Debatte nach "Scheiß-Leistung" Borussia Dortmund fliegt eigenes Versprechen um die Ohren
12.05.2024, 07:33 Uhr
Borussia Dortmund schickt beim FSV Mainz 05 eine B-Elf ins Rennen, spielt fürchterlich schlecht und kassiert eine derbe Pleite. Die Gastgeber sichern sich dadurch drei womöglich maximal wichtige Punkte im Abstiegskampf. BVB-Coach Edin Terzic verteidigt sich.
Auf die große Nacht von Paris folgt der fürchterliche Abend in Mainz. In der französischen Hauptstadt feiert Borussia Dortmund am Dienstag den Einzug ins Finale der Champions League - und (völlig zurecht) vor allem sich selbst. Am Samstag dann geht die B-Elf des Bundesligisten sang- und klanglos beim Abstiegskandidaten FSV Mainz 05 unter. Größer könnten die Gegensätze nicht sein. Man kennt das in dieser Saison vom BVB. Aber dennoch ist die Pleite in der MEWA-Arena eine, die mehr Aufmerksamkeit bekommt als andere zuvor.
Denn durch das peinliche 0:3 der Schwarzgelben bekommt der Abstiegskampf eine neue Dynamik. Bereits nach 23 Minuten waren alle Hoffnungen der Mainzer Konkurrenten 1. FC Köln, Union Berlin und VfL Bochum auf Schützenhilfe des BVB dahin. Bereits nach 23 Minuten führten die 05er mit 3:0. Der BVB bekam kein Bein auf den Boden, keinen Körper in einen Zweikampf. Alles wirkte erschreckend leidenschafts- und teilnahmslos. Dabei hatten die Dortmunder doch zuvor versprochen, dass alles ganz anders kommen soll.
BVB-Spieler machen große Ansagen
Im Rausch der Partynacht von Paris gab etwa Nico Schlotterbeck seinem Bruder Keven, Innenverteidiger beim VfL Bochum, ein großes Versprechen: "Hat jemand Wembley gesagt!!!", schrieb Nico Schlotterbeck nach der Sensation gegen PSG bei Instagram und fügte an: "PS: keine Sorge an die Bochumer am Samstag geben wir 110 Prozent!" Auch Edin Terzić hat zum Klub aus der Nachbarschaft ein paar "freundschaftliche Verbindungen", er hat in Bochum studiert. "Einige, die mit mir auf der Uni-Bank saßen, arbeiten nun für den VfL", sagte der Trainer vor dem Spiel. "Wir machen unseren Job, die anderen da unten sollen das unter sich klären."
Mats Hummels, der in Mainz nicht dabei war, hatte sich nach dem PSG-Triumph bei Amazon Prime ähnlich klar geäußert: "Zumindest am Samstag sind wir es allen Mannschaften schuldig, dass wir mit 100 Prozent agieren." Als der derzeit alles überragende Innenverteidiger nach einem Revanche-Gedanken gegenüber den Mainzern, wegen der vergeigten Meisterschaft im vergangenen Sommer gefragt worden war, antwortete er: "Die haben einfach sportlich fair gekämpft und wir haben es nicht geschafft. Aber das Gleiche dürfen sie dann zumindest auch von uns erwarten."
"Da kannst du einfach nicht verlieren"
Von 110 Prozent war nichts zu sehen. Auch nichts von der angekündigten Seriosität beim Job erledigen. Klar, für den BVB geht es in der Liga um nichts mehr. Die Qualifikation für die Champions League, das Minimalziel im Brot-und-Butter-Wettbewerb, ist erreicht. Voller Fokus auf Wembley, auf das Königsklassen-Finale. Und bloß keine blöde Verletzung eines Leistungsträgers in einem Spiel, in dem die Dortmunder nichts für sich selbst mehr gewinnen können. Anders bei den Mainzern, die hatten sich zuletzt wieder in eine schlechtere Ausgangsposition gebracht und brauchten diesen Dreier unbedingt. Mit großem Mut und in großer Atmosphäre gelang das. "Wir haben es schon beim Aufwärmen gespürt, diese Energie im Stadion - da kannst du einfach nicht verlieren", sagte Mittelfeldspieler Nadiem Amiri später. Jonathan Burkardt verspürte einfach nur "pure Freude".
Diese Gefühlslage teilen die Anhänger der großen Rivalen im Abstiegskampf nicht. In den sozialen Netzwerken und den verschiedenen Fan-Foren gibt es reichlich Wut auf die Leistung des BVB. Nicht selten fällt das Wort Wettbewerbsverzerrung. Mit dem Sieg der Mainzer hat sich die Ausgangslage des 1. FC Köln und von Union Berlin extrem verschlechtert. Köln (27 Punkte) kann am 34. Spieltag nun nur noch die Köpenicker (30) abfangen. Union kann seinerseits die Relegation nur noch verhindern, wenn die Konkurrenz am 34. Spieltag patzt.
Und der VfL Bochum wäre vor dem Duell gegen Bayer Leverkusen (19.30 Uhr bei DAZN und im Liveticker bei ntv.de) bei einem Sieg der Borussen sicher gerettet gewesen. So steht nun am Abend die undankbarste Aufgabe im europäischen Fußball an. Kaum vorstellbar, dass die Bochumer die Giganten-Serie von Bayer brechen und das 50. Spiel ohne Niederlage verhindern. Aber: Die letzte Pflichtspielpleite holte sich die Mannschaft von Xabi Alonso am 34. Spieltag der vergangenen Saison "anne Castroper" ab.
"Das war eine Scheiß-Leistung von uns"
BVB-Coach Terzić möchte sich nicht für eine Wettbewerbsverzerrung verantwortlich machen lassen, trotz seiner Riesen-Rotation, die zehn neue Spieler in die Startaufstellung gespült hatte. "Ich kann verstehen, dass jemand enttäuscht ist. Wir sind aber nicht verantwortlich für die Situation, in der sich die Vereine befinden. Wir sind sehr unzufrieden mit unserer Position in der Bundesliga. Das ist das, was uns sauer macht. Wir haben einen anderen Anspruch an unsere Leistung." An der Besetzung der Startelf, so der Trainer, habe es aber nicht gelegen, denn eine vergleichbar umgebaute Elf habe vor einer Woche mit 5:1 gegen den FC Augsburg gewonnen. "Wir wollten wieder Frische reinbringen, wir wollten Chancen verteilen - und das hat heute alles nicht funktioniert. Natürlich nehme ich mich da mit in die Verantwortung. Deshalb bin ich auch nicht zufrieden mit mir heute."
Wieder einmal hatte der BVB einen Nachweis gebracht, warum diese Saison so seltsam ist. Leidenschaftlich und brillant in Europa. Schläfrig, manchmal gar teilnahmslos, in der Bundesliga. "Wir müssen uns wieder die blöden Fragen gefallen lassen. Wir haben bewiesen, dass wir richtig reifen Fußball zeigen können. Wir haben leider nicht bewiesen, es konstant zu zeigen. Das ärgert mich massiv", sagte der BVB-Coach. Sky-Experte Lothar Matthäus ging mit den Dortmundern hart ins Gericht. "Eine glatte Sechs" hätten die Borussen in der ersten Hälfte verdient, sagte er, "ohne dass ich da jemanden beleidigen möchte". Es seien zu viele Spieler dabei gewesen, "die nicht anwesend waren, nicht die richtige Einstellung gezeigt haben", meinte Matthäus.
Der in diesem Sommer scheidende Ex-Kapitän Marco Reus sagte, er habe jedes Verständnis, wenn jetzt Kritik von den Mainzer Abstiegskonkurrenten aufkommen würde. "Wir erwarten von uns einfach auch mehr", sagte Reus. Salih Öczan, der einst für den 1. FC Köln spielte, sagte: "Keiner hat heute die Chance genutzt. Wir haben ganz klar gesagt, dass wir die drei Wochen nutzen wollten. Das ist eine Niederlage, die den Kölnern wahrscheinlich sehr weh tut. Aber beeinflussen tun wir auf keinen Fall etwas. Das war eine Scheiß-Leistung von uns."
Quelle: ntv.de, tno