Fußball

Geschichten aus dem Fußball-Unterhaus Die "Schweineliga" feiert 40. Geburtstag

Prost, Zweite Liga: Willi Landgraf ist mit 508 Spielen Rekordspieler.

Prost, Zweite Liga: Willi Landgraf ist mit 508 Spielen Rekordspieler.

(Foto: picture-alliance/ dpa/dpaweb)

Einst als "Schweineliga" bezeichnet, heute attraktives "Premium-Produkt": Die 2. Bundesliga hat eine beachtliche Entwicklung hinter sich. 40 Jahre nach der Gründung steht das Unterhaus nun vor einem weiteren bedeutenden Umbruch.

"Ich hab Sachen gesehen, die hältst du nicht für möglich." Ansgar Brinkmann grinst süffisant. "Vor dem Spiel wohlbemerkt." Die 2. Fußball-Bundesliga feiert im Berliner Kino "Babylon" ihren 40. Geburtstag nach, alte Helden und ihre Geschichten feiern mit. Nachdem die Deutsche Fußball-Liga (DFL) das Jubiläum zunächst beim Zweitliga-Saisonauftakt mit einer kurzen Zeremonie in bekannt-selbstbeweihräuchernder Manier abgehandelt hatte, startete DFL-Geschäftsführer Andreas Rettig einen neuen Anlauf. Gemeinsam mit dem Fußballmagazin "11 Freunde" lud er zu einer würdigeren Geburtstagsfeier. Viele prominente Gäste folgten.

"Bin bis 5 Uhr früh in meiner Stammkneipe zu erreichen" - Anrufbeantworterspruch des "weißen Brasilianers" Ansgar Brinkmann, hier im Trikot von Tennis Borussia Berlin.

"Bin bis 5 Uhr früh in meiner Stammkneipe zu erreichen" - Anrufbeantworterspruch des "weißen Brasilianers" Ansgar Brinkmann, hier im Trikot von Tennis Borussia Berlin.

Ja, es sind tatsächlich bereits 40 Jahre vergangen, seit am 2. August 1974 mit der Partie 1. FC Saarbrücken gegen SV Darmstadt 98 der Startschuss für die 2. Bundesliga fiel. Seitdem hat sich viel getan im Bundesliga-Unterbau, der zunächst in eine Nord- und eine Südstaffel mit je 20 Mannschaften unterteilt war. Der Blick zurück erinnert an beachtliche Rekorde und längst vergessene Vereine, offenbart aber vor allem eine Erfolgsgeschichte.

Dauerbrenner Fortuna Köln

In vierzig Jahren brachte die 2. Liga viele Stars wie Felix Magath, Rudi Völler oder Jürgen Klinsmann hervor, auch drei Spieler aus dem aktuellen Weltmeister-Team begannen ihre Karriere im Unterhaus der Bundesliga. Der Liga ist es gelungen, von einer grauen Maus zu einer schillernden und attraktiven Spielklasse zu reifen.

Geprägt haben die Liga aber Spieler wie Brinkmann und Willi Landgraf, gewissermaßen die personifizierte 2. Liga. In 508 Spielen kämpfte er mit Rot-Weiss Essen, FC 08 Homburg, FC Gütersloh und Alemannia Aachen um den Aufstieg in die 1. Liga, die er letztlich doch nie erreichte. "Ich war 22 Jahre bei mehreren Vereinen. Wenn ich alles erzähle, dann sitzen wir noch morgen hier", sagte er auf dem Podium im "Babylon". Gegenüber n-tv.de offenbarte Landgraf später ein wenig Wehmut: "Wenn ich könnte, würde ich die Zeit noch einmal zurückdrehen."

Rekordtorschütze der Zweiten Liga: Dieter Schatzschneider, hier im Trikot von Fortuna Köln.

Rekordtorschütze der Zweiten Liga: Dieter Schatzschneider, hier im Trikot von Fortuna Köln.

(Foto: imago sportfotodienst)

Mit Dieter Schatzschneider gehörte ein weiterer Rekordmann zu den Ehrengästen, die zwischen Erinnerungs-Clips ihre Zweitligazeit wieder aufleben ließen. Stolze 154 Tore erzielte der "Lange" für Hannover 96 sowie Fortuna Köln. Wichtiger als die Tore ist für Schatzschneider aber ein anderer Umstand: "Wenn es die 2. Liga nicht gegeben hätte, würde ich heute womöglich im Knast sitzen."

Schatzschneiders ehemaliger Klub Fortuna Köln ist mit 26 Jahren in Folge der Liga-Dauerbrenner - und doch ebenso nicht mehr dabei wie beispielsweise SG Union Solingen, DSC Wanne-Eickel oder HSV Barmbek-Uhlenhorst. Sie sind Relikte aus Zeiten, in denen das Unterhaus noch kein "Premium-Produkt" war.

Raue Töne im Unterhaus

Nur rund 8.000 Zuschauer kamen anfänglich in die meist viel zu großen Stadien. Die waren noch keine fein hergerichteten Arenen oder XYZ-Parks, dafür aber umso schöner. Genauso rau wie der Wind, der über die oft verwaisten Stehplatztraversen aus Beton fegte, war bis Mitte der 2000er Jahre auch der Ton. Unvergessen bleibt beispielsweise Fortuna Kölns Ex-Präsident Jean Löring, der Trainer Toni Schumacher in der Halbzeitpause charmant mit den Worten "Du hast hier nichts mehr zu sagen, du Wichser" feuerte.

Unangefochtener "Bad Boy" der bewegten Liga-Geschichte bleibt allerdings Ansgar Brinkmann. Er war als Profifußballer weder ausgiebigen Zechrunden noch Bordellbesuchen abgeneigt, hatte Ärger mit der Polizei. Mit solchen Eskapaden verbaute sich der "weiße Brasilianer" eine dauerhafte Karriere in der Bundesliga. "Man kann ja nicht den ganzen Tag nur Fußball spielen", sagt er in Berlin. Nun hält er mit 316 Spielen bei zehn unterschiedlichen Vereinen den Rekord als Wandervogel.

Liga im Umbruch

Schon als Zweitliga-Recke mit unverkennbarer Miene: Jürgen Klopp als Kapitän des FSV Mainz 05.

Schon als Zweitliga-Recke mit unverkennbarer Miene: Jürgen Klopp als Kapitän des FSV Mainz 05.

(Foto: imago/Alfred Harder)

"Nie mehr 2. Liga" schallt es alljährlich durch die Stadien der Aufstiegsaspiranten. Dabei ist es mittlerweile gar keine Schande mehr, im Bundesliga-Unterbau zu kicken. DFL-Mann Andreas Rettig brüstet sich damit, dass sich die 2. Liga "prächtig entwickelt" habe und heute rund 18.000 Zuschauer in die Stadien kommen. Ein Fernsehsender ruft gefühlt jedes Jahr die "beste 2. Liga aller Zeiten" aus.

Zumindest ist sie heute die gegensätzlichste 2. Liga aller Zeiten: Auf der einen Seite stehen Traditionsvereine wie Rekordmeister 1. FC Nürnberg, Eintracht Braunschweig oder der 1. FC Union Berlin. Auf der anderen Seite drängen finanzkräftige Klubs wie Retortenverein RB Leipzig und 1. FC Heidenheim nach oben.

Die Spielklasse, die Delron Buckley einst als "Schweineliga" bezeichnete, befindet sich im Umbruch. Das verfügbare Kapital steigt in Dimensionen, von denen manche erste Ligen nur träumen können. Für kleinere Vereine ist diese Entwicklung mitunter ein Albtraum. Nicht nur die Kluft innerhalb der Spielklasse wird größer, auch die zum Oberhaus. Teils ist sie bereits unüberwindbar.

"Heute ist alles viel professioneller"

Sinnbildlich dafür steht Liga-Neuling RB Leipzig. Mehr als die Hälfte aller Transferausgaben in der 2. Liga wurden Schätzungen zufolge von den roten Bullen aus der Messestadt getätigt. Für viele Fans ist der Klub ein Makel, ausgerechnet im Jubiläumsjahr, die Forderung nach einem Financial Fair Play wird lauter. Die DFL muss den Spagat schaffen, auch mit ihrem "Premium-Produkt" 2. Liga weiter für Tradition und Wettbewerbsfähigkeit zu stehen.

Und den ganz eigenen Charme des Unterhauses zu bewahren. Als der FC St. Pauli 2001 in die Bundesliga aufstieg, meinte Trainer Dietmar Demuth: "Ich muss mich bei meinem Präsidium entschuldigen, weil wir das Saisonziel 'Klassenerhalt' nicht geschafft haben." In Berlin sagte Willi Landgraf: "Die 2. Liga von früher war schon eine ganz andere als heute. Heute ist alles viel professioneller und ernster." Er klang nachdenklich.

Quelle: ntv.de

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