Gegen Zenit "nur zu verteidigen, wäre blöd" Den BVB plagt das Bayern-Problem
19.03.2014, 13:24 Uhr
"Unser Plan ist es, daraus ein ganz normales Fußballspiel zu machen": Jürgen Klopp.
(Foto: imago/Thomas Bielefeld)
Selbst professionelle Pessimisten dürften kaum daran zweifeln, dass Borussia Dormund es ins Viertelfinale der Königsklasse schafft. Auch ohne Marco Reus sollte es gegen St. Petersburg reichen. Trotzdem hat Trainer Jürgen Klopp einen Plan.
Borussia Dortmund: Weidenfeller - Piszczek, Sokratis, Hummels, Schmelzer - Kehl, Sahin - Aubameyang, Mchitarjan, Großkreutz - Lewandowski
Zenit St. Petersburg: Lodygin - Anjukow, Hubocan, Criscito, Lombaerts - Witsel, Syrjanow - Hulk, Fajsulin, Schatow - Rondon
Schiedsrichter: Alberto Undiano Mallenco (Spanien)
Borussia Dortmund hat einen neuen Mannschaftsbus, das war am Tag vor dem Champions-League-Gastspiel von Zenit St. Petersburg die aufregendste BVB-Schlagzeile. Die Vorstellung des 480-PS-starken Gefährts mit Wlan an Bord toppte selbst die Verpflichtung von Andre Villas-Boas als neuen Trainer des russischen Fußballklubs. Zu Recht: Da der Portugiese sein Amt erst am Donnerstag antritt, ist die Annahme nicht verwegen, dass der neue BVB-Bus in dieser Champions-League-Saison noch eine größere Rolle spielen wird als der einst als "Mini-Mou" gefeierte Portugiese.
Nach Dortmunds 4:2 im Hinspiel in Russland plagt die Borussen das Bayern-Problem: Selbst professionelle Pessimisten haben Mühe, vor dem Achtelfinal-Rückspiel heute (ab 20.15 Uhr im ZDF und im Liveticker auf n-tv.de) mehr als ein Spannungsbögchen zu konstruieren. Da konnte BVB-Trainer Jürgen Klopp noch so nüchtern zu Protokoll geben, dass sich sein Team lediglich eine "gute Basis für das Rückspiel" geschaffen habe, "nicht mehr und nicht weniger". Da konnte Dortmunds Abwehrchef Mats Hummels rhetorisch versiert die Worte "höllisch" und "aufpassen" im selben Satz verwenden und BVB-Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke mahnend betonen: "Das wird ausdrücklich kein Spaziergang. Das wird harte Arbeit, die jeden einzelnen Spieler und Fan zu 100 Prozent fordert."
So professionell und angemessen die Dortmunder Vorsicht ist : Favorit bleibt der BVB. Mehr noch: Der Achtelfinal-K.o. gegen die kriselnden Russen wäre kein peinlicher Ausrutscher wie das 0:3 beim scheintoten Hamburger SV, sondern eine schwere Blamage - sportlich und statistisch. Rein mathematisch verhält es sich zwar so, wie Nachwuchsmann Jonas Hofmann in Erinnerung an die fünf furiosen Auftaktminuten im Hinspiel vorrechnet: "Sie müssen nur ein 3:0 holen. Klingt vielleicht verrückt. Aber wir lagen auch aus dem Nichts bei St. Petersburg mit 2:0 vorne." Tatsächlich bräuchte Zenit im Abschiedsspiel von Interimstrainer Sergej Semak eines jener raren Fußballwunder "gegen eine der stärksten Mannschaften der Welt". Nach dem Erreichen der K.o.-Runde mit dem Minusrekord von nur sechs Punkten wäre das in dieser Champions-League-Saison dann allerdings schon das zweite. Hinzu kommt: Die BVB-Chronik weist vor dem 199. Europapokalspiel der Dortmunder nur eine Heimniederlage in jener Höhe aus, die Zenit weiterbringen würde. 1964/65 unterlag der BVB im Messepokal gegen Manchester United einmal mit 1:6, danach zu Hause nie mehr höher als 1:3.
Reus bleibt in der Garage
Bei Zenit hat man die Hoffnung aufs Weiterkommen deshalb in den Konjunktiv gekleidet statt in Kampfansagen. "Wir haben eine geringe Chance, wenn Dortmund es uns in den ersten sechs Minuten ähnlich leicht machen würde, wie wir es vor drei Wochen getan haben", orakelte der deutsche Sportdirektor Dietmar Beiersdorfer, der in den vergangenen Tagen noch rasch einen neuen Trainer beschaffen musste. Der Italiener Luciano Spalletti, im Hinspiel gegen den BVB noch auf der Bank, musste vor zwei Wochen gehen. Auf Aushilfslösung Semak folgt nun ab Donnerstag der Portugiese Villas-Boas.
Für Dortmunder Stirnrunzeln sorgt deshalb allenfalls der Umstand, dass Marco "Rolls" Reus im Gegensatz zum neuen Teambus in der BVB-Garage bleiben muss. Der Offensivspieler, einer der entscheidenden Akteure im Hinspiel und beim 1:2 gegen Gladbach schmerzlich vermisst, steht wegen Muskelproblemen erneut nicht im Kader. Dafür kehrt Henrich Mchitarjan als Spielmacher zurück und entschärft die Kreativkrise im BVB-Angriff. Coach Klopp kündigte an, die zur Verfügung stehenden Offensiv-PS im Rückspiel auch nutzen zu wollen: "Unser Plan ist es, daraus ein ganz normales Fußballspiel zu machen. Nur zu verteidigen, wäre blöd."
Ausreden für ein Aus gegen Zenit gibt es ohnehin keine, stellte Kapitän Sebastian Kehl klar: "Wenn wir diese Ausgangsposition nicht nutzen, sind wir selbst schuld." Die Chance, zum ersten Mal seit 16 Jahren wieder zweimal in Folge im Viertelfinale der Champions League zu stehen, will sich der BVB von Zenits aus dem Tritt geratenem Millionenensemble um Sturmstar Hulk nicht nehmen lassen - zumal sie für BVB-Boss Watzke trotz des Finaleinzugs im Vorjahr keine Selbstverständlichkeit wäre: "Gemessen an Borussia Dortmunds wirtschaftlichen Möglichkeiten wäre die Zugehörigkeit zu den acht besten Mannschaften Europas nach wie vor ein kleines Fußball-Wunder." Angenehme Begleiterscheinung wäre, dass sich die wirtschaftlichen Möglichkeiten in Dortmund verbessern würden: Die Gesamt-Einnahmen aus der Königsklasse dürften sich in der nächsten Runde - ohne den Anteil aus dem Marktpool - bereits auf rund 35 Millionen Euro erhöhen.
Den Ruf als idealer Aufbaugegner für Krisenklubs wie Hamburg (vorm BVB-Sieg sieben Niederlagen in Folge) und Gladbach (zuvor neun Spiele ohne Sieg) wollen die Dortmunder gegen die schwer kriselnden Russen (ein Sieg aus zwölf Spielen) gern abstreifen. Erstens war der erneute Liga-Patzer vor einem internationalen Highlight reiner Zufall, beteuerte Mats Hummels. Zweitens soll er sich, wo er nun einmal aktenkundig ist, dann bitteschön in jenes kurios-beruhigende Muster einfügen, das sich so liest: Vor seinen jüngsten drei Champions-League-Spielen kassierte der BVB in der Liga Niederlagen - und reüssierte anschließend international. Bleibt es dabei, böte sich nach dem Zenit-Spiel ein Buskorso an. Zu feiern wäre der 100. BVB-Sieg in Europa.
Quelle: ntv.de