"Wir werden betrachtet wie Terroristen" Polizei bleibt Feindbild der Fußballfans
19.01.2014, 09:06 Uhr
Gegen eine Verbotskultur: Fan auf dem Kongress in Berlin.
(Foto: dpa)
Beim Fankongress in Berlin soll es darum gehen, wie sich Fans ihren Fußball wünschen. Was sie auf keinen Fall wollen: Von der Polizei zum Sicherheitsrisiko degradiert zu werden. Doch im direkten Dialog versuchen sie nicht einmal, einen Konsens zu finden.
Mittendrin kommt dieser Anruf. Bernd Heinen verlässt das Podium, und als der Polizist wiederkommt, hat er nichts Gutes zu berichten. Kölner und Schalker Fans haben sich an diesem Samstag geprügelt, einer von ihnen wurde schwer verletzt. "Es steht zu befürchten, dass der Mann das nicht überlebt."
Beim Fankongress in Berlin diskutieren 700 organisierte Fußball-Fans aus ganz Deutschland zwei Tage lang über Mitbestimmung, Selbstregulierung in den Kurven und den Umgang mit den Vereinen. Eingeladen haben die Verbände "Unsere Kurve" und "ProFans". Es ist das zweite bundesweite Treffen nach 2012. Das wichtigste Thema in diesem Jahr: die Sicherheitspolitik von Vereinen und Verbänden. Im Begleitheft schreiben die Veranstalter, die Meinung der Fans würde nicht berücksichtigt. Politik und Medien bauschten einzelne Vorfälle auf und malten Horrorszenarien. "Lasst uns den blinden Aktionismus stoppen und uns gemeinsam nach Lösungen suchen."
Auch wenn sich diese erste Befürchtung mittlerweile nicht bestätigt hat: Das war für die mehr als 700 Teilnehmer des Fankongresses eine schlechte Nachricht. Sie reden an diesem Wochenende im Berliner Kino Kosmos darüber, wie sie sich ihren Fußball wünschen. Die Organisationen "Unsere Kurve" und "Pro Fans" haben das Treffen veranstaltet und hatten auch Bernd Heinen eingeladen. Der arbeitet im nordrhein-westfälischen Innenministerium. Und er steht dem Nationalen Ausschuss Sport und Sicherheit vor, der sich selbst "Nass" abkürzt und als Koordinierungsstelle unter anderem dafür sorgen soll, dass sich in deutschen Fußballstadien alle gut aufgehoben fühlen. Nun wurde Heinen zum Überbringer der schlechten Nachricht.
Eine Nachricht, auf die alle gerne verzichtet hätten. Als sei das nicht selbstverständlich, sah sich einer der Sprecher von "Pro Fans", Alex Schulz, genötigt zu betonen: "Das können wir absolut nicht gutheißen, wir sind schockiert. Das Problem ist, dass das Leute sind, die wir nicht erreichen." Dabei sollte es eigentlich darum gehen, ob das zerrüttete Verhältnis zwischen Fans und Polizei noch irgendwie zu retten ist: "Getrennt in den Farben, getrennt in der Sache?"
"Wie sollen wir Vertrauen gewinnen?"
Die Diskussion beginnt im Prinzip mit ihrem Ende. Christian Bieberstein, ein organisierter Fan vom HSV, legt mit einer unmissverständlichen Ansage vor: Das Verhältnis zwischen Fans und Polizei sei nicht existent, eine vertrauensvolle Zusammenarbeit unmöglich. Das ist weitgehend Konsens im Saal, wie der lautstarke Applaus beweist. Aus dem Publikum meldeten sich immer wieder Fans, die von ihren schlechten Erfahrungen mit der Polizei berichten, von Nacktkontrollen, Pfefferspray-Einsätzen und vorschnellen Stadionverboten.
Bernd Heinen beschwört die Zuhörer, weg von diesen Einzelbeispielen zu kommen: "Wir können uns jetzt anderthalb Stunden Fälle erzählen, wo ihr meint dass es scheiße gelaufen ist, und wo wir meinen dass es scheiße gelaufen ist." Sein Appell fruchtet nicht. Der Soziologe Albert Scherr versucht ebenfalls, die Diskussion nach vorne zu bringen: "Die einzig spannende Frage ist: Wie kommen wir in einen Dialog rein?" Mit einem Angebot, vielleicht.
Zumindest versucht es Hans-Ulrich Hauck von der Berliner Polizei damit. Er lädt Fans ein, an den Nachbesprechungen der Einsätze teilzunehmen. Die Antwort aus dem Publikum klingt vernichtend - ein Ultra vom VfB Stuttgart sagt mit bebender Stimme, solange Polizisten nicht für ihr Fehlverhalten belangt werden, sei er an einem Dialog nicht interessiert. Auf dem Podium legt Christian Bieberstein nach: "Wie sollen wir Vertrauen gewinnen, wenn es von der Polizei keine öffentliche Selbstkritik oder mal eine Entschuldigung gibt?"
Bis zum Ende bestätigt sich der Eindruck, den Bieberstein gleich zu Beginn vermittelt hatte: Beide Seiten stehen sich grundsätzlich arg unversöhnlich gegenüber. Sig Zelt von Pro Fans hatte zuvor ganz gut auf den Punkt gebracht, worum es geht: Fußballanhänger wollen einfach nicht, dass die Polizei sie permanent als Sicherheitsrisiko darstellt. Doch genau das sei der Fall: "Man wird ein Stück weit als Terrorist betrachtet."
Quelle: ntv.de