Fußball

Julian Gressels MLS-"Wahnsinn"Der Viertliga-Kicker, der nun Lionel Messi dient

12.05.2024, 17:59 Uhr
imageVon Heiko Oldörp 
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Julian Gressel spielt an der Seite von Lionel Messi und findet das einfach nur "Wahnsinn". (Foto: IMAGO/USA TODAY Network)

In Deutschland hat Julian Gressel kein Spiel in den höchsten drei Ligen absolviert. In der Major League Soccer hingegen lebt der Franke in dieser Saison seinen großen Fußballer-Traum - denn er spielt zusammen mit Lionel Messi bei Inter Miami.

Wenn Julian Gressel derzeit über seinen Alltag spricht, benutzt er oft ein Wort. Ein Wort, das mehr aussagt, als so mancher langer Satz. "Wahnsinn." Im Gespräch mit ntv.de fällt es immer wieder. Dazu kommt ein lächelnder, mitunter sogar schelmischer Gesichtsausdruck. Vielleicht gucken ja genau so Lottogewinner.

Und Julian Gressel ist quasi eine Art Lottogewinner. Nicht finanziell, aber sportlich gesehen. Er spielt zwar schon seit 2017 in Nordamerikas Fußball-Profiliga Major League Soccer - und er hat 2018 und 2023 sogar schon zweimal die hiesige Meisterschaft gewonnen. Doch diese Saison ist anders. Ganz anders. Denn Gressel trägt in dieser Spielzeit das pinkfarbene Trikot von Inter Miami. Und Inter Miami hat Lionel Messi. Somit ist Mittelfeldmann Gressel in Miami der Mann hinter Messi. Wahnsinn.

Vom Viertliga-Kicker zum Messi-Mitspieler

"Leo", sagt Gressel, komme "normal rüber", sei "ein netter Typ." Es klingt fast so, als spräche er nicht über den vielleicht besten Spieler der Fußball-Geschichte, sondern über einen seiner ehemaligen Teamkollegen beim FC Eintracht Bamberg. Für den fränkischen Verein hatte Gressel in der Saison 2012/13 insgesamt 32 Partien in der Regionalliga Bayern absolviert.

Die Gegner hießen unter anderem FV Illertissen, SV Seligenporten oder auch SC Eltersdorf. Vierte Liga. Deutscher Amateurfußball, maximal Halb-Profitum. Zu mehr hatte es in der Heimat für ihn nicht gereicht. Und jetzt jettet dieser Julian Gressel aus Neustadt an der Aisch trotzdem mit Lionel Andres Messi durch Nordamerika und, wie in der Saisonvorbereitung mit Testspielen in Saudi-Arabien, Hongkong und Japan, sogar um die Welt.

Als er darüber nachdenkt, kommt unweigerlich wieder dieses Lotto-Gewinner-Grinsen in sein Gesicht. "Wahnsinn, wie er spielt", sagt Gressel über Messi. Natürlich sind in den vergangenen knapp zwei Jahrzehnten auch schon Millionen anderer Menschen zu dieser Erkenntnis gekommen. Zu oft hatte der Rastelli aus Rosario schließlich unglaubliche, unvergleichliche und unvergessliche Auftritte.

Er zaubert, brilliert, unterhält

Und er bietet auch in der sicherlich eher zweitklassigen MLS den Zuschauern mit seinen 36 Jahren immer noch das, was sie für ihr Eintrittsgeld erwarten. Er zaubert, brilliert, unterhält - vor mitunter mehr als 70.000 Fans in riesigen American-Football-Stadien, in die die Vereine extra seinetwegen ausweichen. Der 1,70 Meter große Ausnahmefußballer hat zwischen Washington und Vancouver eine regelrechte Messi-Mania ausgelöst.

Und Gressel erlebt all dies nicht vor dem Fernseher mit, auch nicht vom Sitzplatz im Stadion aus oder durch irgendwelche Erzählungen. Nein, er ist immer und überall hautnah dabei. Messi auf dem Rasen. Messi in der Kabine. Messi im Hotel, im Bus, im Flieger. "Das ich so einen Platz in der ersten Reihe habe, ist speziell", sagt der 30-Jährige mit einem Hauch von Dankbarkeit in der Stimme.

Der blonde Deutsche ist bei Inter Miami eine Art Bindeglied zwischen den Stars - neben Messi sind dies Spaniens Ex-Weltmeister Sergio Busquets, dessen Landsmann Jordi Alba und Uruguays Stürmer-Oldie Luis Suárez - und den jüngeren Akteuren. Denn Gressel kennt Land und Liga mittlerweile bestens. 2013 kam er aus der Regionalliga Bayern in die USA, spielte zunächst vier Jahre für die Universitätsmannschaft des Providence College in Rhode Island. Dann folgte der Wechsel zu Atlanta United in die MLS.

Amerikas attraktivste Soccer-Adresse

Sein damaliger Atlanta-Trainer ist auch sein jetziger Coach in Miami: Gerardo, "Tata" Martino. Der 61-Jährige trainierte Messi 2013/14 beim FC Barcelona - und anschließend drei Jahre bei der Argentinischen Nationalmannschaft. Dass sie nun alle in Miami sind, die Gressels, Martinos, Suarez, Busquests' und Albas, liegt einzig und allein an Messi. Er hat den Verein durch seinen Wechsel im vergangenen Sommer zur attraktivsten Soccer-Adresse der USA gemacht - für Spieler und Fans.

Doch Gressel sieht und erlebt natürlich auch den Messi, den andere nicht sehen. Wie er sich in der Umkleide gibt, in der Teambesprechung, auf der Fahrt zum Stadion. Also dann, wenn keine Kameras und Mikrofone dabei sind. Und deshalb weiß er, "wie berührt" der Superstar ist, "von diesen Leuten, die ihm zurufen, die vor dem Hotel auf ihn warten." Messi, so Gressel, lächele immer, wisse das alles "schon zu schätzen". Keine Starallüren, keine Arroganz, kein blindes Starren aufs eigene Handy.

Scherze ja, Sticheleien wegen WM-Finale 2014, nein

Und ansonsten sei der achtmalige Weltfußballer des Jahres "ein ganz normaler Mensch", sagt Gressel. Einer, der Scherze mache und den er auch mal "ein bisschen sticheln" könne. Allerdings nicht mit dem verlorenen WM-Finale 2014 gegen Deutschland. Auf die 0:1-Niederlage nach Verlängerung am 13. Juli 2014 in Maracana von Rio reagiere Messi immer noch empfindlich, betont Gressel. Und das, obwohl er Argentinien 2022 in Katar zum lang ersehnten WM-Titel führen konnte.

Miami ist nach zwölf Spielen Tabellenführer der MLS, Messi und Suarez führen gemeinsam mit je zehn Treffern die Torschützenliste an. Und es würde kaum jemanden überraschen, wenn der Klub von Miteigentümer David Beckham im Herbst Champion werden würde. Für Gressel wäre es die dritte MLS-Meisterschaft. Sollte es tatsächlich so kommen, wäre der Mann, der es einst in Deutschland nicht über die vierte Liga hinaus schaffte, in Nordamerika genauso erfolgreich wie Franz Beckenbauer, der mit Cosmos New York in der MLS-Vorgängerliga NASL dreimal Meister geworden war. Wahnsinn.

Quelle: ntv.de

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