Fußball

Bayern gegen Chelsea? Guardiola gegen Mourinho! Der Schöngeist trifft das provokante Biest

Schau mir in die Augen, Kleiner: Josep Guardiola und José Mourinho.

Schau mir in die Augen, Kleiner: Josep Guardiola und José Mourinho.

(Foto: imago sportfotodienst)

Der eine gilt als Fußball-Philosoph, der anderer als Exzentriker. Wenn der FC Bayern gegen den FC Chelsea um den Supercup spielt, ist das auch ein Duell der Trainer Josep Guardiola und José Mourinho. Bei dem nicht alles so ist, wie es scheint.

Ein Abendessen mit dem König hätte alles ändern können: den Aufstieg des FC Barcelona zum verklärtesten Fußballklub auf diesem Planeten, Josep Guardiolas Karrieresprung vom Novizen zum begehrtesten Trainer im Weltfußball, José Mourinhos Wahrnehmung als bewährtester Provokateur, die spanische Dominanz auf internationaler Ebene, ja sogar die Entwicklung von Lionel Messi zum herausragenden Fußballer der Neuzeit. Ein Abendessen mit Barças Ikone Johan Cruyff war im Sommer 2008 die letzte Bedingung vor der Einstellung. José Mourinho lehnte ab. Und wurde doch nicht Trainer des FC Barcelona.

Auf Umwegen sorgt der exzentrische Starcoach auch dafür, dass fünf Jahre  später vor dem Europäischen Supercup heute Abend in Prag mindestens ebenso viel über das Duell zwischen dem FC Bayern München und dem FC Chelsea diskutiert wird wie über das Nicht-Verhältnis der beiden Trainer. Dass Guardiola im Sommer 2008 beinahe Co-Trainer beim FC Barcelona unter Defensiv-Künstler Mourinho geworden wäre, wie es der Portugiese in seinen weit fortgeschrittenen Verhandlungen mit den Katalanen erwogen hatte, erscheint heute unvorstellbar. Dass Guardiola dann sogar selber Chefcoach wurde, war die "Geburtsstunde einer Feindschaft, die nicht auf dem Mist des Katalanen gewachsen ist", schreibt Dietrich Schulze-Marmeling in seiner schwärmerischen Biographie "Guardiola - der Fußballphilosoph".

"Chelsea hat einen super Trainer - Bayern auch"

Die Ausläufer dieser Feindschaft, die zwischen 2010 und 2012 in ihrer gemeinsamen Zeit in Spanien ihren Höhepunkt erreichte, haben Guardiola über New York bis nach München begleitet. Sie könnten auch in Prag für Turbulenzen sorgen. In dieser Woche waren sie bereits Thema, weil Mourinho pünktlich zum Wiedersehen die Abteilung Attacke wiedereröffnet hatte. "Der FC Bayern des Jupp Heynckes war das beste Team Europas. Jetzt haben sie einen neuen Trainer und neue Spieler - und ich bin nicht mehr sicher, ob sie immer noch so gut sind", lästerte der Portugiese. Für den Exzentriker beginnt ein Fußballspiel nie mit dem Anpfiff - und endet manchmal erst mit dem Finger im Auge eines Kontrahenten.

Freunde fürs Leben? Das lacht er.

Freunde fürs Leben? Das lacht er.

(Foto: imago sportfotodienst)

Und Guardiola? Er ließ verlauten, es sei natürlich in Ordnung, dass über die Rivalität diskutiert werde. Nur für ihn sei "das nicht so wichtig". Dafür ist es ganz sicher imagefördernd. Mourinho ist, wenn man so will, für Guardiola die bestmögliche PR, fast so wie SPD-Herausforderer Peer Steinbrück im Bundestagswahlkampf für Kanzlerin Angela Merkel. Seinen Ruf als höchst sympathischer Fußballphilosoph verdankt der Spanier keineswegs nur den Erfolgen mit dem FC Barcelona, den er mit Offensivfußball auf neuem taktischen Niveau in vier Jahren zu 14 von 18 möglichen Titeln geführt hatte.

Erfolgreich, bescheiden, höflich, taktisch versiert - das sind viele Trainer,  wenn auch nicht immer gleichzeitig. Der wesentliche Unterschied ist: Sie haben nicht José Mourinho zum Feind. Dessen extremer Hang zur Selbstdarstellung, die rotzige Eitelkeit, Vorwürfe und Verschwörungstheorien wirken bisweilen genauso kalkuliert wirkt wie Guardiolas Introvertiertheit. Positiver Nebeneffekt für den Münchner Trainer: Mourinhos vor allem als Real-Coach zelebrierte Fußball-Kriegstreiberei lässt die dunklen Flecken auf Guardiolas weißer Weste verblassen. Dopingsperre in Italien, hoch dotierter Botschafter für die Hitze-WM in Katar, Thiago trotz gegenteiligen Versprechens vom FC Barcelona abgeworben und seinem Bruder Pere einen lukrativen Transferdeal verschafft, seinen Nachfolger bei Barça und guten Freund Tito Vilanova während des Krebstherapie in New York im Stich gelassen - es gäbe manches zu erzählen. Stattdessen spricht Mourinho, nur Guardiola spricht kaum über ihn. Oder er sagt Sätze wie: "Chelsea hat einen super Trainer - Bayern auch."

"Ihre Statistiken sind falsch, sehr falsch"

Guardiola kann es sich leisten zu schweigen. Bei Barcelona sprachen seine Erfolge im Duell mit Mourinhos Real Madrid für ihn, in München tun es die Bayern-Bosse. Präsident Uli Hoeneß zum Beispiel, für den ein erfolgreicher Provokateur wie Mourinho eigentlich der Wunschtrainer sein müsste - der aber auch die Gabe besitzt, den aktuellen Coach für den bestmöglichen zu halten. "Um Längen gewonnen" habe Guardiola das Duell der Trainer bereits in Spanien, sagte Hoeneß der "Sport Bild" und ergänzte süffisant: "Wir haben uns ja nicht um Mourinho bemüht, sondern um Guardiola. Damit haben wir ja eine klare Ansage gemacht."

Dass an Mourinho mehr nagt als die simple Tatsache, einst von einem Trainer-Neuling um den Job beim FC Barcelona gebracht worden zu sein, wurde am Donnerstag in Prag deutlich. Als in der Pressekonferenz seine schwache Bilanz gegen Guardiola angesprochen wurde, verlor der Portugiese die Fassung. "Ihre Statistiken sind falsch, sehr falsch", giftete er und zählte ungefragt seine Erfolge gegen Guardiola auf: "Ich habe mit Inter das Halbfinale der Champions League gewonnen, ich habe das spanische Pokalfinale gewonnen, ich habe den Supercup in Spanien gewonnen, ich war Meister in Spanien. Sie liegen da total falsch."

Die Statistik weist acht zu vier Siege bei fünf Unentschieden aus - für Guardiola, der mit dem schöneren Fußball meist die Oberhand behielt. Zusätzlich dürfte Mourinho wurmen, dass Chelsea-Oligarch Roman Abramowitsch unbedingt den Spanier als neuen Trainer seiner Blues verpflichten wollte. Erst als sich Guardiola für München entschied, durfte Mourinho zurückkehren. Der Fußball, den er Chelsea bislang spielen ließ, war ähnlich ergebnisorientiert wie der von Guardiolas Bayern vor dem Ausrutscher in Freiburg. Vor allem die Nullnummer gegen Meister Manchester United, als Mourinho ohne Stürmer antrat, langweilte alle Beobachter. "Unter dem Strich war Chelseas Fußball in der jungen Saison bislang zu unspektakulär, als dass er mit den Showbiz-Ambitionen des Trainers konkurrieren könnte", schreibt die "Süddeutsche Zeitung".

Mourinho ist das egal, der Presse auch. Als der Portugiese vergangene Woche im Ligaspiel seines FC Chelsea bei Aston Villa den gegnerischen Coach Paul Lambert attackierte und seine vorherige Zurückhaltung ablegte, jubelte der "Daily Mirror": "Willkommen zurück, José. Wir dachten schon, wir hätten dich verloren." Auch wenn Mourinho vor dem Supercup verbal abgerüstet hat, könnte bei einer Niederlage in Prag der nächste Akt der Mou-Festspiele folgen. Aber vielleicht gehen Mourinho und Guardiola auch einfach essen.

Unser Redakteur Christoph Wolf twittert live vom Geschehen in Prag. Folgen Sie uns!

Quelle: ntv.de

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