Fußball

Krisen-Statement von Schalke 04 Der nicht zu fassende Einbruch des Hamburger SV

Davie Selke und seine Hamburger haben das Siegen verlernt.

Davie Selke und seine Hamburger haben das Siegen verlernt.

(Foto: IMAGO/RHR-Foto)

Eine Punkteteilung hilft in der Krise normalerweise keinem Klub. Aber der FC Schalke 04 kann mit dem 2:2 beim Hamburger SV sehr gut leben, weil die Mannschaft Moral zeigt. Anders die Gastgeber, bei denen sich die Lage weiter zuspitzt. Der Trainer wirbt indes für sich.

Eigentlich war alles bereitet, um der Krise einen mächtigen Tritt in den Hintern zu verpassen. Der Hamburger SV war im Duell der taumelnden Traditionsvereine auf dem besten Wege, sich selbst zu erlösen und den Druck von Trainer Steffen Baumgart zu nehmen. Zumindest ein bisschen. Der war in den vergangenen Tagen medial angezählt worden. Sieg oder Arbeitsamt, auf diese kurze und radikale Formel ließ sich die Stimmung um den Coach verdichten. Nun hat das alles nicht geklappt. Nicht der Tritt in den Hintern, nicht die Erlösung, nicht der Sieg. Vor eigenem Publikum verspielte der HSV eine 2:0-Führung und teilte am Ende die Punkte (2:2).

Bleibt die Frage: Was wird nun aus Baumgart? Muss der als riesiger Hoffnungsträger im Februar dieses Jahres angetretene Trainer nun schon wieder den Hut, Pardon, seine Mütze nehmen? Und was dann? Wer soll das Ruder übernehmen und die große Sehnsucht nach der Rückkehr in die 1. Liga stillen? Gute Frage. Zu viele Trainer hat der HSV in den vergangenen Jahren gefressen, darunter bekannte Namen. Namen, die woanders erfolgreiche Arbeit geleistet hatten. Wie die "Bild" berichtet, wollen die HSV-Bosse an diesem Sonntag eine Entscheidung treffen. Am Vormittag soll es zu einem Treffen zwischen Sportvorstand Stefan Kuntz, Sportdirektor Claus Costa und dem Coach kommen. Der "Kicker" schreibt, dass der HSV einen Abend erlebt hat, der "wenig Fantasie" für das Festhalten an der personellen Situation lässt.

Baumgart selbst geht offenbar nicht von einer Entlassung aus und betrieb nach der großen Enttäuschung am Samstagabend, die die Fans mit wütenden Pfiffen quittierten, reichlich Eigenwerbung. Bei Sky sagte er: "Ich fühle das absolute Vertrauen. Ich fühle mich stark genug, die Situation zu lösen." Dass seine Bosse um Stefan Kuntz nicht reden wollten, wollte er nicht als schlechtes Zeichen werten: "Dass sie vielleicht mal die Emotionen rausnehmen wollen, ist doch auch klar."

Dicker Schalke-Bock hilft dem Hamburger SV

Es gibt viel zu analysieren in Hamburg. Und zu hinterfragen. Etwa ob Baumgarts Meinung, dass die Leistung der Mannschaft in der ersten Halbzeit "sehr, sehr gut" gewesen sei, mehrheitsfähig ist. Die erste halbe Stunde war eigentlich eher zäh. Der HSV war zwar am Drücker, aber die Angriffsversuche waren zaghaft und konnten von den taktisch sehr disziplinierten Gästen gut verteidigt werden. Und so brauchte es einen Freistoß, um die Schalker zu knacken. Marco Richter setzte den Schuss gegen die Laufrichtung von Justin Heekeren an und traf (29.). Und es dauerte nur Sekunden, ehe es 2:0 stand. Ransford-Yeboah Königsdörffer schnappte sich einen katastrophalen Rückpass von Ron Schallenberg auf Torwart Justin Heekeren und schob lässig ein.

Das Stadion bebte vor Glückseligkeit. Mit tüchtiger Anschubhilfe des Gegners war der Hamburger SV plötzlich aus dem Stillstand losgerast. Wer hätte in diesem Moment noch auf Schalke gesetzt, dass ja selbst tief in der Krise steckt und sich am vergangenen Spieltag mit einem Sieg gegen Jahn Regensburg gerade mal ein kleines bisschen Luft verschafft hatte. Die Mannschaft wirkte bisher auch unter dem neuen Trainer Kees van Wonderen noch nicht stabil und ihren Abläufen gefestigt. Wie also sollte hier die Wende herbei? In diesem tobenden Kessel, der Fußball-Romantikern schmerzhaft vorhielt, wie sehr diese Klubs der 1. Bundesliga atmosphärisch fehlen.

Nun, in der Kabine der Gäste knallte es offenbar zur Halbzeit: "Ich musste in der Halbzeit laut werden, die Truppe wachrütteln", sagte Kapitän Kenan Karaman am Sky-Mikrofon: "Die Reaktion war gut. Es ist nicht leicht, so in Hamburg zurückzukommen. Darauf sollten wir aufbauen, wir nehmen den Punkt gerne mit." Schalke erhöhte nach dem Pause den Druck, verstärkte das Pressing. Und hatte schnell Erfolg. Der ehemalige Nationalspieler Amin Younes drückte den Ball nach einem unsauber geklärten Ball von HSV-Kapitän Sebastian Schonlau über die Linie (57.). Und sofort kippten Stimmung und Kraftverhältnisse. Die Angst vor dem nächsten Misserfolg schlich sich sofort in die Knochen der Hamburger. Die wackelten tüchtig. Und die Schalker wurden besser und besser. Nach dem Abseitstreffer durch Moussa Sylla sorgte Karaman am Ende eines blitzsauberen Angriffs über die linke Seite für den Ausgleich, der war zu diesem Zeitpunkt absolut verdient (74.). Baumgart drehte wütend ab.

"Haben im Moment Scheiße an den Hacken"

Und fast wäre es noch schlimmer gekommen. Karaman ließ vier Minuten später die Topchance zum 3:2 liegen. Er zögerte beim Abschluss zu lange und legte den Ball dann aus kurzer Distanz am langen Pfosten vorbei. Dann schüttelte sich der HSV nochmal und hatte selbst zwei gute Gelegenheit durch Silvan Hefti. Doch beide Mal konnte Keeper Justin Heekeren stark retten. In der hitzigen Schlussphase sah Schalkes Torwarttrainer Stephan Loboué noch glatt Rot. Er schoss einen Ball von draußen ins Spielfeld (86.).

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Die Situation der Hamburger, die nur noch Tabellensiebter der 2. Fußball-Bundesliga sind, beschrieb Baumgart mit deutlichen Worten: "Wir haben im Moment Scheiße an den Hacken." Auf dem Feld und auch daneben. Mit Ludovit Reis und Robert Glatzel fehlen seit Wochen zwei nicht zu ersetzende Leistungsträger. Das erklärt einiges, aber nicht alles. Nicht, warum die Mannschaft so eingebrochen ist. Nach der "sehr, sehr guten" Leistung in den ersten 45 Minuten Hälfte habe es aber zeitweise "sehr wild ausgesehen", befand Baumgart dann auch weiter. Ähnlich sah es Davie Selke, der nach 2:0 einen Ball nicht unter Kontrolle brachte und so die Chance auf das mögliche 3:0 liegen ließ: "Es war eine sehr, sehr gute erste Halbzeit. In der zweiten haben wir 30 Minuten kein gutes Gesicht gezeigt. Das Ergebnis ist enttäuschend. Wir müssen das ansprechen und aufarbeiten." Dass der angezählte Trainer das Ruder noch rumreißen könne, glaube er "zu 100 Prozent", sagte Selke.

Besser war die Stimmung bei den Schalkern. Besonders bei van Wonderen, der ja selbst schon, kaum im Amt, heftig im Wind stand und Gerüchte über eine Blitzentlassung über sich lesen musste: "Ich bin stolz, wie sich die Mannschaft in der zweiten Halbzeit präsentiert hat. Wenn du innerhalb weniger Augenblicke zwei Gegentore kassierst, dann ist es ein starkes Zeichen, mit dieser Einstellung und Moral auf den Platz zurückzukommen."

Quelle: ntv.de, tno

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