitig kritisierte er auch den DFB. "Hätte ich beim DFB so etwas gemacht wie Ballack, wäre ich fristlos geflogen. Bei ihm wird noch nicht einmal darüber geredet. Unfassbar, wie da beurteilt wird", meinte Boateng weiter. Dem DFB warf er vor, von ihm im Gegensatz zu seinem für Deutschland spielenden Bruder Jerome ein Bild des Rüpels zu zeichnen, obwohl auch er in allen Jugend-Nationalteams gespielt habe. "Da tun einige Funktionäre in Deutschland leider ihr Übriges hinzu, wenn sie behaupten, Jerome sei der nette Bruder und ich der böse. Das ist ein Witz! Auch deswegen bin ich nach Ghana gewechselt. Dieses Klischee-Denken halte ich für überholt", sagte Boateng. Er war nach seiner Nichtberücksichtigung für die U21-EM im Vorjahr, bei der Deutschland ohne ihn den Titel geholt hatte, für einen Wechsel in das Heimatland seines Vaters entschieden.

Michael Ballack bleibt bis Sonntag auf Sizilien, wo Bundestrainer Joachim Löw mit einem dezimierten Kader die WM-Vorbereitung aufgenommen hat.
(Foto: dpa)
Dass Bundestrainer Joachim Löw für das Boateng-Foul an Ballack die Rote Karte gefordert habe, erregt den 23-Jährigen ebenfalls mächtig. "Wenn ich das höre, sehe ich, wie mit zweierlei Maß gemessen wird", monierte Boateng. "Sein Kapitän darf jemanden ohrfeigen? Das war eine klare Tätlichkeit. Mich wundert so ein Verhalten eines DFB-Kapitäns. Hätte ich so etwas gemacht, wäre ich auf Jahre verbannt worden." Gleichzeitig bestritt er, dass sein Foul eine Revanche für Ballacks Ohrfeige gewesen sei: "Bei 80.000 Fans denkt man nicht an Rache. Ich komme einfach zu spät und treffe ihn voll. Es sah dumm aus."
Wie Boateng selbst hat sich auch Ghanas Fußball-Verbands-Chef Kwesi Nyantakyi für das grobe Foul seines Nationalspielers entschuldigt. Ghanas Teammanager Anthony Baffoe sagte dem "Kölner Express" im Namen des Verbands-Präsidenten: "Es tut uns sehr leid, dass Michael Ballack an der WM nicht teilnehmen kann. Er hat in Ghana einen großen Namen. Wir wünschen ihm alles Gute und hoffen, dass er baldmöglichst wieder spielen kann."
Quelle: ntv.de, cwo/dpa/sid