Fußball

Der Ärger ist noch nicht vorbei Die schockierende Woche von Mainz 05

Der Mainzer Sportvorstand Rouven Schröder hat eine schlimme Woche hinter sich - und viel Arbeit vor der Brust.

Der Mainzer Sportvorstand Rouven Schröder hat eine schlimme Woche hinter sich - und viel Arbeit vor der Brust.

(Foto: imago images/Jan Huebner)

Bei Mainz 05 ist die konstruktive Ruhe, mit der man sich seit vielen Jahren in der Bundesliga hält, dahin. Mehr noch: In der vergangenen Woche gibt der Klub ein schockierendes Bild ab. Den Trainer kostet das mit viel Anlauf den Job - der Ärger aber, der bleibt.

Die zurückliegende Horror-Woche hatte für Achim Beierlorzer schon einige Tiefschläge parat, der satte K.o. folgte aber erst am Montagmittag: Der 52-Jährige muss seinen Posten als Trainer beim FSV Mainz 05 räumen, nach dem Chaos der vergangenen Tage kam die Entlassung für niemanden mehr überraschend - auch wenn Beierlorzer freilich nicht der Alleinschuldige an der Krise ist.

Schließlich sehen sich die punktlosen Rheinhessen nach der desaströsen Klatsche gegen Aufsteiger VfB Stuttgart (1:4) nicht nur mit einem sportlichen Fehlstart konfrontiert - der aufsehenerregende Trainingsstreik am vergangenen Mittwoch hatte verdeutlicht, dass bei den 05ern weit mehr im Argen liegt. Der mittlerweile selbst in der Kritik stehende Sportvorstand Rouven Schröder betonte, dass der Klub mit der Trennung "der aktuellen Entwicklung Rechnung tragen und der Mannschaft kurzfristig und perspektivisch neue Impulse geben" wolle. Beierlorzer selbst zeigte sich "enttäuscht über die Entscheidung des Vereins", wie er in einer Klubmitteilung zitiert wurde.

Die Entscheidung über den Abgang Beierlorzers hatten die Spieler längst besiegelt. Wenn der Trainer seine Mannschaft nicht dazu bewegt bekommt, drei Tage vor einem für den Verein immens wichtigen Spiel - gegen einen Konkurrenten im Abstiegskampf, zum ersten Mal seit einem halben Jahr wieder vor Zuschauern - dann ist seine Autorität für alle offensichtlich dahin. Der Streik ist die absolute Eskalation, das sichtbarste Zeichen für das Zerwürfnis. Es war beinahe zum Lachen, dass Schröder auf der Pressekonferenz am Tag danach versicherte, die Mannschaft wolle alle Probleme intern verhandelt wissen.

Vereinsboss Stefan Hofmann hatte sich am Freitag zu Wort gemeldet und durchblicken lassen, dass Beierlorzer wohl auch Teil der Probleme und nicht unschuldig am Spielerstreik gewesen sei. "Zugegebenermaßen war unsere erste Kommunikation gegenüber Adam Szalai missverständlich", sagte Hofmann. Der ungarische Nationalspieler ist anscheinend nicht nur wegen fehlender sportlicher Perspektive zur U23 ausgemustert worden, sondern weil er Beierlorzer angeblich offen kritisiert hatte.

Auf allen Ebenen unwürdig

Es folgte die desaströse Vorstellung gegen keineswegs entfesselte Stuttgarter. Kapitän Danny Latza hatte hinterher zwar beteuert: "Wir sind als Mannschaft aufgetreten und stehen auch hinter dem Trainer." Doch das war nicht mal mehr ein Lippenkenntnis angesichts dieses Abschlusses der auf allen Ebenen bundesliga-unwürdigen Leistung des Klubs in der mit der Pleite zu Ende gegangenen Woche.

Die Welt beim selbsternannten Karnevalsverein ist mit dem Abschied Beierlorzers alles andere als heil, die Nachwehen der zurückliegenden Turbulenzen sind noch immer spürbar. "Mit dem Wechsel auf der Position des Trainers ist unsere Analyse der aktuellen Situation nicht abgeschlossen", versicherte Schröder. Es gehe nun darum, "die Vorkommnisse der vergangenen Woche selbstkritisch aufzuarbeiten und Lösungen zu finden", dabei spüre der Sportchef "in allen Bereichen des Vereins das große Verlangen nach Geschlossenheit".

Genau die hatten die Mainzer zuletzt vermissen lassen, die Gräben im Klub waren zahlreich und tief. Zwischen Mannschaft und Trainer kriselte es dem Vernehmen nach schon länger, der Trainingsboykott der Spieler als Solidaritätsbekundung gegenüber dem degradierten Stürmer Adam Szalai legte schwerwiegende Fehler in der Kommunikation zwischen sportlicher Führung und Mannschaft offen.

Die Mannschaft schweigt

Obwohl, bisher konnte niemand den Grund für den Streik benennen: Ging es um die ausbleibende Nachzahlung von wegen der Coronakrise einbehaltenem Gehalt? Oder den Umgang mit Szalai, dessen Ausmusterung sich sportlich ohne Weiteres nachvollziehbar begründen ließe? Oder eben um etwas ganz anderes? Hier wäre vor allem die Mannschaft in der Pflicht, ihren Teil zur Beseitigung des Scherbenhaufens beizutragen. Sportlich hat sie immerhin in der schwelenden Trainerfrage für klare Verhältnisse gesorgt.

Der große Knall hatte sich über Monate angekündigt: Schon kurz nach Beierlorzers Dienstantritt im Herbst 2019 war Kritik aufgekommen, der Franke passe nicht zu Mainz 05 hieß es, es fehle an taktischen Lösungen und der Konsequenz, ein offenbar in sich nicht funktionierendes Team zu einen und zu führen. Was innerhalb der Mannschaft passierte, blieb lange im Verborgenen, erst nach dem geschafften Klassenerhalt wurde öffentlich, dass es im Nachgang der Partie bei Union Berlin ordentlich geraucht hatte. Führungsspieler kritisierten den Trainer, wünschten sich bessere und klarere Lösungsmöglichkeiten an die Hand. Das, was zu einer konstruktiven Debatte umgedeutet wurde, war offenbar nur ein weiterer Riss, der schließlich zum Bruch führen sollte.

Es wird unruhig bleiben

Auch Schröder, der Beierlorzer schon direkt nach der besorgniserregenden Heim-Pleite gegen Stuttgart am Samstagabend die Rückendeckung entzogen hatte, gibt in der Angelegenheit kein gutes Bild ab. Der Sportvorstand hat den Kader maßgeblich zusammengestellt und schaffte es offenkundig nicht, Konflikte konstruktiv zu moderieren oder beizulegen. Am Bruchweg sind zu viele Profis versammelt, die den Verein als Durchlauferhitzer für die eigene Karriere verstehen. Läuft es gut, generiert dieses Geschäftsmodell für den Verein überlebenswichtige Millionen - wie durch die Verkäufe der von Schröder geholten Abdou Diallo und Jean-Philippe Gbamin. Geht es schief, gibt es viel Ärger.

Die Fans kehrten dem Verein in der vergangenen Saison in Scharen den Rücken. Beierlorzer ist nun der zweite von Schröder installierte Trainer nach Sandro Schwarz, den die Führungskraft Sport wieder wegschicken musste. Der Vorstand wurde von den Problemen offenbar überrascht oder überrollt. Der Imageschaden ist immens.

Der Scherbenhaufen ist gewaltig, die Krise in Mainz tiefgreifend. Auch die Diskussion um eine Rückzahlung des verzichteten Gehalts während der Coronakrise erhitzte zuletzt die Gemüter, dazu gilt es, die vielen Gräben im Verein zuzuschütten. Und da kommt ja auch noch der Bundesliga-Fehlstart mit null Punkten aus zwei Spielen hinzu. Es dürfte unruhig bleiben am Rhein.

Quelle: ntv.de, ter/sid

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen