Fußball

"Wir waren tot" bei WM 1986 Der Jubilar, der fürchtete, von Rudi Völler gefressen zu werden

Jorge Valdano durfte dann doch bei der WM 1986 jubeln.

Jorge Valdano durfte dann doch bei der WM 1986 jubeln.

(Foto: imago/Laci Perenyi)

Jorge Valdano ist einer der Helden der WM 1986: Weltmeister in der Heimat Argentinien. Im Finale durchlebt er alle Gefühle - und weiß sie auszudrücken. Der Mann, der ein Intellektueller des Fußballs ist, kann mit der heutigen Version nur wenig anfangen. Das macht er zum 70. Geburtstag deutlich.

Jorge Valdano ist fertig mit der Welt. In der 81. Minute haben diese unbeugsamen deutschen Fußball-Maschinen, die im brüllenden Aztekenstadion aus allen Richtungen in Knöchelhöhe angeflogen kommen, mit ihren furchteinflößenden Namen wie Ditmar Jakobs, Hans-Peter Briegel oder Karlheinz Förster, zum 2:2 ausgeglichen. Rudi Völler war's! Valdano steht im WM-Finale 1986 gebrochen zum Anstoß bereit - sicher, "nun gefressen zu werden. Wir waren tot."

Da aber kommt Diego Maradona zu ihm, mit sanfter Stimme im Tosen von Mexiko-Stadt: "Ganz ruhig, Jorge. Wir gewinnen." Und so geschieht es. "Wenn ich an Diego denke", sagt Valdano Jahrzehnte später, "habe ich ein Lächeln auf den Lippen." Kurz vor seinem 70. Geburtstag am heutigen Samstag erinnert sich der große Intellektuelle des argentinischen Fußballs, als wäre es gestern gewesen.

Moderner Fußball: Betrug am reinen Sport

Valdano, einst Stürmerstar bei Real Madrid, danach dort Trainer, Sport- und Generaldirektor, wird den Fußball wohl nie loslassen, obwohl er die modernen Auswüchse hasst. Die Klub-WM, das neue Champions-League-Format, VAR - für ihn ist das alles Zirkus und Betrug am reinen Sport, der immer noch mit zwei Jacken als Pfosten und einer Coladose gespielt werden kann.

Valdano verabscheut den modernen Fußball, loslassen kann er aber auch nicht.

Valdano verabscheut den modernen Fußball, loslassen kann er aber auch nicht.

(Foto: IMAGO/PA Images)

Warum also Fußball? Immer noch? "Um ein emotional volleres Leben zu haben. Um besser zu leben", sagt Valdano. "Gingen wir nur nach dem Nützlichen und Notwendigen, so würde es reichen, zu essen, zu trinken und zu schlafen. Aber dann wären wir zurückgeworfen auf unseren Tierzustand." Diese Sätze aus einem Interview mit der "Berner Zeitung" sind typisch für Valdano. Er kann über die Viererkette reden und Shakespeare zitieren, er kann Fußballkonzepte mit Winston Churchill erklären, über Individualismus dozieren, die neoliberale Kultur oder den Exhibitionismus der Genies des Spiels. Pelé, Messi.

Maradona "war spektakulär"

Und, natürlich: Maradona. Von diesem Phänomen hatte er in den Anfängen seiner Karriere bereits gehört, Valdano spielte für die Newell's Old Boys in Argentinien, für Deportivo Alaves im Baskenland. Dann die Erleuchtung. "Ich begriff das ganze Ausmaß von Maradona in jenem Moment, als ich ihn das erste Mal am Ball sah", sagt Valdano. "Es war spektakulär. Eine andere Dimension."

1986, im WM-Finale, standen sie dann gemeinsam auf dem Platz. Es war eines von nur 23 Länderspielen Valdanos. Das Brummen der mehr als 100.000 Zuschauer dröhnte damals in seinem Kopf: "Ich hatte ein absonderliches Geräusch im Ohr, das mir eine enorme mentale Anstrengung abverlangte. In diesem inneren Dialog, den jeder Fußballer mit sich selbst führt, musste ich mir immer wieder sagen: Das ist das wichtigste Spiel deines Lebens. Das wichtigste Spiel deines Lebens." Wie wahr. Argentinien gewinnt 3:2.

Der Verein seines Lebens ist selbstverständlich Real Madrid, bis heute. Als TV-Experte sezierte Valdano gerade erst "ein Drama", das schlimme 2:5 im Derby bei Atlético. "Das Monster ist erwacht", sagte er da. "Das Monster, das wir erlebt haben, als wir gegen Barcelona jedes Mal vier Tore kassiert haben." Er sagt immer noch: wir.

Quelle: ntv.de, ara/sid

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