"Komplott-Theorie manifestiert sich" Druck auf Zwanziger wächst
26.07.2010, 14:49 UhrNeulich hat DFB-Präsident Theo Zwanziger wieder einmal mit Rücktritt kokettiert. Ginge es nach dem Anwalt von Ex-Referee Manfred Amerell, sollte der amtsmüde Zwanziger tatsächlich gehen. Nach dessen Missmanagement der Schiedsrichteraffäre sei er nicht mehr tragbar.
Kurz vor der zukunftsweisenden Präsidiumssitzung am Freitag wächst die öffentliche Kritik an DFB-Boss Theo Zwanziger aufgrund der Schiedsrichter-Affäre. Sollte der DFB die Schadenersatzansprüche des ehemaligen Schiedsrichterbeobachters Manfred Amerell in sechsstelliger Höhe bis zum 2. August nicht anerkennen, wird eine Klage gegen den Verband eingereicht. Zudem ist nach Angaben von Amerells Anwalt Jürgen Langer weiteres belastendes Material aufgetaucht. "Die Komplott-Theorie scheint sich zu manifestieren", sagte Langer dem Sport-Informations-Dienst und legte Zwanziger erneut den Rücktritt nahe: "Wenn man sich die Abläufe ansieht, ist ein Präsident, der den Fall so behandelt, nicht mehr tragbar."
Zwanziger, der am Freitag im Rahmen des Präsidiumstreffens in Frankfurt seine Entscheidung über eine weitere Kandidatur bekannt geben wird, und auch der DFB wollten die neuerlichen Vorwürfe nicht kommentieren. Auf Anfrage teilte der DFB mit, dass es über die Inhalte der Tagesordnung bei der Sitzung am Freitag nichts zu sagen gebe.
Große Versäumnisse
Langer sieht auf Seiten des DFB große Versäumnisse in der internen Informationspolitik. Deshalb hat der Jurist aus München jedem Präsidiumsmitglied in den vergangenen Tagen eine 13-seitige tabellarische Auflistung zugeschickt. Inhalt: Die vermeintlichen Widersprüche von Michael Kempter bei dessen Aussagen gegen Amerell beim DFB im Februar und bei der Staatsanwaltschaft Augsburg im April. "Man müsste meinen, einige der Präsidiumsmitglieder kennen die Handlungsabläufe und Anhörungsergebnisse in der Sache bis heute nicht", sagte Langer. Nachfragen hätten dies gezeigt. Zwanziger müsse sich deshalb vom DFB-Präsidium wohl "einige unangenehme Fragen" gefallen lassen, sagte Langer.
In der Causa gegen den DFB will der Jurist gerichtlich geltend machen, dass Amerell entgegen der Statuten "zu keiner Zeit das ihm zustehende rechtliche Gehör gewährt worden ist". Wäre dies geschehen, hätte der Verband "erheblichen Schaden von ihm abwenden können". Der DFB hatte n-tv.de auf Anfrage mitgeteilt, Amerell sei "sehr wohl vom DFB angehört worden". Bevor es jedoch zu einer zweiten Vernehmung kommen konnte, sei er jedoch von seinen Ämtern zurückgetreten, womit sich eine erneute Befragung erübrigt habe. Langer erklärt hingegen, dem DFB sei ein Organisationsverschulden anzulasten. Trotzdem sei Amerell bei "vernünftigen Gesprächen" zu einer außergerichtlichen Einigung bereit. Annäherungsversuche seitens des DFB habe es noch nicht gegeben, verriet Langer, große Hoffnung auf eine "für beide Seiten befriedigende Lösung" habe er auch nicht.
Auch beim DFB-Kontrollausschuss erstattete Amerell Anzeige gegen Kempter, den der Weltverband Fifa längst von seiner Einsatzliste gestrichen hat. Schließlich verfolge der Kontrollausschuss "jeden Leuchtraketen-Wurf", und es wäre "nicht nachvollziehbar, wenn ein Schiedsrichter jemanden der sexuellen Nötigung bezichtigt und der Kontrollausschuss nicht ermittelt", wurde Amerell am Wochenende in der "Süddeutschen Zeitung" zitiert.

Michael Kempter hatte seine private Affäre mit Amerell öffentlich gemacht - der DFB half kräftig mit.
(Foto: dpa)
Fifa-Schiedsrichter Kempter hatte Amerell vorgeworfen, ihn sexuell belästigt zu haben. Der frühere Schiedsrichter-Beobachter Amerell war am 12. Februar von allen Ämtern zurückgetreten, bestritt die Vorwürfe aber stets. DFB-Präsident Zwanziger stellte sich von Anfang an hinter Kempter. Ende Mai erklärte ein Gericht die Vorwürfe gegen Amerell schließlich für haltlos, stellte die Ermittlungen ein und bereitete damit den Weg für die Schadenersatzklagen des Ex-Referees. Vom DFB-Kontrollausschuss wurde Kempter daraufhin aufgrund charakterlicher Schwächen in die 3. Fußball-Liga zurückgestuft.
Präsident begrenzt kritikfähig
Die Kritik am DFB-Präsidenten verstummte dennoch nicht. Zwanziger ("Ich spüre eine tiefe Sehnsucht nach dem Privaten") hat deshalb seine Zukunft ungeachtet der erfolgreichen Vertragsverlängerung mit Bundestrainer Joachim Löw zuletzt offen gelassen. Diese könne Einfluss haben, sei aber "nicht entscheidend", hatte der 65-Jährige jüngst gesagt und gleichzeitig von "Amtsmüdigkeit" gesprochen. Zwanziger machte zuletzt keinen Hehl daraus, dass ihm die Kritik der vergangenen Monate nach der zunächst gescheiterten Verlängerung mit Löw und im Zusammenhang mit der Affäre Amerell mächtig zugesetzt hat. "Das trifft mich sehr, da ich bei aller Kritikfähigkeit vieles als absolut ungerecht empfunden habe", hatte er vor der WM offenbart: "Da gab es Dinge, die man - ich bin da ganz offen - nicht so leicht wegsteckt." Die "FAZ" sprach im Februar aufgrund der Führungsschwäche des DFB-Präsidenten in den Löw-Verhandlungen und der Schiedsrichteraffäre vom "Zick-Zack-Zwanziger". Zudem wird Zwanziger immer wieder vorgeworfen, sich selbst wichtiger zu nehmen als sein Amt. Vorwürfe, die den 65-Jährigen persönlich getroffen haben.
Dennoch betonte er vor der WM aller Verärgerung zum Trotz: "Ich habe noch eine Menge zu tun, und meine Aufgabe als DFB-Präsident macht mit weiter viel Spaß. Deshalb habe ich noch nicht vor, mich komplett auf das Altenteil zurückzuziehen und nur in der Hängematte zu liegen." Zweifel daran, dass sich Zwanziger beim DFB-Bundestag am 21./22. Oktober in Essen zur Wiederwahl stellen werde, gab es nicht. Erst in der vergangenen Woche ließ Zwanziger Amtsmüdigkeit erkennen. Obwohl er gleichzeitig betonte, dass er wiedergewählt werde, wenn er wiedergewählt werden wolle, könnte ihm nun das DFB-Präsidium den erneuten Rücktritt von den Rücktrittsgedanken abnehmen.
Quelle: ntv.de, cwo/sid/dpa