Fußball

DFL-Geschäftsführer Rettig über Fans, Fußball und Nazis "Dumpfe Parolen verhallen in klugen Köpfen"

"Wir wollen, dass Fußball bezahlbar bleibt. Deswegen treten wir gemeinsam für erschwingliche Ticketpreise ein": Andreas Rettig auf dem Fankongress in Berlin.

"Wir wollen, dass Fußball bezahlbar bleibt. Deswegen treten wir gemeinsam für erschwingliche Ticketpreise ein": Andreas Rettig auf dem Fankongress in Berlin.

(Foto: imago/Thomas Bielefeld)

Der Geschäftsführer der Deutschen Fußball-Liga legt Wert darauf, selbst Fan zu sein. Im Interview mit n-tv.de spricht Andreas Rettig über Hochachtung, einen Schulterschluss, Aktionen gegen Rechts, bezahlbare Tickets - und eine gar nicht so heimliche Liebe.

n-tv.de: Herr Rettig, hier beim Kongress in Berlin sind ganz viele Fußballfans, die alle ihre Geschichten von einschneidenden Erlebnissen erzählen können. Sie auch?

Andreas Rettig: Das war in ganz frühen Tagen, als ich in Essen im Georg-Melches-Stadion unterwegs war. Ich bin RWE-Fan. Ich wünsche mir, dass ich in absehbarer Zeit auch dienstlich mit dem Klub zu tun habe, selbst wenn ich dann meine Mitgliedschaft ruhen lassen müsste.

Jetzt sind Sie nicht als Fan hier, sondern als Funktionär, als Vertreter der Deutschen Fußball-Liga. Das ist ein Milliardengeschäft - warum sind Sie dann hier bei den Fans?

Es stört mich, wenn wir nur als Vermarktungsverband wahrgenommen würden. Bei der DFL sitzen nicht nur Leute, die Konzepte zur Erlösmaximierung austüfteln. Wir haben ein ehrliches und ernstes Interesse daran, nicht nur mit den Vereinen im Guten zusammen zu sein, sondern auch mit den Fans. Denn wenn die nicht mehr kommen, haben wir alle ein Problem. Um das mal klar zu sagen: Wir sind auch Fußballfans. Deshalb ärgert es mich, wenn der Eindruck entsteht, wir würden uns nicht für das Wohl und Wehe der Fans interessieren. Seit der Aktion 12:12 ist viel passiert.

Wie unterstützt der Ligaverband die Fans konkret?

Ligaverband und DFL investieren nun deutlich mehr in die Fanprojekte, wir haben unsere Unterstützung von ca. 1,6 auf rund 3,2 Millionen Euro verdoppelt. Seit Dezember ist jeder Erstligaverein verpflichtet, zwei hauptamtliche Fanbeauftragte zu beschäftigen. Aber es gibt noch mehr: Hier in Berlin haben wir wieder einmal ein klares Bekenntnis gegen Rechtradikalismus abgegeben: Nazis raus. Und wir Verbände müssen da noch aktiver werden. Wir stellen in unserem neuen Konzept "PFiFF" jährlich 500.000 Euro für Aktionen unter anderem gegen Rechts bereit. Hier werden einzelne Projekte mit bis zu 50.000 Euro gefördert.

Aber die Fans können diese Last nicht alleine stemmen?

Nein, das geht uns alle an. Da wünsche ich mir einen noch engeren Schulterschluss zwischen den Verbänden, den Fanvertretungen und der Politik. Die schärfste Waffe im Kampf gegen Rechts liegt in der Bildung. Hier muss deutlich mehr passieren, denn dumpfe Parolen verhallen in klugen Köpfen. Liga-Präsident Reinhard Rauball hat es gesagt: Wir haben kein Verständnis für das Vorgehen der Politik in Sachen NPD-Verbotsverfahren. Hier zu taktieren und kein klares Zeichen zu setzen gefällt uns nicht.

Wie sind Sie denn als Vertreter der DFL hier auf dem Fankongress empfangen worden?

Hohes Niveau: Teilnehmer beim Fankongress.

Hohes Niveau: Teilnehmer beim Fankongress.

(Foto: dpa)

I ch habe nicht den Eindruck, dass man hier mit dem Finger auf die Funktionäre zeigt. Wir sind positiv aufgenommen worden, haben Redezeit bekommen und konstruktiv mitdiskutiert. Das zeigt, dass wir besser miteinander umgehen, als das der ein oder andere denkt. Wie ich es in einer Arbeitsgruppe zum Thema 50+1-Regel erlebt habe, wurde auf hohem Niveau tiefgründig diskutiert. Das war wohltuend. Die Diskussionen über die 50+1-Regel sind ein Beleg dafür, dass Fans und DFL grundsätzlich nicht weit auseinander sind Des Weiteren wurde der Fachbereich Fußballkultur neu gegründet. Hier sitzen zahlreiche Fan-Vertreter mit am Tisch. Wir wollen, dass Fußball bezahlbar bleibt. Deswegen treten wir gemeinsam für erschwingliche Ticketpreise ein.

Dennoch: Viele Fans kritisieren, dass sie im Dialog zwar gehört werden, aber letztlich ohne Konsequenz. Müssen sich auch die DFL und der DFB etwas bewegen?

Wie oben ausgeführt ist schon viel passiert. Wir sind viele Dinge, die nach 12:12 diskutiert wurden, konkret angegangen. Da würde ich mir wünschen, dass die Fans das mehr goutieren und dass sie die Dinge, die bereits umgesetzt worden sind, anerkennen.

Aber warum stellen Sie sich nicht einmal aus konkretem Anlass, wenn wieder von angeblich zunehmender Gewalt in den Stadien die Rede ist, hinter die Fans?

In diesem Zusammenhang erinnere ich an die von uns in Auftrag gegebene Studie, in der es um das Sicherheitsempfinden in den Stadien ging. Diese hat gezeigt, dass es ein hohes Sicherheitsempfinden unter den regelmäßigen Stadionbesuchern gibt.

Das Motto des Kongresses heißt ja "Fanfreundliches Stadionerlebnis: Wie Fans den Fußball wollen". Wie möchte denn Andreas Rettig den Fußball haben?

Torreich und verletzungsfrei. Und außerhalb des Spielfeldes am liebsten ohne Ordner, ohne Polizei und mit vielen Fans. Das wird wohl Vision bleiben. 700 Teilnehmer am Fankongress sprechen für sich. Dass diese am Wochenende früh aufstehen, um sich hier aktiv einzubringen, weil sie den Fußball lieben, ist großartig. Deshalb gilt es, diese positiven Kräfte zu stärken.

Inwieweit konterkariert dabei die Prügelei von Köln das, was hier passiert?

Die Vorfälle von Köln sind unglaublich und aufs Schärfste zu verurteilen. Die Fans engagieren sich hier ehrenamtlich und mit viel Herzblut. Und am Ende lauten die Schlagzeilen in den Medien: "Fan fast totgeprügelt". Es ist schade, dass das den Kongress überstrahlt. Denn die, die in Köln wieder aus der Reihe getanzt sind, machen die Probleme. Nicht die, die hier in Berlin waren.

Hat es Sie überrascht, dass viele aktive Fans nicht mehr zu einem Dialog mit der Polizei bereit sind?

Das bedaure ich sehr. Und ich kritisiere das auch. Kriminelle haben in Köln randaliert - deswegen den Dialog mit den Fans auszusetzen, wäre der falsche Weg. Kommunikation abzulehnen, nur weil jemand eine Uniform trägt, ist nicht zielführend.

Und wie soll es jetzt weitergehen?

Wir müssen den Weg, den wir begonnen haben, gemeinsam weitergehen, miteinander reden, dem anderen zuhören. Das Positive überwiegt. Denn bei aller gegenseitiger Kritik: Es gibt keinen Ersatz für Kommunikation, mag sie noch so kontrovers sein.

Mit Andreas Rettig sprachen Christian Bartlau und Stefan Giannakoulis

Quelle: ntv.de

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