Fußball

Der FC Bayern in der Krise Darum passt es mit Niko Kovac nicht mehr

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(Foto: imago images/MIS)

"Man muss sauber Fußball spielen. Das hat nichts mit Taktik zu tun, sondern mit der richtigen Einstellung", sagte Bayern-Trainer Niko Kovac nach der enttäuschenden Leistung seiner Mannschaft im DFB-Pokal beim VfL Bochum (2:1). Für ihn ist alles ganz einfach: Die Spieler müssen nur das auf den Platz bringen, was der Trainer ihnen sagt. Doch wenn wirklich alles so simpel ist, warum funktioniert es dann nicht? Miasanrot-Autor Justin Kraft nennt fünf Ursachen für die Krise.

1. Kovac macht es sich zu einfach

Die offensichtliche Antwort auf die Frage, warum es beim FC Bayern derzeit nicht rund läuft, ist: Der Trainer macht es sich zu einfach. Er wählt den bequemen Weg, wenn er die Verantwortung einzig und allein auf die Spieler schiebt und lässt dabei jenen Respekt vermissen, den er für sich und seine Trainerkollegen immer einfordert. Individuelle Fehler, fehlende Spielertypen für ein hohes Pressing, fehlende Einstellung und selbst die Temperaturen waren zuletzt verantwortlich für schwache Leistungen. Sich selbst sah Kovac in dieser Saison lediglich einmal kritisch: Als er sich für seine Not-am-Mann-Aussage über Thomas Müller öffentlich entschuldigte. Ansonsten ist der 48-Jährige stets darum bemüht, die Verantwortung von sich wegzuschieben.

2. Kovac droht die Kabine zu verlieren

Gerade den Spielern entgehen solche Aussagen natürlich nicht. Am Dienstag sagte Kovac etwa, dass man bei Bochum sehen könne, wie es aussieht, wenn eine Mannschaft den Anweisungen des Trainers folgt. Eine weitere Spitze gegen das eigene Team? Spieler wie Manuel Neuer oder Joshua Kimmich zeigen auch öffentlich immer häufiger ihre Unzufriedenheit - noch ohne direkte Kritik am Trainer. Innerhalb der Mannschaft soll Kovac viel Kredit für seine Vorbereitung auf das Rückspiel gegen Borussia Dortmund in der vergangenen Saison erhalten haben. Mittlerweile dürften die Zweifel aber auch intern wieder größer werden. Wie der "kicker" unter Berufung auf innerste Kreise der Mannschaft aktuell berichtet, "trennt eine Kluft" einige Spieler und den Trainer.

3. Kovac hat ein Taktik-Problem

Wirklich tief blicken lässt allerdings seine Taktik-Aussage. Kovac sieht die Einstellung als Ursache für viele Fehlpässe. Doch könnte es nicht auch sein, dass die Spieler aufgrund ihrer schlechten Positionierungen zu wenig Optionen mit dem Ball haben und deshalb schneller unter Druck stehen? Die Abstände zwischen den Mannschaftsteilen sind mitunter riesig. Zwischenzeitlich spielten die Bayern gegen Bochum in einer 5-0-5-Formation. Kovac predigt immer wieder Dominanz, kann (und will) aber das dafür notwendige taktische Gerüst nicht bereitstellen.

Die Geringschätzung von taktischen Abläufen zieht sich durch seine gesamte Trainerlaufbahn. "Herz ist wichtiger als Taktik", ließ er einst als kroatischer Nationaltrainer verlauten. Einstellung ist wichtig. Wenn die Spieler aber nicht wissen, wie sie sich auf dem Platz zu positionieren haben, dann laufen sie zwar viel, aber eben auch viel in die falschen Räume. Im taktischen Bereich fehlt die Balance. Unter Kovac gab es bisher nur zwei Extreme: Entweder die wilde Offensive mit fehlender Konterabsicherung und zwei extrem hohen Achtern im Mittelfeld, oder die vermeintlich defensiv stabilere Variante mit einer Doppelsechs und wenig Durchschlagskraft nach vorn. Die Bayern waren einst so stark, weil sie in den wichtigsten Spielphasen das ganze Feld kontrollieren konnten. Das gelingt ihnen aktuell nicht mal für zehn Minuten in einer einzelnen Spielfeldzone. Und deshalb ist es auch egal, wer in welcher Formation auf dem Platz steht. Das nicht existente Positionsspiel ist die Ursache fast aller Probleme.

4. Kovac denkt zu defensiv

Dass die Abläufe in Ballbesitz nicht mehr so durchgeplant sind, könnte aber auch daran liegen, dass Kovac das Spiel vor allem defensiv denkt. Trotzdem sind die Bayern hinten so anfällig wie lange nicht mehr. Der Grund: Die Denkweise des Trainers passt nicht an die Säbener Straße. Auf die Frage, warum die Abstände im Mittelfeld immer so groß wären, antwortete Kovac am Dienstag, dass er das nicht so sehe. Er finde lediglich, dass seine Mannschaft zu passiv verteidige. Eigentlich zielte die Frage auf die Abstände der drei Mittelfeldspieler in Ballbesitz ab. Zugegebenermaßen kann man sie auch so interpretieren, wie Kovac es eben tat. Allerdings zeigt es einmal mehr, wie sehr er auf die Verteidigungsarbeit seiner Spieler fokussiert ist und dabei vergisst, dass viele Gegentore ihren Ursprung viel früher haben: im mangelhaften Spiel mit dem Ball.

5. Kovac ist ein guter Trainer, aber am falschen Ort

Trotzdem kann man Kovac nicht vorwerfen, dass er es nicht versuchen würde. Formation und Besetzung veränderte er in den letzten Wochen mehrfach. Dass sich am gezeigten Fußball nichts verändert hat, spricht allerdings erst recht dafür, dass er es nicht schafft, den Spielern von außen zu helfen. Bei Eintracht Frankfurt hat er bewiesen, dass seine Vorstellung von Fußball erfolgreich sein kann. Gerade in den Defensivabläufen war die SGE damals taktisch sehr flexibel. Der FC Bayern ist aber kein Klub, bei dem er seine "Defense-First-Mentalität" authentisch verkaufen kann. In München scheitert er aktuell daran, gemeinsam mit der Mannschaft Lösungen zu entwickeln, um einerseits wirklich dominant zu sein (ein wesentlicher Unterschied zu viel Ballbesitz) und andererseits im Angriffsdrittel wenig Raum für viele Chancen und ein gutes Gegenpressing zu nutzen.

"Geht’s raus und spielt’s Fußball" mag in den Neunzigern mal funktioniert haben. Fußball ist allerdings komplexer geworden. Und solange ein Trainer auf der Bayern-Bank sitzt, der denkt, dass all die Fehler mit Taktik nichts zu tun haben, wird es für die Mannschaft schwer, ihr ganzes Potenzial zu entfalten. Kovac ist ganz sicher nicht der Sündenbock für alles, aber wie man es auch dreht und wendet: Es läuft immer auf dasselbe hinaus. Ob nun die Mannschaft, das Wetter oder womöglich doch er selbst dafür verantwortlich ist, wird irgendwann keine Rolle mehr spielen. Denn es bleibt die Erkenntnis, dass sein Fußball mit den Bayern nicht funktioniert.

Quelle: ntv.de

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