Wolfgang Niersbach neuer DFB-Chef Der Fan im Funktionärsgewand
02.03.2012, 15:17 Uhr
"Bei allen Funktionen, die man hat, ist es erlaubt, Fan zu sein": Wolfgang Niersbach, Präsident des Deutschen Fußball-Bundes.
(Foto: dpa)
Er schwärmt von Fritz Walter, ist ein Freund von Franz Beckenbauer und seit zweieinhalb Jahrzehnten als Funktionär im Deutschen Fußball-Bund. Nun tritt Wolfgang Niersbach die Nachfolge Theo Zwanzigers als Präsident des DFB an. Er erfüllt sich damit keinen Traum, ist aber am Ziel.
Nun ist er also der Chef. Nach einem knappen Vierteljahrhundert im Deutschen Fußball-Bund haben die 260 Delegierten des mit 6,8 Millionen Mitgliedern größten Sportfachverbandes der Welt in Frankfurt am Main Wolfgang Niersbach für die kommenden drei Jahre zu ihrem Präsidenten gewählt. Er ist jetzt einer der mächtigsten Männer im deutschen Sport und folgt Theo Zwanziger, der seit 2004 den DFB geleitet hat. Eine Überraschung ist diese Wahl nicht. Schließlich war Wolfgang Niersbach, 61 Jahre alt, der einzige Kandidat. Und kein geringerer als Franz Beckenbauer hatte gesagt: "Er ist der Beste."
1900 bis 1904: Dr. Ferdinand Hueppe
1904 bis 1905: Friedrich Wilhelm Nohe
1905 bis 1925: Gottfried Hinze
1925 bis 1945: Felix Linnemann
1950 bis 1962: Dr. Peco Bauwens
1962 bis 1975: Hermann Gösmann
1975 bis 1992: Hermann Neuberger
1992 bis 2001: Egidius Braun
2001 bis 2004: Gerhard Mayer-Vorfelder
23. Oktober 2004 bis 8. September 2006: Gerhard Mayer-Vorfelder/TheoZwanziger
8. September 2006 bis 2. März 2012: Theo Zwanziger
ab 2. März 2012: Wolfgang Niersbach
Abgesehen davon, dass Franz Beckenbauer, Ehrenpräsident des FC Bayern München und Experte für Fußballfragen aller Art im Bezahlfernsehen, sehr häufig irgendetwas über irgendjemanden oder irgendwas sagt, ist es kein Zufall, dass er das über Wolfgang Niersbach gesagt hat. Die beiden haben von 1988 bis 1990 zusammengearbeitet, Franz Beckenbauer als Teamchef der deutschen Fußballnationalelf, Wolfgang Niersbach als sein Pressesprecher. "Die zwei Jahre mit Beckenbauer waren ein Traum", hat der neue, der elfte Präsident des DFB einmal gesagt. Ein Satz, der einen Hinweis darauf gibt, wie Wolfgang Niersbach tickt. Heute spricht er von Franz Beckenbauer als engen Freund.
Der gebürtige Düsseldorfer war Journalist beim Sportinformationsdienst, 1973 begann er dort sein Volontariat, vier Jahre später, mit gerade einmal 26 Jahren, war er Fußballchef der Nachrichtenagentur. Seit 1988 ist er beim DFB, als Pressesprecher und Organisator, er half mit, die Weltmeisterschaft 2006 nach Deutschland zu holen, seit 2007 war er Generalsekretär. Er war aber immer auch Fan. Schon als Journalist reichte es ihm nicht, nur zuzuschauen. Er wollte dazugehören. Einer sein, der alle Nationalspieler duzt, ein inniges Verhältnis zu den Trainern hat und mitfiebert, wenn die Mannschaft spielt. Der es genießt, ganz nah dran zu sein. Der das darf, wovon viele Fans träumen. Und gerne darüber spricht.
"Der Icke spielt lieber mit seinem Gameboy"

Mittendrin: Wolfgan Niersbach im Jahr 1996 mit dem damaligen Bundestrainer Hans-Hubert Vogts.
(Foto: dpa)
"Der Putzer vom Kaiser", wie ihn eine Zeitung nannte, war nach Münster gekommen, um den Publizistikstudenten an der Westfälischen Wilhelms-Universität etwas aus der großen Welt des Fußballs zu erzählen. Eigentlich ging es um das Selbstverständnis der Sportjournalisten und ihr Ansehen in der Redaktion. Aber die jungen Leute im Hörsaal interessierten sich mehr für die Geschichten über Franz Beckenbauer und die DFB-Elf, wollten hören, wie das so war, in Italien, der Sieg bei der Weltmeisterschaft 1990 war noch frisch. Und Wolfgang Niersbach erzählte, er kann das, die Menschen mit seinen Anekdoten für sich einnehmen. Er erzählte, wie es so ist, junge Fußballer dazu zu überreden, doch bitte auf die Schnelle drei Interviews zu geben. Bei Jürgen Klinsmann sei das nie ein Problem gewesen. "Der antwortet auch fließend in drei Sprechen." Anders als Thomas Häßler. "Der Icke liegt lieber mit seinem Gameboy auf dem Bett und spielt." Wolfgang Niersbach hat es am Ende natürlich geschafft, ihn anzutreiben.
"Es war früh abzusehen, dass er Chefpotential hat", erinnert sich Dieter Kühnle, ehemaliger Chefredakteur des sid in der "Süddeutschen Zeitung". Wolfgang Niersbach sei schon als Journalist ein akribischer Arbeiter gewesen, "fast schon buchhalterisch genau, aber er war auch ein Teamworker in der Redaktion und ein Chefkontakter nach außen." Das ist bis heute so geblieben, auch wenn das mit der Kontaktfreudigkeit des Rheinländers fast schon zu klischeehaft klingt. Aber er ist sehr gut vernetzt, auch international, und hat innerhalb des DFB einen breiten Rückhalt. So war seine Wahl nur Formsache, keine Selbstverständlichkeit in einem so großen Verband mit rivalisierenden Interessensgruppen. "Der Präsident eines solchen Verbandes kann kein Solist sein, er kann nur Kapitän dieser Mannschaft sein", hatte Wolfgang Niersbach angekündigt. Direkt von seiner Wahl sagte er: "Ich bin bereit, diese Spielführerbinde überzustreifen."
"Kommunikativ und meistens gut gelaunt"
Ihn als jovial zu beschreiben, würde zu kurz greifen. Aber Weggefährten berichten, wie der Berliner "Tagesspiegel schreibt, er sei "zuverlässig und verbindlich, pragmatisch und zielstrebig, kommunikativ und meistens gut gelaunt." Und er ist loyal, auch seinem Vorgänger Theo Zwanziger gegenüber, der ihn nicht unbedingt als seinen Nachfolger sah und im Alleingang Erwin Staudt, den ehemaligen Präsidenten des VfB Stuttgart, vorgeschlagen hatte. "Wie schnell die Personalie verworfen wurde, ist auch ein Indiz dafür, wie isoliert Zwanziger am Ende war", konstatiert die "Süddeutsche Zeitung."
Wolfgang Niersbach, Vater zweier Töchter und Fan von Fortuna Düsseldorf, für die er einst das Stadionmagazin gestaltete, startet mit vielen Vorschusslorbeeren und großem Rückhalt ins Amt. Er ist am Ziel, mittendrin statt nur dabei. Auch wenn er immer wieder betont hat, Präsident des DFB zu sein, sei nie sein Plan gewesen. "Dass ich hier eines Tages mal der Chef von 210 Angestellten bin, hätte ich mir nie träumen lassen.” Es habe ihn einige schlaflose Nächte gekostet, bis er sich zur Kandidatur durchgerungen habe. "Ich will auch künftig in meiner Dorfkneipe ein Bier trinken."
"Gänshaut, wenn "ich Horst Eckel gegenüberstehe"
Schließlich siegte aber die Erkenntnis: "Dieser Job hat einen unglaublichen Reiz." Dafür verzichtet Wolfgang Niersbach auf Geld. Dem Vernehmen bekam er als Generalsekretär etwa 25.000 Euro im Monat. Einem Präsidenten stehen 6000 Euro Aufwandsentschädigung zu. Das passt zu einem, der Fußball als seine Leidenschaft bezeichnet, beantwortet aber nicht die Frage, wohin er den DFB führen wird. Baustellen gibt es genügend, zum Beispiel die Entscheidung über ein zentrales Leistungszentrum, die wiederkehrenden Ausschreitungen in den Stadien, der Abschluss eines neuen Grundlagenvertrags mit der Deutschen Fußball-Liga oder die Schiedsrichter-Problematik. Sein oberstes Ziel sei, sagte Wolfgang Niersbach vor den Delegierten und Gästen in Frankfurt, die "Einheit des Fußballs, die Einheit von Spitze und Breite". Damit entgegnete er vorab den Befürchtungen, er werde sich als ein Präsident der Nationalelf entpuppen und die Amateure vernachlässigen.
Und geriet dann doch wieder ins Schwärmen: "Hinter dieser Nationalmannschaft steht die Fußballbegeisterung eines ganzen Landes. Sie ist der Fixstern." Dann holte er eine Eintrittskarte aus der Tasche seines Jackets, eine Eintrittskarte für das Endspiel der EM 1972, das die DFB-Elf mit 3:0 gegen die Sowjetunion gewann. Von Düsseldorf aus sei er damals mit dem Auto nach Brüssel gefahren, elf Mark habe er für die Karte bezahlt und ein großartiges Spiel gesehen. "Bei allen Funktionen, die man hat, ist es erlaubt, Fan zu sein." Genügend Arbeit also für den Mann, der sein "Hobby zum Beruf gemacht" hat, Gänsehaut bekommt wenn "ich Horst Eckel gegenüberstehe" und der als Kind das Buch "3:2" über das Endspiel der WM 1954 in Bern von Fitz Walter "fast auswendig gelernt" hat.
Quelle: ntv.de