Fußball

Frings' Vertrag nicht verlängert Der Lutscher muss gehen

In Zeiten, in denen elitär anmutende Jungprofis das Bild des Fußballs prägen, gilt Torsten Frings als einer der letzten Hardliner auf den deutschen Plätzen. Der Mann, mit dem Deutschland 2006 sicher Weltmeister geworden wäre, verabschiedet sich von der großen Fußballbühne.   

Nach elf gemeinsamen Jahren verlässt Torsten Frings den SV Werder.

Nach elf gemeinsamen Jahren verlässt Torsten Frings den SV Werder.

(Foto: picture-alliance/ dpa)

Torsten Frings kommt aus Würselen. Würselen liegt in der Nähe von Aachen. Und die Menschen aus Aachen sind bekannt dafür, das Herz auf der Zunge zu tragen. Als Frings im Januar 1997 von der Alemannia in die klimatisch wie menschlich kühle Hansestadt Bremen wechselt, machen auch die neuen Kollegen prompt Bekanntschaft mit dem vorlauten Mundwerk des damals 20-Jährigen.

Frings ist damals noch Stürmer und als Perspektivspieler zu Werder geholt worden. Seinem Ehrgeiz tut das keinen Abbruch und so diskutiert er auch gerne mal mit den gestandenen Mitspielern. Andreas Herzog, gebürtiger Wiener, damals Spielgestalter bei Werder und Alpen-Maradona genannt, ist ein wenig irritiert vom forschen Auftreten des Neuzugangs und winkt Frings ab: „Was willst du denn, du Lutscher?“, bölkt der österreichische Nationalspieler in heimischem Akzent. Frings, der „Lutscher“ ist geboren.

Durchbruch bei der WM 2002

Es dauert Jahre, bis sich Frings als Bundesligaspieler etabliert. Rumgereicht wird er, von einer Position auf die andere geschoben. Stürmer, Mittelfeld, Abwehr – außer im Tor darf sich der 34-Jährige überall versuchen. Endgültig ins Rampenlicht spielt sich Frings erst bei der Weltmeisterschaft 2002 in Japan und Südkorea. In der Viererkette von Teamchef Rudi Völler pflügt er Spiel um Spiel die rechte Seite um und ackert sich und seine Elf bis ins Finale, das gegen Brasilien verloren geht. Bitter für Deutschland, bitter für Oliver Kahn und bitter für Frings. Bei Borussia Dortmund spielt er dafür ab der darauffolgenden Saison in der Champions League.

Insgesamt absolvierte Frings 326 Spiele für Werder.

Insgesamt absolvierte Frings 326 Spiele für Werder.

(Foto: picture alliance / dpa)

In den folgenden Jahren entwickelt sich der „Lutscher“ zu einer festen Größe in der Bundesliga und ist weder unter Völler noch unter Jürgen Klinsmann aus der DFB-Elf wegzudenken. Frings ist einer der ersten defensiven Mittelfeldspieler, die nicht nur durch Einsatz und Zweikampfstärke überzeugen, sondern auch als Strategen den Spielaufbau lenken. Selbst als sich Frings im Juli 2003 im unbedeutenden Ligapokal das linke Kreuzband reißt und ein halbes Jahr ausfällt, bleibt er auf dem Radar der großen Klubs präsent. Und so wechselt der inzwischen 27-Jährige im Sommer 2004 zum FC Bayern.

Sportlich zahlt sich der Transfer für beide Seiten aus: Frings entwickelt sich rasch zum Stammspieler unter Ottmar Hitzfeld, er macht 29 Partien und erzielt drei Tore. Neben dem Pokalsieg, seinem zweiten nach 1999, feiert er im Süden der Republik auch endlich seinen ersten Meistertitel. Der Erfolg kann ihn aber nicht daran hindern, die Zelte nach nur einem Jahr in München wieder abzubrechen und nach Bremen zurückzukehren. Angeblich kann sich Frings nur schwer mit der bayerischen Mentalität anfreunden.

Frings stachelt die "Gauchos" an

Werder Bremen und Torsten Frings – das passt. Das behütete Umfeld in Norddeutschland scheint dem zweifachen Familienvater gut zu bekommen, nach seinem zweiten Wechsel zum SV Werder reift Frings endgültig zum Führungsspieler und ist fortan eine tragende Säule in den Planungen seines Trainers und Förderers Thomas Schaaf. Ein Jahr nach seiner Rückkehr, um genau zu sein am 30. Juni 2006, steht Frings sogar im Fokus der Weltöffentlichkeit.

Deutschland hat bei der Heim-WM 2006 im Viertelfinale gerade Argentinien aus dem Turnier gekegelt. Die Bundesrepublik ist nach dem Abpfiff im schwarz-rot-goldenen Freudentaumel und ahnt noch nicht, dass der Traum vom WM-Titel nur Minuten später ausgeträumt sein wird. Die „Gauchos“ aus Südamerika verdauen die soeben besiegelte Niederlage nur schlecht und stürmen auf die deutschen Fußballhelden zu. Fäuste fliegen, Per Mertesacker krümmt sich am Boden. Rudelbildung wird eine solche Spielerkonstellation in der Fußballsprache genannt, der deutsche Leitwolf an diesem Abend ist Torsten Frings.

Bei der WM 2006 soll Frings die Argentinier provoziert haben.

Bei der WM 2006 soll Frings die Argentinier provoziert haben.

(Foto: picture-alliance/ dpa)

Am grünen Tisch macht die Fifa den Bremer Mittelfeldspieler, der bis zu diesem Zeitpunkt ein überragendes Turnier gespielt hat, als Hauptprovokateur der Handgreiflichkeiten nach Spielschluss aus. Frings wird für das Halbfinale gegen Italien gesperrt. Verschwörungstheoretiker behaupten sogar, die Freunde vom Stiefel hätten unseren Sechser verpetzt. Der Rest ist bekannt, Italien wird Weltmeister, Deutschland nur Dritter. Mit Frings an Bord hätten die Chancen der Klinsmann-Elf gegen Totti und Co. sicher nicht schlechter gestanden.  

"Unverschämt, mir so was um Mitternacht zu erzählen"

Möglicherweise hat die Ausbootung für das wahrscheinlich größte Spiel seiner Laufbahn der Karriere von Torsten Frings einen folgenschweren Knick zugefügt. Bei Werder gehört er weiter zum Stammpersonal und auch am zweiten Platz bei der Europameisterschaft 2008 hat er als Verteidigungsminister von Spielmacher Michael Ballack entscheidenden Anteil. Doch für ganz oben reicht es nicht mehr. Das registriert auch Bundestrainer Joachim Löw, der seinen einstigen Schlüsselspieler vor der WM in Südafrika auf unsanfte Art und Weise vor die Tür setzt.

Das Tischtuch zwischen Löw und Frings ist zerschnitten.

Das Tischtuch zwischen Löw und Frings ist zerschnitten.

(Foto: picture alliance / dpa)

Frings beklagt eine mangelnde Wertschätzung gestandener Nationalmannsspieler wie ihn oder Michael Ballack. Als ihn Löw im 2009 vor dem WM-Qualifikationsspiel gegen Russland nachts um halb eins auf sein Zimmer bestellt, um ihm mitzuteilen, dass er nicht zur Startelf gehören werde, platzt Frings der Kragen: "Da habe ich ihm wiederum klar mitgeteilt, dass ich es unverschämt finde, wenn er mir so was nebenbei und erst nach Mitternacht erzählt." Frings läuft noch einmal mit dem Bundesadler auf der Brust gegen Norwegen auf, ehe der Bundestrainer ihm eröffnet, dass er nicht mehr mit ihm plane.

Ein Außenseiter in der neuen Fußballwelt

Ähnlich abrupt wie die DFB-Karriere endet nun also auch die Zeit bei Werder Bremen. Klaus Allofs und Thomas Schaaf wollen einen personellen Umbruch an der Weser einleiten und die Mannschaft verjüngen. Dazu kommt, dass auch finanziell Abstriche gemacht werden müssen. Nach einer desolaten Saison spielt Werder im nächsten Jahr nicht international, finanzielle Einbußen sind die Folge. Dass Frings einer der Topverdiener bei Werder ist – sein Gehalt wird auf vier Millionen Euro geschätzt – ist kein Geheimnis.

Torsten Frings gilt nicht nur optisch als extrovertiert.

Torsten Frings gilt nicht nur optisch als extrovertiert.

(Foto: picture-alliance/ dpa)

Einer wie Torsten Frings, extroviert und mit Tribal-Tattoos geschmückt, hat es ohnehin nicht einfach in der neuen, geleckten Fußballwelt. Eine ehrliche Haut, ein Querdenker, der unverblümt seine Meinung preisgibt – und das auch vor laufenden Kameras. Die jungen Emporkömmlinge, die Frings und Co. auch sportlich den Rang ablaufen, werden von Beratern und Clubs auf einen freundlichen Umgang mit den Medien geeicht und wirken bisweilen so korrekt, glatt und gut gelaunt, als würde man ihnen 24 Stunden am Tag Johanniskraut in Überdosen verabreichen.

Frings hat mehrfach angedeutet, dass er seine Karriere gerne in der Heimat ausklingen lassen würde. Dort wo alles begonnen hat, bei der Alemannia aus Aachen. Wo die Menschen das Herz auf der Zunge tragen.

Quelle: ntv.de

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