Gewaltiger Elfer-Ärger zum Start Der VAR bringt nur dem FC Bayern Glück
14.08.2021, 21:07 Uhr
Dayot Upamecano und Marcus Thuram sorgten für Ärger.
(Foto: picture alliance/dpa)
Die Fußball-Bundesliga startet mit einem aufregenden Spiel in ihre neue Spielzeit: Nach einem 90-minütigen Hin und Her trennen sich Borussia Mönchengladbach und der FC Bayern mit einem Unentschieden. Über den Punkt freuen sich beide, den Ärger haben sie vor allem in Gladbach.
Die 59. Bundesliga-Saison startet mit einem Leckerbissen: Borussia Mönchengladbach gegen den FC Bayern, Tradition pur, viele Zuschauer in einem der schöneren Stadien der Liga und ein packendes Spiel, das bis zum Schluss Spitz auf Knopf steht und am Ende 1:1 ausgeht. "Kein typisches 1:1", wie Bayerns Coach Julian Nagelsmann hinterher sagte, weil beide Teams noch drei, vier Tore hätten erzielen können. Zufrieden mit dem Ergebnis sind sie in München, auch die andere Seite ist zufrieden mit dem Punkt. Doch der Ärger nach dem Spiel ist groß. Denn, da besteht ziemliche Einigkeit, Mönchengladbach wurde in der Schlussphase um mindestens einen Elfmeter gebracht.
Da war in der 81. Minute diese Situation: Gladbachs Rechtsverteidiger Stefan Lainer schickte Jonas Hofmann auf die Reise, der Nationalspieler gab den Ball nach innen, wo Stürmer Marcus Thuram einschussbereit gewesen wäre - hätte ihn nicht Bayerns Verteidiger Dayot Upamecano zu Fall gebracht. Neuzugang Upamecano hatte Thuram auf dem Weg zum Tor zunächst mit den Händen am Oberkörper bearbeitet, dazu gab es noch einen Kontakt am Bein, der Thuram schließlich zu Boden brachte. Der fällige Elfmeterpfiff von Schiedsrichter Marco Fritz blieb aus - und zur Verwunderung der meisten Beobachter auch der Eingriff des Video-Schiedsrichters.
"Einfach unfassbar"
Ein Unding, fand der ehemalige Spitzenschiedsrichter Babak Rafati. "Der Verteidiger hindert den Stürmer klar daran, sich in eine aussichtsreiche Position zu bringen. Er hält ihn leicht fest und bringt ihn dadurch aus der Balance. Und dann gibt es noch den Kontakt am Bein. Ich kann verstehen, dass der Schiedsrichter dieses Foulspiel nicht sieht, da er sich auf den ballführenden Spieler konzentrieren muss. Dass aber der Video-Schiedsrichter diese Situation durchwinkt, ist einfach unfassbar. Das kannst du keinem Menschen verkaufen", wütete Rafati gegenüber dem "Sportbuzzer".
"Das ist ja ein klares Tor, wenn Thuram da durch ist. Da muss der VAR eingreifen, dann schaut man 15 Sekunden und dann erkennt man das auch, dass es ein klares Foul ist", schimpfte Gladbachs Kapitän Lars Stindl. "Das ist ein Elfmeter für mich", sagte der Routinier bei DAZN zu der Szene: "Er zieht ihn oben. Er trifft ihn unten. Ja, Wahnsinn. Das Thema machen wir jetzt nicht auf. Vielleicht haben wir nochmal Glück in diesem Jahr und kriegen Elfmeter."
Für ntv.de-Schiedsrichter-Experte Alex Feuerherdt ist die Situation auch völlig klar: "Die erste Szene hätte einen Strafstoß geben müssen", sagte Feuerherdt Sky. Thuram falle in dieser Szene nicht ohne Grund, "auch nicht, weil ihn Upamecano oben ein bisschen gehalten hat, sondern weil er ihm unten ein Bein gestellt hat. Dadurch ist sich Thuram selbst in die Hacken gelaufen und zu Fall gekommen." Sogar Bayern-Spieler Leon Goretzka war verwundert: "Ich glaube, da können wir uns nicht beschweren, wenn der gepfiffen wird." Und Bayerns Trainer Julian Nagelsmann hatte da auch so eine Ahnung, schon bevor er die Bilder gesehen hatte: "Es waren zwei sehr intensive Aktionen mit zwei sehr, sehr robusten Typen", sagte der 33-Jährige. "Wenn so viel darüber diskutiert wird, ist es meistens ein Zeichen dafür, dass man sie geben kann."
"Elfmeter hätte hier nicht gepasst"
Es blieb ja nicht bei der einen - gar nicht so umstrittenen - Szene. Wenige Augenblicke, nachdem sich die erste Gladbacher Empörung auf dem Feld gelegt hatte, lag Thuram schon wieder unmittelbar vor dem Tor der Münchener auf dem Boden, zu Fall gebracht durch Dayot Upamecano. Thuram hatte seinem französischen Landsmann den Ball stibitzt und vor dem Tor behauptet. Und ging dann zu Boden. "Für mich waren es natürlich Elfmeter. Gerade den zweiten kann man geben", sagte der Flügelspieler, der die Szene von der Seitenlinie aus verfolgte: "Ich sehe einen Kontakt von der Bank aus. Ich glaube, wenn der Schiri da auf Elfmeter entscheidet, dann bleibt der auch stehen", beschrieb Gladbachs ausgewechselter Flügelstürmer Patrick Herrmann den Zweikampf.
Aber Fritz pfiff nicht, auch aus dem Kölner Keller kam kein Signal. Wieder zum Ärger nicht nur der Gladbacher, sondern auch von Ex-Top-Schiedsrichter Rafati. "Der Verteidiger ging bewusst das Risiko ein, den Angreifer im Strafraum zu berühren. Er trifft ihn klar, dadurch kommt Thuram zu Fall - auch ein klarer Elfmeter, da muss eingegriffen werden. Man muss sich in solchen Situationen auch immer fragen, warum sich der Stürmer in einer so guten Position einfach fallen lassen sollte", so Rafati. Stindl kommentierte einigermaßen gefasst: "Es ist schwierig, jetzt für mich etwas zu sagen. Auch ohne Gladbach-Brille kann man zweimal Elfmeter geben."
Ex-Bayern-Profi Sandro Wagner legte sich als Experte des übertragenden Senders DAZN fest: "Ich fand den Ersten klarer, aber ja, das reicht auch. Den Ersten fand ich klarer, aber sagen wir es mal so: Sehr, sehr, sehr viel Glück für den FC Bayern München in den zwei Situationen”, befand der ehemalige Nationalspieler. "Der Erste ganz klar, der Zweite: Tendenz auch klar. Ich verstehe einfach nicht, warum sich das der Schiedsrichter nicht nochmal anschaut."
"Finde ich schon fragwürdig"
Grundsätzlich wurde Jonas Hofmann, der mit seiner Flanke die erste strittige Szene eingeleitet hatte. "Ich habe nicht mal gesehen, dass er sich ans Ohr gegriffen hat, dass er irgendeinen Hinweis bekommt. Das finde ich dann schon ein bisschen fragwürdig, und das stellt natürlich generell wieder den Video Assistent infrage", meinte der Offensivspieler bei Sat.1. Es sei "schon bitter, wenn man in die Kabine kommt, aufs Handy schaut und etliche Nachrichten liest, in denen steht, dass es zwei klare Elfmeter gab", ärgerte er sich nach der Partie bei Sport1 weiter.
Auch Borussen-Trainer Hütter wunderte sich: "Marco Fritz musste sich auf den Video-Schiedsrichter Köln verlassen. Es ist komisch, dass er ihn nicht nach draußen geschickt hat, um die Szene anzusehen. Aber jammern bringt jetzt nichts, er hat ihn nicht gegeben." Nagelsmann wollte beim Zweifel am VAR nicht mitgehen: "Ich glaube, wenn wir einen Videobeweis haben, ist es schon gerecht. Durch die Zuschauer ist die subjektive Wahrnehmung noch ein bisschen extremer", sagte Nagelsmann.
Hütter holte sich nach dem ersten nicht gegebenen Elfmeter die Gelbe Karte ab, beruhigte sich aber schnell wieder. "In der Hitze des Gefechts habe ich die Gelbe gesehen, vielleicht versteht man da aber die Gedanken des Trainers, wenn man beinahe noch den Siegtreffer hätte erzielen können. Ich habe mich aber beim Vierten und beim Schiedsrichter entschuldigt, wenn ich jetzt in die Kabine gehen würde, könnte ich schon mit ihm einen Kaffee trinken."
Hütter, der zum ersten Mal als Trainer von Borussia Mönchengladbach in der Bundesliga an der Linie stand, wollte sich sein Liga-Debüt aber auch nicht zu arg trüben lassen: "Es war teilweise schon ein Ritt auf einer Rasierklinge, weil beide Mannschaften einfach immer nach vorne gespielt haben, aber mir haben viele Sachen gut gefallen", sagte der Vorarlberger im ARD-Interview. "Geiles Fußballspiel, finde ich." Und Stindl jubilierte, nachdem er die beiden bitteren Szenen weganalysiert hatte, er habe "ein Feuerwerk" erlebt und sagte: "Von der Laufarbeit, von der Einstellung, vom Publikum, war das endlich mal wieder ein richtig geiler, gelungener Abend im Borussia-Park." Trotz des Ärgers.
Quelle: ntv.de, ter