PSGs Gigantenprojekt versinkt Die letzte Chance des Monsieur Provocateur Mbappé
07.05.2024, 07:23 Uhr
Kylian Mbappé will sich seinen Traum mit PSG in der Champions League erfüllen.
(Foto: IMAGO/Uwe Kraft)
Kylian Mbappé trägt die Hoffnungen von Paris St. Germain. In der Champions League soll endlich der Titel her, die absurden Summen für Superstars sich endlich auszahlen. Es ist auf absehbare Zeit die wohl letzte Chance für PSG. Denn im Sommer kommt der große Bruch.
Was hatten sie in Dortmund nur für Sorgen: Kylian Mbappé war in der Stadt, der Superstürmer, der stürmende Superdinge veranstalten kann. Der so schnell ist, dass man manchmal gar nicht mitbekommt, dass er nicht mehr da ist, wo er den Sekundenbruchteil zuvor gewesen war. Eine Drehung, eine Körpertäuschung - und zack weg ist er! Den 25 Jahre alten Franzosen darf man niemals, NIEMALS, auch nur seine Sekunde aus dem Auge lassen. Also taten die Borussen genau das. Immer stand einer da, wo Mbappé war oder hin wollte. Nur einmal, da hatten sie die Leine ein bisschen zu lang gelassen. Und zack, sofort wurde es gefährlich. Mbappé schoss an den Pfosten.
Oft kommen solche Spiele nicht vor, in denen der Franzose blass bleibt und vom gegnerischen Kollektiv eiskalt abgekocht wird. Deswegen darf man den Auftritt des Stürmers von Paris St. Germain durchaus als Warnung für das Halbfinal-Rückspiel der Champions League verstehen. An diesem Dienstagabend treffen Borussia Dortmund und das Luxusensemble aus der französischen Hauptstadt nämlich erneut aufeinander (21 Uhr/Amazon Prime Video und im ntv.de-Liveticker). Und die Hypothek für die Gastgeber ist überschaubar schwer. Mit einem knappen 1:0-Vorsprung reisen die Schwarzgelben an - und sind sich sehr klar darüber, was ihnen im Prinzenpark droht: "Das wird noch ein bretthartes Ding", sagt Abwehrchef Mats Hummels, der im Hinspiel überragend stark war. Was Mbappé nicht gefallen konnte. Und Stürmer Niclas Füllkrug beschwört die Bereitschaft zu "maximaler Leidensfähigkeit". Was Mbappé sicher verursachen will.
"Mbappé kannst du nicht ganz ausschalten"
Tatsächlich war der Eindruck nach dem mitreißenden Schlagabtausch am vergangenen Mittwoch folgender: Der BVB hatte nah am Maximum agiert, ein bisschen fahrig in der letzten Konsequenz, insgesamt war das allerdings schon eine ganz große Leistung gewesen. Aber der Eindruck war eben auch: Bei PSG ist reichlich Luft nach oben. Außer ein paar tollen Dribblings von Ousmane Dembélé und 10 bis 15 dominanten Minuten nach der Pause war da nicht viel gewesen, was die Dortmunder in akute Gefahr gebracht hatte. Aber eben diese Minuten haben durchaus Eindruck gemacht. Wenn PSG den Druck erhöht, wenn PSG das absurde Tempo ausspielen kann, dann herrscht Daueralarm beim Gegner. Über 90 Minuten ist der Widerstand gegen diesen Druck kaum zu halten.
Was also tun? Die eher anfällige Defensive, die mit Weltmeister Lucas Hernández noch einen bitteren Ausfall (Kreuzbandriss) zu verkraften hat, selbst unter Druck setzen? Oder die volle Konzentration auf das Spiel gegen den Ball richten? Wie immer liegt die Lösung in der Mitte. Was passieren kann, wenn man zu zaghaft, ja zu ängstlich spielt, das hat das Gruppenspiel zwischen beiden Kontrahenten im auslaufenden Spätsommer böse gelehrt. Phasenweise glich das Duell einer Vorführung für die Schwarzgelben, die mit dem 0:2 noch gut wegkamen. "Wir müssen auf der Hut sein, dass wir nicht zu viel riskieren, sonst laufen wir in Konter", riet Nico Schlotterbeck. "Wir dürfen auch nicht zu nervös sein, das kann dir das Genick brechen." Ganz egal, wie der BVB das Spiel aber auch angeht, eine Sache ist klar: "Mbappé kannst du nicht ganz ausschalten - das ist ein Ausnahmespieler."
Mbappés beeindruckende Zahlen
Um ihn im wahrsten Wortsinn zu bremsen, braucht es erneut eine Monsterleistung der Abwehr um Hummels und Schlotterbeck. Wie im Hinspiel. Und die Dortmunder dürfen davon ausgehen, dass der Stürmer die Sache mit größter Ernsthaftigkeit angehen wird. Auf seinen Schultern lastet der Druck des katarischen Milliardenprojekts. Seit 2011 flossen absurdeste Summen in den Kader, einzig mit dem Ziel, die Champions League zu gewinnen. Das gelang weder mit Zlatan Ibrahimović noch mit Neymar und auch nicht in der Kombination mit dem Brasilianer, mit Lionel Messi und eben Mbappé. Bis auf den Superstürmer sind alle andere Superstars weg. Und auch den Turboangreifer zieht es weiter. Im Sommer soll er nach einem ewigen und bisweilen absurden und kaum noch erträglichen Theater aus Provokationen, Streit und Versöhnung mit den PSG-Bossen zu Real Madrid wechseln.
In Paris endet dann eine Zeit, die von einer verzweifelten Sehnsucht getrieben ist. Ohne die ganzen Giganten wird das Projekt Henkelpott (vorerst) außer Reichweite gelangen, auch wenn der Kader immer noch top besetzt ist. Mit den jungen Hoffnungsträgern Warren Zaire-Emery (18, Marktwert liegt schon 60 Millionen Euro), Lucas Beraldo, Bradley Barcola, Nuno Mendes oder Goncalo Ramos. Und den etablierten Kräften wie Ousmane Dembélé, Vitinha, Marquinhos oder Achraf Hakimi. Alles noch durchaus klangvoll, aber nicht mehr so herausragend, wie die großen Rivalen aus der englischen Premier League oder dann eben Madrid. Nun will sich Mbappé in der Metropole noch den Ewigkeitsstatus sichern. Würde die Silberware wirklich in Paris landen, wäre sie auf ewig mit seinem Namen verbunden. In dieser Saison hat er in 45 Spielen 43 Tore geschossen, acht davon in der Königsklasse. Und dass der Weg durch diesen Wettbewerb noch nicht vorbei ist, hatte er unmittelbar nach dem Hinspiel in aller Deutlichkeit zum Ausdruck gebracht: "Mi-temps", schrieb er bei Instagram. "Es ist erst Halbzeit!"
"Ein gelbes Inferno für Mbappé"
An der maximalen Ernsthaftigkeit des Unterfangens, sich bei Paris St. Germain unsterblich zu machen, braucht man angesichts seiner Statistiken nicht den Hauch zu zweifeln. Auch wenn die Presse nach dem schwachen Auftritt in Dortmund über den Star herfiel. An solch einem Abend den begehrtesten Spieler der Welt "weder strahlend noch entscheidend" zu sehen ("L'Equipe"), war nicht nur für abermals enttäuschten PSG-Projektleiter Nasser Al-Khelaifi auf der VIP-Tribüne schwer zu verkraften. Die Sportzeitung nahm die Leistung des 25-Jährigen gnadenlos auseinander: 16 Ballverluste und zwei erfolgreichen Dribblings - von acht Versuchen. Dem gegenüber stand BVB-Flügelstürmer Jadon Sancho, der zwölf erfolgreiche Dribbling hatte. Mehr hatte vor ihm nur einer geschafft: Lionel Messi (16). "Ein gelbes Inferno für Mbappé, der gegen eine Wand kracht", kommentierte die spanische Sportzeitung "AS", und in der Heimat sah "Le Parisien" PSG "weit vom Traum entfernt".
Doch den will Mbappé sich nicht nehmen lassen. Diese turbulente Beziehung soll mit dem größten Glück enden. "Ich träume davon, die Champions League mit Paris zu gewinnen", hatte Mbappé nach dem Viertelfinalsieg gegen den FC Barcelona verkündet. "Für diesen Verein zu spielen, ist etwas Besonderes. Ich bin hier aufgewachsen. Solche Abende als Pariser zu erleben, ist etwas Großes", sagte Mbappé. Es sind Sätze, die nicht immer mit seinem Verhalten in Einklang zu bringen sind. Immer wieder hatte der Klub mit Wechselabsichten provoziert. Immer wieder hatte er sich seinen Verbleib teuer bezahlen lassen. Seit Mitte Februar dann durchsickerte, dass Mbappé seinen Vertrag wirklich nicht mehr verlängern wird, ist die einst heiße Liebesaffäre endgültig erkaltet.
Ultras fordern: Muss mit Höhepunkt enden
305 Pflichtspiele hat der Stürmer für Paris absolviert, dabei 255 Tore geschossen und 108 Treffer vorbereitet. So oft war er nicht aufzuhalten gewesen. Und diese Geschichte soll nun erneut erzählt werden, ein vorletztes Mal. Doch bevor es um alles geht, bekam Mbappé eine kleine Ablenkung, bei einer Werbeveranstaltung seines Ausrüsters auf dem Champs Élysées. "Ich habe oft die gleiche Warnung von den Kindern bekommen. Ich habe häufig 'Du musst gewinnen!' gehört", sagte Mbappé: "Und sie haben recht. Wir müssen gewinnen." Es laste "viel Druck" auf ihm und der Mannschaft, das gelte "umso mehr, "wenn man die Vergangenheit dieses Vereins in diesem Wettbewerb kennt." Es ist die letzte Chance, weniger für den Fußballer Mbappé, der bei Real (wenn es denn so kommt, wie alle erwarten) immer große Titel gewinnen kann, als für PSG und den Unsterblichkeitsstatus des 25-Jährigen in seiner Heimat, ehe die Zeit der großen Giganten an der Seine versinkt.
Es sei eines "der wichtigsten Spiele in der Geschichte unseres Vereins", schrieben die Ultras der Pariser in einem Aufruf an alle Fans, die Mannschaft zu unterstützen: "Dieses von einem ganzen Volk lang ersehnte Rückspiel muss mit einem Höhepunkt enden." Mbappé kündigt an: "Wir sind sicher, dass wir das Spiel drehen und uns für das Finale qualifizieren werden."
Quelle: ntv.de