Fußball

"Kacktor" und müder Götze Das Glück küsst den schwachen BVB

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"Kacktor des Monats": Christian Pulisic.

(Foto: imago/Belga)

Trotz mauer Vorstellung gewinnt Borussia Dortmund zum Auftakt in der Champions League beim FC Brügge. Lucien Favre weiß, wie weit sein Team noch von dem Niveau entfernt ist, das sich der Perfektionist von seinem Luxus-Kader erhofft.

Wer am Sonntagabend den Tatort geschaut hat und vom Wochenende immer noch nicht müde ist, der gerät bisweilen in die Sendung "Zeiglers Wunderbare Welt des Fußballs". Dort gibt es das "Kacktor des Monats" zu bestaunen, einen Treffer, der so glücklich und so stümperhaft zustande kam, dass es kaum zu erklären ist. Ein heißer Kandidat für den September dürfte nach Lage der Dinge Christian Pulisic sein, dessen unglaublicher Treffer seinem Arbeitgeber Borussia Dortmund einen unerwarteten Auftaktsieg in der Champions League bescherte.

Man mag dem Amerikaner ja nicht zu nahe treten, zumal er seinen Treffer nicht in der Kreisliga C erzielte, vielmehr könnte der zig Millionen Euro wert sein. Aber mehr Dusel ist kaum vorstellbar: Christian Pulisic erlebte dieses Gefühl, dass sich für einen alles Glück der Welt an dem Tag versammelt, als der Mann aus Hershey in Pennsylvania seinen 20. Geburtstag beging: Der bekannteste Fußballer, den die USA zu bieten hat, wurde in der Schlussphase eines Spiels eingewechselt, in dem nicht viel zusammenlief.

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Schwache Vorstellung: Mario Götze.

(Foto: imago/Kirchner-Media)

Das Gastspiel vor 25.181 Zuschauern im Jan-Breydel-Stadion beim FC Brügge dümpelte so vor sich hin, beide Kontrahenten schienen sich mit einer faden Nullnummer abgefunden zu haben, als der gegnerische Manndecker Matej Mitrovic den Ball bei einem Abwehrversuch so vor den Fuß von Pulisic schoss, dass er sich anschließend in einer hohen Bogenlampe ins Tor senkte. Der Stürmer hatte das Spiel entschieden, ohne dass er etwas dafür konnte. Happy Birthday, Christian - das nennt man wohl Fortune. Als Pulisic eine knappe Stunde später die Mixed Zone betrat, strahlte er noch immer über sein jugendliches Gesicht: "I’m a lucky man."

Statistiken sind trügerisch

Na klar, so sieht ein glücklicher Mann aus. Solch hochfliegende Gefühle hatten aber nicht alle Dortmunder. Dabei gab es doch so viele Gründe, rundum zufrieden zu sein. Acht Spiele in Folge hatte der BVB in der Königsklasse nicht mehr gewonnen, in der peinlichen vergangenen Session hatte es gerade mal zwei mickrige Unentschieden gegen den Fußballzwerg aus Nikosia gegeben. Darüber hinaus feierte Trainer Lucien Favre in der lauen Nacht von Brügge eine ganz persönliche Premiere: Nie zuvor war ihm mit einer seiner Mannschaften ein Erfolgserlebnis in der Champions League geglückt. Dieser Makel ist nun getilgt.

Doch im Gegensatz zu Pulisic wollte sich das Hochgefühl bei Favre nicht einstellen. Der 60-Jährige ist ein Mann, der die Dinge sorgfältig reflektiert und einordnet. Von daher war dem Schweizer mehr als deutlich bewusst, wie fehlerbehaftet der Auftritt seines Teams war, und wie viel Glück nötig war, um drei Punkte einzufahren, die sich noch als äußerst wertvoll herausstellen könnten beim Bestreben, die Gruppenphase zu überstehen und im europäischen Geldvermehrungs-Wettbewerb zu überwintern. Dabei hätte der Perfektionist sich leicht vom Zahlenwerk überzeugen lassen können: 65 Prozent Ballbesitz, die Mehrzahl der Schüsse auf das gegnerische Tor, die überwiegende Zahl an Zweikämpfen gewonnen. Doch solche Statistiken sind trügerisch, wenn die vorgetragenen Aktionen weder von Tempo noch von Überzeugung getragen werden.

"Okay, aber nicht brillant"

Typisch für den durchweg müden Vortrag des BVB war das Auftreten von Mario Götze. Der Siegtorschütze des WM-Finals von 2014 durfte erstmals seit dem glücklichen Pokalsieg beim Zweitligisten in Fürth wieder sein Können beweisen, wobei die einstündige Leistungsshow darlegte, wie meilenweit das einstige Wunderkind von der Verfassung entfernt ist, mit der man der Welt zeigen kann, dass man besser ist als Messi. Favre mochte weder die Leistung Götzes noch des zurückgekehrten Julian Weigl kommentieren, was Kommentar genug war.

Überhaupt gab es viele Möglichkeiten, den Finger in die Wunde zu legen: Die 90 Minuten seien "okay, aber nicht brillant", analysierte Favre: "Zu wenig Bewegung, zu wenig richtige Laufwege, nicht genügend Chancen." Von dem, was sich der Perfektionist von seinem mit vielen Hochkarätern besetzten Ensemble erträumt, ist das sehr viel weiter weg als die große Koalition von einer harmonischen Zusammenarbeit.

Favre ist sich in dieser Hinsicht ziemlich klar, selbst wenn die Ergebnisse mit vier Siegen und einem Unentschieden in bisher fünf Pflichtspielen einen besseren Ist-Zustand suggerieren: "Wir haben gesehen, wie viel Mühe wir haben, den Gegner zu destabilisieren. Wir müssen bei unseren Aktionen mehr Risiko nehmen, nicht nur Pässe, Pässe, Pässe." Favre ist sich sicher, dass enervierend langweiliger Ballbesitzfußball ohne Überraschungsmoment nicht zum Ziel führt: "Wir kreieren zu wenig Torchancen."

Von dem, was sich Favre von seinem üppig besetzten Kader erhofft, ist die Borussia trotz der guten Ergebnisse ein gutes Stück entfernt. Favre weiß das genau, mahnte jedoch in Brügge einmal mehr Geduld an: "Wir haben sehr gute Spieler, aber wir haben so viele junge Leute, die sind 19 oder 20. Die brauchen Zeit."

Quelle: ntv.de

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