Raus gegen Real - und was nun? Der BVB feiert seinen letzten großen Abend
09.04.2014, 12:29 Uhr
Gewonnen, und doch verloren: Lukasz Piszczek, Manuel Friedrich und Mats Hummels nach dem Schlusspfiff.
(Foto: imago/Horstmüller)
Die Fans jubeln nach dem Sieg gegen Real Madrid so groß, wie sie wohl nur in Dortmund ein Ausscheiden bejubeln. Doch wie geht es weiter? Mit Lewandowski geht der Beste - wieder einmal. Verliert Trainer Klopp irgendwann die Lust?
Jürgen Klopp hätte gar nichts machen müssen. Das Champions-League-Viertelfinale war vorbei, seine Dortmunder waren mit einem 2:0-Sieg über Real Madrid nach dem 0:3 im Hinspiel grandios gescheitert, und die Südtribüne feierte weiter den Sieg in der Niederlage. Dennoch schritt der Trainer des BVB energisch zur Gelben Wand. Dort animierte er die Fans auf der Südtribüne immer wieder zum Applaus. Und immer wieder zeigte er auf seine Spieler, die ihm zögerlich folgten. Klopp wollte noch einmal Beifall von jenen, die ohnehin über die gesamten 90 Minuten für eine prächtige Fußballstimmung gesorgt hatten - für jene, die ein denkwürdiges Spiel geboten hatten.
Die Spieler von Real-Madrid hatten sich längst in die Kabine geflüchtet, nur Iker Casillas gab noch Interviews am Spielfeldrand, da wurde aus stehenden Ovationen noch einmal La Ola. Womöglich ging es Klopp dabei aber um mehr als den Lohn für den großartigen Kraftakt, den sein verletzungsgeplagtes Team gegen Real Madrid gezeigt hatte. Vielleicht ging es auch darum, diesen großen Abend mit seinem BVB noch einmal richtig auszukosten - weil es auf absehbare Zeit der letzte richtig große gewesen sein könnte im eigenen Stadion.
Tore: 1:0 Reus (24.), 2:0 Reus (37.)
Borussia Dortmund: Weidenfeller - Piszczek (81. Aubameyang), Friedrich, Hummels, Durm - Kirch, Jojic, Großkreutz, Mkhitaryan, Reus - Lewandowski
Real Madrid: Casillas - Carvajal, Pepe, Ramos, Coentrao - Illara (46. Isco), Modric, Alonso - di Maria (73. Casemiro), Bale, Benzema (92. Varane)
Referee: Skomina (Slowenien) Zus: 65.829
Schüsse: 12:10 Ecken: 6:5
Dieses 2:0 gegen Real Madrid wird als Sternstunde der Reservisten in die Annalen eingehen. Als letztes Hurra von Abwehrroutinier Manuel Friedrich, den der BVB im Herbst 2013 notgedrungen aus dem Vorruhestand geholt hatte und der sich gegen Real als 34-Jähriger für eine Vertragsverlängerung empfahl, wie Klopp nach tadelloser Vorstellung fand. Es war aber auch das erste große Spiel von Milos Jojic. Der Serbe zeigte im Mittelfeld eine starke Leistung. "So eine Vorstellung" eines 22-jährigen Startelfdebütanten, lobte Klopp überschwänglich, "habe ich so noch gar nicht gesehen". Und nicht zu vergessen Oliver Kirch. Der legte als Solo-Sechs gegen die Offensivmaschinerie von Real Madrid mal eben das beste Spiel seiner Karriere hin - und empfahl sich für eine weitere Verwendung im defensiven Mittelfeld. Kommentar Klopp: "Das ist die größte Entwicklung, die ich jemals bei einem 30-Jährigen gesehen habe. Das ist brutal stark."
Das Ende einer Ära naht
Der 8. April 2014, dieses 2:0 gegen Real Madrid, wird aber noch aus einem anderen Grund in Erinnerung bleiben. Im Sturmzentrum absolvierte Robert Lewandowski sein letztes Champions-League-Spiel für den BVB. Ohne Tor zwar, aber dennoch mit unheimlicher Präsenz und Technik. Nur noch dreimal können die Fans den künftigen Bayern-Angreifer im eigenen Stadion erleben: im Pokal-Halbfinale gegen den VfL Wolfsburg und in den Ligaspielen gegen Mainz und Hoffenheim. Glanzvoller als gegen Real wird es also nicht mehr. Das Ende einer Ära naht.
Mit Lewandowski verliert der BVB einen Weltklassestürmer un d im vierten Jahr in Folge einen seiner besten Spieler. 2011 war es Nuri Sahin, 2012 Shinji Kagawa, 2013 Mario Götze. Jetzt also Lewandowski, der im Kader als einer der wenigen das Prädikat "unersetzlich" trägt. An allen großen Erfolgen der vergangenen Jahre war er maßgeblich beteiligt. In Dortmund haben sie diese Abgänge stets als Teil des Geschäfts wahrgenommen. Erleichtert wurde das durch das glückliche Händchen, das Klopp, Sportdirektor Michael Zorc und Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke bei der Akquise des Ersatzpersonals hatten. Als Sahin ging, kam Ilkay Gündogan. Für Kagawa wurde der gebürtige Dortmunder Marco Reus aus Mönchengladbach zurückgekauft.
Schwieriger wurde es schon, als Mario Götze nach München wechselte. Bei Rekordeinkauf Henrikh Mkhitaryan gehen Fans und Verantwortliche zwar davon aus, dass der endgültige Durchbruch des armenischen Spielmachers nur eine Frage der Zeit ist. Die vergebenen Großchancen gegen Real könnten aber neue Zweifel geweckt haben, ob sich Mkhitaryan tatsächlich freispielen kann. Bei Pierre-Emerick Aubameyang gehen die Meinungen trotz seiner 16 Pflichtspieltore ohnehin auseinander. Gegen Real kam er erst in der Schlussviertelstunde ins Spiel.
Es beginnt der nächste Neuaufbau
Mit Lewandowskis Abschied beginnt für die Dortmunder der nächste Neuaufbau. Von den Reservisten, die gegen Real groß aufspielten, ist nur Jojic ein Perspektivspieler. Wie schwer vor allem der Torjäger zu ersetzen ist, zeigt allein die Tatsache, dass sie ihn im Sommer lieber ablösefrei nach München ziehen lassen und ihn dafür noch ein Jahr länger behalten haben. Julian Schieber, vor zwei Jahren als Ersatz verpflichtet, gilt als gescheitert. Fix hingegen ist, dass Adrian Ramos von Hertha BSC kommt. Wie der BVB mitteilte, erhält der Kolumbianer einen Vierjahresvertrag. Angeblich sollen die Borussen etwa zehn Millionen Euro bezahlt haben. Mit 28 Jahren ist Ramos allerdings aber weder ein Mann für die Zukunft, noch in der Champions League erprobt.
Ob dort im kommenden Jahr trotz des Aufrückens in Lostopf zwei erneut eine erfolgreiche Saison glückt, hängt nicht nur vom Ersatzmann für Lewandowski ab. Für die "Berliner Zeitung" ist der gesamte Dortmunder Kader im Moment eine "Großbaustelle", "die erste Elf in der kommenden Saison" abgesehen von Abwehr und Tor "ein Fragment". Das mag zugespitzt sein, bezieht aber das realistische Szenario ein, dass nicht alle Langzeitverletzten - Neven Subotic, Sven Bender, Ilkay Gündogan, Jakub Błaszczykowski - nach ihrer Genesung sofort mit altem Leistungsniveau zur Verfügung stehen.
Beim seit Saisonbeginn verletzten Ilkay Gündogan ist zudem unklar, ob und wann er wieder spielen kann - und ob und wann er seinen bis 2015 laufenden Vertrag verlängert und was im Fall einer Nichtverlängerung geschieht. Im Sturm wären vielen Fans erprobte Torjäger wie Edin Dzeko von Manchester City oder der Wahlspanier Diego Costa von Atletico Madrid lieber. Deren Millionenablöse könnte der BVB zwar bezahlen. Ihr Gehalt will sich der Klub aber nicht leisten, um das Vereinsgefüge nicht zu sprengen. Die Erinnerung an den Fast-Konkurs 2004 bleibt als Warnung präsent.
Dennoch steht Dortmund vor einem Balanceakt zwischen einer vernunftvollen Transferpolitik und einer, die die Ambitionen der vereinstreuen Spitzenkräfte wie Reus und Mats Hummels berücksichtigt. Gerade Reus steht schon länger auf den Wunschzetteln europäischer Spitzenklubs und hat sich mit seinem Doppelpack gegen Real nicht unattraktiver gemacht. Ab 2015 soll der Mittelfeldspieler zudem über eine Ausstiegsklausel von rund 35 Millionen Euro verfügen, die ihm der BVB jedoch abkaufen will. Für Ex-Torjäger Jan Åge Fjørtoft wäre es ein Signal mit wegweisender Wirkung. Denn geht Reus, verkündete Fjørtoft am Wochenende im Bezahlfernsehen, dann habe auch Klopp keine Lust mehr.
Quelle: ntv.de