Seit 16 Jahren kein Sieg gegen Italien DFB-Elf fahrlässig, Löw zufrieden
10.02.2011, 15:33 Uhr
Der Hauptgrund für das Remis: Italiens Guiseppe Rossi bezwingt Manuel Neuer beim Nachschuss.
(Foto: dpa)
Warum kann Deutschland gegen Italien nicht gewinnen? Die Frage treibt viele um, aber Bundestrainer Joachim Löw lässt sich nach dem Remis nicht aus der Ruhe bringen. Vermeintlich fahrlässig hat das DFB-Team den erhofften Sieg vergeben. Zu einer Mannschaft gehören eben mehr als die ersten Elf.
Am Ende stellte sich nur eine Frage: Warum haben die deutschen Fußballer ihr Testspiel gegen Italien eigentlich nicht gewonnen? Die einfachste Antwort darauf lautet: Weil Guiseppe Rossi neun Minuten vor dem Ende der Partie den Ausgleich erzielte, als späte Antwort auf das Tor von Miroslav Klose. Der hatte 16 Minuten nach Anpfiff sowie genialem Zusammenspiel von Mesut Özil und Thomas Müller die DFB-Elf in Führung. Und weil die Italiener viel besser und offensiver spielten als angekündigt. Zudem verweigerte ihnen der niederländische Schiedsrichter Eric Braamhaar mindestens einen berechtigten Elfmeter. Also: Das Unentschieden ging in Ordnung.
Trotz der objektiven Gerechtigkeit hinterließ dieses durchaus ansehnliche 1:1 nicht nur bei den exakt 60.196 Zuschauern im Dortmunder Westfalenstadion gemischte Gefühle. Weil die deutsche Mannschaft zwar der ersten halben Stunde zwei Klassen besser als spielte als der Gegner und dabei Erinnerungen an die grandiosen Auftritte bei der Weltmeisterschaft in Südafrika weckte. Danach aber nicht mehr so schnell und schön kombinierte – und so die Chance verpasste, im fünften Versuch seit 1995 die Italiener mal wieder zu besiegen. Fahrlässig, wie es schien. Doch Joachim Löw machte nach der Partie einen durchaus zufriedenen Eindruck. Er hatte "ein unterhaltsames Testspiel von beiden Seiten" gesehen. Eine Einschätzung, die er nicht exklusiv hat. Die Betonung lag dabei auf Testspiel. Denn der Bundestrainer machte das, wofür diese Spiele extra erfunden wurden: Er probierte aus, was geht.
Schaulaufen nach der Pause
Und was ging? In der ersten Halbzeit, wie erwähnt, recht viel. Mit elf Spielern, die auch bei der WM im Einsatz waren und ohne die fünf geladenen Dortmunder Spieler zeigte die Mannschaft über weite Strecken das, was die Zuschauer und der Bundestrainer sehen wollten. Der bemängelte zwar, dass "die gesamte Defensive enorme Schwierigkeiten" hatte, war aber sehr zufrieden, wie sein Team das Spiel dominierte. Statt den knappen Vorsprung gegen die gerne als Angstgegner bezeichneten Italiener zu sichern, begann nach der Pause jedoch das große Schaulaufen. Löw wechselte nacheinander drei junge Dortmunder für zwei junge und einen älteren Spieler des FC Bayern München ein: Mario Götze für Thomas Müller (46. Minute), Mats Hummels für Holger Badstuber (64.) und Kevin Großkreutz für Klose (75.), dazu noch Jerome Boateng für den Kapitän Philipp Lahm (64.), ebenfalls aus München. Und der Bundestrainer sah, was alles nicht geht. Oder zumindest noch nicht so gut.
"Wir konnten das Tempo nicht hochhalten", lautete eine Erkenntnis Löws. "Anstatt mit vier oder fünf sind wir meist nur mit drei oder vier Mann nach vorne gegangen", eine andere. Und: "Die Automatismen müssen wieder besser werden in diesem Jahr." Aber es war eben ein Testspiel. "Wenn man in einem Qualifikationsspiel 1:0 führt, nimmt man möglichst wenige Korrekturen vor. Aber ich wollte den einen oder anderen einfach sehen." Nun hat er die Bestätigung, dass er eine Stammelf hat – und sich auf sie verlassen kann. Das hatte auch der äußerst höfliche Trainer der Squadra Azzurra, Cesare Prandelli erkannt: "Noch sind wir zwar nicht auf einer Höhe mit der deutschen Elf, aber wir konnten den Abstand verringern", sagte er. Die einzige echte Baustelle der DFB-Elf bleibt die Position des linken Verteidigers, auf der Dennis Aogo vom Hamburger SV seine Chance bekam, sie aber nicht nutzte. Stattdessen bewies er, dass er alles andere als ein Flankengott ist.
Mesut Özils geniale Momente
Zwei Spieler hingegen haben sich seit der Weltmeisterschaft sogar noch einmal verbessert. So mutiert Schalkes Manuel Neuer immer mehr zum neuen Torwart-Titanen auf Weltklasseniveau. "Sein Selbstbewusstsein wird immer größer", beobachtete der Bundestrainer. Im Mittelfeld zeigte Mesut Özil zumindest phasenweise, warum sie ihn bei Real Madrid in Spanien als neuen Zinedine Zidane feiern. Löw hatte für den jungen Mann ein Sonderlob parat: "Ich glaube, dass sich sein Spiel seit der WM insgesamt sehr verändert hat. Sein Spiel ohne Ball ist viel besser geworden. Das macht Mesut so stark. Wie er das Tor eingeleitet hat, wie er die zweite Chance von Klose eingeleitet hat - das waren schon geniale Momente."
Besonders komfortabel wird die Situation des Bundestrainers aber erst dadurch, dass auf den meisten Positionen durchaus ernsthafte Alternativen in Sicht sind. Auch wenn zum Beispiel das Spiel weitgehend ohne den schon als Supersondertalent bezeichneten, 18 Jahre alten Mario Götze stattfand. Der durfte 45 Minuten lang erleben, dass selbst ihm nicht alles zufällt. Noch ist es nicht so weit, dass die ohnehin jungen Nationalspieler von jüngeren Talenten verdrängt werden. Die befinden sich derzeit in der Warteschleife. Aber schließlich hatte sich Löw schon vor der Partie festgelegt, dass Götze, Mats Hummels, Kevin Großkreutz und die nicht eingesetzten BVB-Kollegen Sven Bender und Marcel Schmelzer "auch in Zukunft und in anderen Stadien eine Rolle spielen" werden. Daran ändert ein Testspiel auch nichts.
Quelle: ntv.de