Psychologe erklärt Einbruch "Die Verantwortungsdiffusion"
17.10.2012, 13:56 Uhr
Hätte Bastian Schweinsteiger möglicherweise den Absturz verhindern können?
(Foto: dapd)
Über 13 Millionen TV-Zuschauer verfolgen den fußball-historischen Einbruch der deutschen Elf gegen Schweden. Wie kann man einen Vier-Tore-Vorsprung noch vergeigen, fragen sich nun viele Fans. Von kollektiver Schuld war schnell die Rede. Und genau das ist das Problem, klärt ein Experte auf.
Für viele Fußball-Anhänger unerklärlich, hat die deutsche Nationalmannschaft beim 4:4 gegen Schweden nach überragenden 60 Minuten noch einen Vier-Tore-Vorsprung verspielt. "Es hieß hinterher, alle sind schuld. Aber das ist das Problem. Das nennt man Verantwortungsdiffusion. Jeder denkt, der andere muss es machen", sagte der Heidelberger Sportpsychologe Henning Plessner. Ein Führungsspieler hätte auf dem Platz möglicherweise mehr Verantwortung übernehmen müssen.
Nach einem 4:0-Vorsprung hat die deutsche Fußball-Nationalmannschaft im WM-Qualifikationsspiel gegen Schweden noch vier Gegentore eingefangen - wie konnte das passieren?
Henning Plessner: "Das Phänomen ist nicht so überraschend, Leistung funktioniert oft in Wellen. Das kennen wir auch aus Hobbymannschaften. Da führt man deutlich, ist in Schwung, zufrieden und plötzlich kehrt sich der Prozess ins Gegenteil um und man kann ihn nicht mehr stoppen."
Aber in diesem Fall waren es keine Hobbyspieler, sondern Profis und sie waren gewarnt.
"Bis zur 60. Minute haben die Deutschen einen schwachen Gegner korrekt abgespeichert. Es gab ja gar keinen Hinweis darauf, dass sie noch gefährlich werden können. Zudem haben zwei Fehlentscheidungen des Schiedsrichters zum ersten und letzten Tor geführt. Es wundert mich, dass auf diesem Niveau solche Fehler gemacht werden. So ein Foul mit gestrecktem Arm von Zlatan Ibrahimovic an Per Mertesacker muss eigentlich abgepfiffen werden."
Hat jemand gefehlt, der die Verantwortung übernimmt und die anderen mitreißt?
"Ein Spieler wie Sami Khedira hat gefehlt. Es hieß hinterher, alle sind schuld. Aber das ist das Problem. Das nennt man Verantwortungsdiffusion. Jeder denkt, der andere muss es machen. In so einer Situation, in der man merkt, dass etwas schief läuft, muss die Initiative von einem Einzelnen ausgehen. Da hätte ein Bastian Schweinsteiger möglicherweise mehr Führung übernehmen können."
Quelle: ntv.de, dpa