Milliardenschwer, aber kein Gewissen Die Fifa bleibt schamlos
04.03.2011, 10:02 UhrDer Fußball-Weltverband Fifa vermeldet prächtige Geschäftszahlen, allein im WM-Jahr steigt das Vermögen um 202 Millionen Dollar. Das könnten gute Nachrichten sein, wenn die Fifa die massiven Korruptionsvorwürfe rund um die WM-Vergaben inzwischen aufgeklärt hätte. Das hat man jedoch gar nicht mehr vor, teilt Fifa-Boss Joseph Blatter ungeniert mit.

Geld macht Joseph Blatter glücklich. Davon hat die Fifa mehr als genug. Dafür ist Glaubwürdigkeit Mangelware.
(Foto: dpa)
Bekanntlich gilt die Fifa offiziell als nicht-gewinnorientiert. Nun hat sie bekannt gemacht, dass sie trotzdem im Geld schwimmt. Weil der Fußball-Weltverband also steinreich ist und immer reicher wird, obwohl er doch gar nicht profitorientiert arbeitet und deshalb steuerbefreit ist, wird das Wort Gewinn in den Bilanzen liebend gern vermieden. Deshalb verkündete die Fifa in ihrem aktuellen Finanzbericht auch keinen exorbitanten Gewinn, sondern nur einen üppigen Überschuss. Der belief sich für die Jahre 2007 bis 2010 trotz Weltwirtschaftskrise auf prächtige 631 Millionen US-Dollar (452 Millionen Euro), weil die Fifa von den eingenommenen 4,189 Milliarden Dollar nur 3,558 Milliarden wieder ausgab.
Allein das WM-Jahr 2010 mit der Premieren-Endrunde in Südafrika brachte ein Plus von 202 Millionen Dollar in die Kassen. Die sind inzwischen mit Geldreserven von 1,28 Milliarden Dollar gefüllt, weshalb sich Fifa-Präsident Joseph Blatter bei der Vorstellung am Donnerstag in Zürich gar als "den glücklichsten Menschen des heutigen Tages" bezeichnete. Soviel Freude hat die unbeliebte Fifa ihrem noch unbeliebteren Schweizer Patron schließlich schon lange nicht mehr gemacht.
Noch glücklicher wird Blatter machen, dass seine Fifa auch mit den beiden Weltmeisterschaften 2018 in Russland und 2022 in Katar ein sattes Plus einstreichen wird: Das Exekutivkomitee verabschiedete die abgeschlossenen Fernsehverträge in Höhe von 1,7 Milliarden Dollar - nur für den Nahen und Mittleren Osten und auserwählte Gebiete in Asien und Lateinamerika. Diese Summe garantiert nach Fifa-Angaben Mehreinnahmen im Vergleich zu den Endrunden-Turnieren 2010 und 2014 in Höhe von 90 Prozent.
Genug Geld für Tortechnik
Damit steht zumindest fest, dass sich die Fifa bei ihrer Ablehnung von Torlinien-Technologie nicht mehr auf das - ohnehin fragwürdige - Argument der zu hohen Kosten stützen kann. Wenn der Weltverband technische Hilfsmittel wirklich will, wird er sie auch problemlos bezahlen können. Über die Einführung von Techniken wie Torkameras oder den Chip im Ball berät am Samstag - wieder einmal - das für Regeländerungen zuständige International Football Association Board (Ifab). Revolutionäres aus Wales ist nicht zu erwarten - zumal Blatter vorab kaum Chancen für die Einführung technischer Hilfsmittel im Fußball erkennen mochte und die Entscheidung des Ifab damit bereits in eine Richtung beeinflusst, die den Technikfeinden der Fifa nicht ungelegen kommen würde.

Ein WM-Treffer, der nicht zählte: Englands vermeintlicher 2:2-Ausgleich ging als "Phantomtor zu Bloemfontein" in die Fußballgeschichte ein.
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Dass sich Blatter noch im Sommer, nach dem "Phantomtor zu Bloemfontein", sehr wohlwollend zu technischen Hilfsmitteln geäußert hatte, ignoriert er inzwischen wieder. Es war wie so nur ein Placebo für die empörte Öffentlichkeit, das er nun nicht mehr für nötig hält. Ganz offensichtlich fühlt sich der seit der skandalösen WM-Vergabe an Russland und Katar Anfang Dezember 2010 auf Vereins- und Verbandsebene sowie in den Medien vollkommen zu Recht massiv kritisierte Fifa-Boss inzwischen wieder stark genug, um Kritik an ihm einfach zurückzuweisen.
Märchenstunde mit Gebührengeldern
Erstaunlich ist dabei nicht die Chuzpe Blatters, der wie ein Hütchenspieler virtuos Ursache und Wirkung, Täter und Opfer, Fakten und Fiktion zu vertauschen weiß. Erstaunlich ist, dass sich auch außerhalb der Schweiz Medien finden, die bereitwillig den Steigbügelhalter für den Schweizer Märchenonkel spielen. Aktuell durfte er im öffentlich-rechtlichen ZDF, wenn auch leicht verspätet, jene harsche Kritik von Bayern-Präsident Uli Hoeneß zurückweisen, die dieser bereits vor zwei Monaten an Blatters Fifa geäußert hatte.
Anfang Januar hatte Hoeneß erklärt, mit der von Bestechungsaffären überschatteten WM-Vergabe an Russland (2018) und Katar (2022) und dem korrupten Verhalten einiger Mitglieder (Musterbeispiel: Ricardo Teixeira) schädige die Fifa das Image des Fußballs. Blatter attestierte er, "die Dinge nicht mehr im Griff" zu haben. Zudem unterstellte er den Fifa-Funktionären unverblümt Bestechlichkeit: "Es ist ein Skandal, wie dort die Dinge ablaufen. Offensichtlich hat heutzutage nur noch eine Bewerbung Erfolg, wenn zusätzlich Zahlungen unter dem Tisch gemacht werden."
Gegenüber dem ZDF wies Blatter die Vorwürfe nun beleidigt zurück. "Was Hoeneß gesagt hat, da ist natürlich ein Unterton drin, mit einem Angriff auf die Integrität einer Person", stellte er überraschend hellsichtig fest. Die Chance zur Selbstkritik ließ er jedoch ungenutzt verstreichen, er barmte nur: "Eigentlich verdient er dafür eine Gelbe Karte, die sehr nach orange aussieht."
Immerhin beantwortete Blatter damit indirekt die Hoeneß-Frage eindeutig, ob das bei der Fifa "alles so weitergehen kann". Die Antwort lautet: Ja! Denn die Bestechlichkeitsaffäre rund um das Exekutivkomitee ist für den 74-Jährige beendet, wie er nicht ohne Pathos und mit Rückgriff auf die beliebte "Alles nur eine Medien-Verschwörung"-Strategie wieder einmal betonte: "Das ist eine erledigte Sache, das sind besessene Journalisten, die immer wieder mit der gleichen Sache zurückkommen. Die sollen besessen bleiben. Wir gehen vorwärts."
Politischer Gegenwind in der Heimat

Replik auf vier Seiten: Roland Büchel kommentiert in seinem offenen Brief die Blatter-Behauptung, es gebe keine systematische Korruption in der Fifa.
Blatter weiß nur zu gut: Externe Ermittler sind trotz mannigfaltiger Belege gegen hochrangige Fifa-Funktionäre machtlos, da der Fußball-Weltverband als Sportorganisation vom Schweizer Korruptionsstrafrecht nicht erfasst ist. Deshalb kann Blatter wider besseres Wissen auch ungeniert behaupten, in der Fifa gebe es keine systematische Korruption. Genau das will der Schweizer Politiker Roland Büchel ändern und das hat er Blatter in einem geharnischten offenen Brief ("Internationale Sportfunktionäre sind schwer korrupt", als pdf) auch mitgeteilt. Büchel weiß um die Dringlichkeit. Bis zu deren Konkurs 2001 war er als Manager für die Schweizer Sportrechte-Agentur ISL/ISMM tätig. Jene Agentur, die auch die Fifa-Rechte vermarktete und die zwischen 1989 und 2001 - gerichtsfest belegt - mehr als 140 Millionen Schweizer Franken als Schmiergelder an Sportfunktionäre ausschüttete.
Büchel ist nicht der einzige Schweizer Politiker, dem das skandalöse Gebaren der Fifa aufstößt. Die Nationalrätin Anita Thanei verlangt konkret, dass die Bestechung von Sportfunktionären strafrechtlich verfolgt wird. Auch das Steuerprivileg steht in Frage. Das Bundesamt für Sport prüft derzeit, ob bei den nicht-gewinnorientierten, aber trotzdem multimillionenschweren Sportorganisationen mit Sitz im Steuerparadies Schweiz a la Fifa Regulierungsbedarf besteht. Einen schöneren Euphemismus für die akuten, korruptionsfördernden Strukturprobleme hätte sich auch Blatter nicht ausdenken können. Dennoch gilt: Der enorme mediale Gegenwind mag inzwischen nachgelassen haben. Auf politischer Ebene ist die Windstärke unverändert hoch, auch wenn Blatter das bestmöglich ignoriert.
Gefahr aus Katar
Mit der Kritik an der objektiv nicht zu rechtfertigenden Vergabe einer Sommer-WM in den Wüstenzwergstaat Katar versucht Blatter inzwischen ähnlich zu verfahren, nachdem er eine Verlegung in den Winter zunächst ausgeschlossen, dann energisch befürwortet und letztlich wieder auf Eis gelegt hatte. Im ZDF sagte er sinnfrei: "Wer weiß, wie in zehn Jahren die klimatischen Verhältnisse auf der Welt sind. Jedes Jahr findet eine große Klimakonferenz statt, oder zweimal pro Jahr. Und die wissen auch nicht, wohin es geht."
Als Strippenzieher hinter der WM-Vergabe an Katar gilt bekanntlich der katarische Fifa-Vizepräsident Mohamed bin Hammam, der bei der Präsidentenwahl am 1. Juni gegen Blatter antreten könnte. In Deutschland würde Blatter - abgesehen von DFB-Präsident Theo Zwanziger - kaum jemand vermissen. Dass Bin Hammam im Gegensatz zu ihm für eine transparente Erneuerung der Fifa stehe, bezweifelte der 74-jährige Blatter allerdings, denn: "Er sollte sich auch einmal fragen, wie lange er schon dabei ist." Blatters Kritik trifft ausnahmsweise ins Schwarze: Bin Hammam gehört seit 1996 dem Fifa-Exekutivkomitee an und kennt alle schmutzigen Tricks. Bei der Präsidentenwahl 1998 soll er im Vorfeld afrikanische Delegierte mit Geldzahlungen und Postenversprechungen geködert haben - damit sie Joseph Blatter zum Präsidenten wählen.
Wie gut, dass Bin Hammam nicht die einzige Alternative zu Blatter ist.
Quelle: ntv.de, mit dpa