Torlinientechnik? Videobeweis? Nichts da! Der Fußball hält seine Schiedsrichter dumm
22.10.2013, 11:39 Uhr
Der Mann, der das Phantomtor anerkannte: Felix Brych.
(Foto: imago sportfotodienst)
Es ist ein Unding, dass die Fußball-Liga ihren Schiedsrichtern vorenthält, was jeder Zuschauer sehen kann. Und sie ins offene Messer laufen lässt. Wie Felix Brych, der das Phantomtor pfiff. Dabei könnte alles so einfach sein.
Die Tennisspieler haben kein Problem damit. Auch nicht die American Footballer, Volleyballer und die Eishockeyspieler. In der niederländischen Eredivisie und der englischen Premier League tun es sogar die Fußballer, und selbst der Weltverband Fifa greift bei der Weltmeisterschaft in Brasilien darauf zurück. Sie alle bedienen sich der Technik, um strittige Szenen zu klären. In Deutschland aber wollen sie das nicht. Und debattieren lieber tagelang über ein Tor von Stefan Kießling, das gar keins war.
Das ist ärgerlich für die Hoffenheimer, die das Spiel mit 1:2 verloren, und peinlich für die Leverkusener, die die Chance verpasst haben, sportliche Größe zu zeigen und noch während der Partie zuzugeben, dass der Ball durch ein Loch im Seitennetz den Weg ins Tor fand. Richtig blöd aber ist die Situation für den Schiedsrichter. Felix Brych, einer der besseren Unparteiischen des Landes, geht als der Mann in die Geschichte ein, der das Phantomtor anerkannte. Weil er es nicht gesehen hat. Und weil die Liga ihn künstlich dumm hält. Das ist ein Unding.
Und der Stadionsprecher brüllt: "Der Ball war nicht im Tor!"
Die Situation ist absurd: In jedem Erstligastadion des Landes gibt es mittlerweile eine Anzeigetafel oder einen Videowürfel, auf denen die Zuschauer die Szenen des Spiels noch einmal sehen können. Nur strittige Situationen werden meist nicht gezeigt. In der Sinsheimer Rhein-Neckar-Arena zeigte die Regie kurz nach dem Schlusspfiff die Szene auf der Videowand. Und Stadionsprecher Mike Diehl brüllte in sein Mikrofon: "Der Ball war nicht im Tor!" Das Publikum nahm das gerne auf und beschimpfte Felix Brych. Der Herr über die Tatsachenentscheidung war der Gelackmeierte. Weil niemand ihm half.
Dieses entwürdigende Schauspiel zeigt, was das Romantikgeschwafel derer wert ist, die stets propagieren, der Fußball lebe von Fehlentscheidungen und den Diskussionen darüber. Die sagen, dass es doch toll sei, wenn der Sport zuverlässig Debattenstoff für die Stammtische der Nation liefere. Die vom Wembleytor im Finale der WM 1966 schwärmen. Nämlich nichts.
Die DFL stellt sich stur. Oder ist es gar. Die Torlinientechnik sei nicht die Lösung. Der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" sagte Geschäftsführer Andreas Rettig: "Wir sind in der DFL nicht gegen den technischen Fortschritt, aber wir sprechen hier über ein hochkomplexes System, das möglicherweise noch störanfällig ist. Eine Fehlertoleranzgrenze von drei Zentimetern, die die Fifa derzeit zulässt, ist für uns nicht annehmbar." Schwer zu beurteilen, ob das tatsächlich das Problem ist. Die Fifa räumt dem, übrigens in Deutschland entwickelten, System namens "Goal control" tatsächlich eine Fehlertoleranz von zwei bis drei Zentimetern ein. Wie die "Süddeutsche Zeitung" berichtete, kommt die in der englischen Premier League eingesetzte Technik "Hawkeye" mit einem halben Zentimeter aus.
Weniger komplex wäre es allerdings, einfach einen zusätzlichen Unparteiischen vor einen Bildschirm zu setzten. Der macht das, was die Zuschauer auf ihren Smartphones oder auf den Videowänden auch machen können: Er schaut sich das Ganze noch einmal an und signalisiert dann dem Schiedsrichter: kein Tor, Abstoß. Andere Sportarten haben kein Problem damit.
Quelle: ntv.de