Ach, um Fußball ging's auch?Die WM-Auslosung verrottet zum unerträglichen Fiebertraum

In Washington werden die Gruppen für die Fußball-WM ausgelost. Doch um Fußball geht es der über zweistündigen Veranstaltung lange nicht. Die FIFA-Gala wird zu einer bizarren Anbiederung an Donald Trump.
Der Fußball hat seit diesem Freitagabend einen neuen Besitzer. Er heißt: Donald Trump. In einer bizarren Show, die eigentlich als WM-Auslosung für das größte Fußballturnier aller Zeiten im kommenden Jahr deklariert war, verschenkt der schockverliebte und sich selbst erniedrigende FIFA-Boss Gianni Infantino den Sport unabgesprochen an den US-Präsidenten. Trump wird an diesem Abend heiliggesprochen. Als Friedensengel, für den er sich selbst hält.
Die Verleihung des erst vor wenigen Wochen ausgerufenen Friedenspreises der FIFA war der groteske und frühe Höhepunkt einer Gala, die ein kaum zu ertragender Fiebertraum war. Der Fußball verliert als Spiel immer mehr an Bedeutung. Die großen Turniere werden eine Bühne der Mächtigen, auf der sie sich gegenseitig ihre Wundertaten zurufen können. Oder einfach gigantische Preise für sich erfinden. So muss man die Friedensidee des Weltverbands verstehen.
Eine der "größten Ehren meines Lebens"
Und Trump durfte dann selbst an seiner Heiligsprechung mitwirken: Er sprach von einer der "größten Ehren meines Lebens". Er hob die Auszeichnung damit über den Friedensnobelpreis, den er so gerne gehabt und der Welt von Infantino verdient hätte. Im Kongo, so sagte er, habe er Millionen Leben gerettet, in vielen anderen Ländern Kriege beendet oder verhindert, betonte er. Er genoss die bedingungslose Liebe, die ihm sein Kumpel "Johnny" soufflierte. Das alles kam nicht unerwartet. Und es schockt doch immer wieder aufs Neue.
Verpackt wurde diese unverhohlene Party des eigenen Gigantimus und diese nicht zu ertragende Anbiederungsshow in ein wildes Unterhaltungsprogramm, dass mit dem, wofür der Fußball steht, nichts, gar nichts mehr zu tun hat: Heidi Klum als Moderatorin, ein Comedian, Kevin Hart, als kaum zu verstehender Wingman. Musik-Superstars wie Robbie Williams oder Lauryn Hill, die der ganzen Veranstaltung Glamour geben, aber bei einer Oscar-Verleihung viel besser aufgehoben sind. Es war ein Vorgeschmack, was die Welt nächstes Jahr erwartet. Viel Politik, viel Show. Die Protagonisten des Fußballs sind keine Fußballer mehr.
"Offizieller Glücksversorger der Welt!"
Infantino rief sich derweil die Wundertaten der Macht wieder einmal selbst zu. Mit der Würdigung des von ihm selbst aufgeblähten XXL-Turniers im kommenden Jahr. Er nannte die FIFA, seine FIFA, tatsächlich den "offiziellen Glücksversorger der Welt!". Das erinnerte befremdlich an die dystopische Apple-Erfolgsserie "Pluribus", in der das Glück der Vielen zerstörerisch wirkt und alles auszulöschen droht. In der wirklichen Welt nun, die sich immer mehr destabilisiert, stehe die FIFA fest, als Anker der guten Seite. So hört sich das alles an bei dieser bizarren Show. Die mit einem weiteren Kniefall an Trump endete: Das Ende der bislang einmaligen politischen Inszenierung genoss er zum Partyklassiker Y.M.C.A., der Hymne seiner MAGA-Bewegung, an der Seite von Infantino.
Fast 90 Minuten vergingen, ohne dass der Fußball eine Rolle spielte. Erst dann ging es um die Auslosung, die dann so simpel daher kam, dass man die FIFA fragen muss, ob ihr nichts mehr eingefallen war, auch diesen Moment noch zu zerstören.
Es ging bei dieser "Auslosung" um die Bromance von Infantino und Trump, die an diesem Abend nur einseitig bespielt wurde. Vom Schweizer FIFA-Chef, dessen Gigantismus tatsächlich gar keine Grenzen kennt. Er legte sich Friedensengel Trump in den Schoss, versprach ihm lebenslange Unterstützung, versuchte sich als Popstar, indem er das Publikum animierte, seine Rufe zu adaptieren und warb dafür seine Lebensleistung, die XXL-WM, so zu würdigen, wie er selbst das tut. Er sieht das Turnier mit 48 Teams als ein sportliches Monument für die Menschheitsgeschichte. Was ist schon ein Mondflug gewesen?
Die bizarre Inszenierung läuft schon länger
Es gibt gute Argumente, sich auf das Turnier im kommenden Jahr zu freuen. Die Topnationen sind dabei und spannende Neulinge wie Curacao oder lange vergessene WM-Rückkehrer wie Haiti. Aber über dem Sport schwebt eben der Schatten der grotesken Machtinszenierung. Beim letzten Turnier in Katar bekam Lionel Messi plötzlich ein arabisches Gewand umgehangen. Bei der Klub-WM in diesem Sommer ließ sich Trump nicht vom Siegerpodest vertreiben. Er feierte einfach mit den irritierten Chelsea-Stars.
Der Fußball hat die Trennung von Sport und Politik längst aufgehoben. Infantino hat den Fußball zur Bühne der Mächtigen gemacht. Ob sie nun Trump heißen oder aber Mohammed Bin-Salman. Sie besitzen und besetzen ihn emotional. Wie weh das tut.