Fußball

Schalkes Fehler mit Grammozis Ein Trainer, der nie gewinnen konnte

Schalker Vergangenheit: Dimitrios Grammozis.

Schalker Vergangenheit: Dimitrios Grammozis.

(Foto: dpa)

Der FC Schalke 04 glaubt nicht mehr daran, dass mit Dimitrios Grammozis der Wiederaufstieg in die Fußball-Bundesliga gelingen kann und schmeißt den Trainer raus. Das ist konsequent, wirft aber auch die Frage auf, ob der Klub jemals wirklich von seinem Coach überzeugt war.

Eine Flanke von der (linken) Seite, ein Tor von Simon Terodde. So spielt der FC Schalke 04 Fußball. Diese extrem verzwergte Sicht auf seinen taktischen Masterplan wurde Trainer Dimitrios Grammozis am Sonntag, nach einer als arg peinlich bewerteten 3:4-Heimniederlage gegen den Abstiegskandidaten Hansa Rostock, zum sportlichen Verhängnis. Der gebürtige Wuppertaler wurde von den Vereinsmächtigen aus der Verantwortung genommen, um das Saisonziel noch zu erreichen. Das heißt: unmittelbare Rückkehr in die Bundesliga. So wurde es in der Mitteilung zum Aus für den Coach offensiv ausgesprochen. Das, also die Klarheit der Ziele, war nicht immer so.

"Von der Qualität des Kaders sind wir weiterhin überzeugt. Doch um im Kampf um die Spitzenplätze erfolgreich sein zu können, benötigen wir eine kontinuierliche Weiterentwicklung, die wir thematisiert, aber nicht gesehen haben", sagte Sportvorstand Peter Knäbel in der Mitteilung zu Freistellung des Trainers. "Die Überzeugung, dass unser avisiertes Ziel, [...], in der bestehenden Konstellation noch eine ausreichend hohe Wahrscheinlichkeit besitzt, hatten wir nicht mehr", fügte Sportdirektor Rouven Schröder hinzu.

Ohne die Gazprom-Millionen wird's schwerer

Eine Rückkehr ins Oberhaus wäre nicht nur sportlich, sondern auch finanziell extrem wichtig - vor allem weil die Millionen-Zahlungen des langjährigen Sponsors Gazprom ausbleiben werden. Der russische Staatskonzern war seit 2007 der wichtigste Geldgeber des mit rund 200 Millionen Euro Verbindlichkeiten belasteten Traditionsklubs. Als Folge der russischen Invasion in die Ukraine hatte Schalke 04 die Kooperation beendet. Zwar präsentierten die Gelsenkirchener mit dem Wohnungsunternehmen Vivawest schnell einen neuen Geldgeber und Sponsor. Doch die Erlöse der "temporären Partnerschaft" dürften deutlich unter denen der Gazprom-Ära liegen.

Die Nachricht von der Entlassung Grammozis' ist alles, aber keine Überraschung. In seiner ganzen Zeit war er bei den "Königsblauen" ein Trainer, der eigentlich nie gewinnen konnte. Zwar hatte er in den vergangenen Tagen etwas erreicht, was für die (jüngeren) Schalker Verhältnisse fast schon episch klingt, er hatte sich ein Jahr im Amt gehalten, aber er war vor allem ein Mann, der die ständig mitlaufenden Zweifel an seiner Arbeit nicht ausräumen konnte. Nicht auf dem Weg in die 2. Liga, der ihm nur indes kaum angelastet werden kann. Nicht in dieser Spielzeit, die halt mit dem direkten Wiederaufstieg enden soll. Mit diesem Trainer bekamen die Gelsenkirchener nie Ruhe in den Verein. Nicht während des Erstliga-Horrors, nicht beim Projekt Wiederaufbau.

Zu früh auf den Trainer festgelegt

Dass Grammozis nach diesem 25. Spieltag weichen muss, ist ein Problem mit Ansage. Zu schwer lastete die Hypothek des Absturzes auf seinen Schultern. Auch wenn er viel weniger verantwortlich für das fußballerische Unglück war, als seine vier verzweifelten Vorgänger und die sportliche Leitung, die ihm einen Kader als nicht zu sortierendes Chaos übergeben hatten. Im Nachhinein lässt sich vieles einfach(er) hinterfragen. War es wirklich sinnvoll einen Coach zu verpflichten, der den Bogen zwischen Horror und Hoffnung schlagen muss(te)? Wäre ein kompletter Neustart auf allen Ebenen nicht viel sinnvoller gewesen? So wie er mit Schröder auf der relevanten Position des Sportdirektors und Kader-Bauherren gelungen war?

Anfang März 2022 muss man sagen: Ja, es wäre besser gewesen. Aber die alleinige Schuld für die sportliche Lage bei Grammozis abzuladen, wäre zu einfach. Was stimmt: Die Mannschaft macht seit Wochen (viel) zu wenig aus den Möglichkeiten, die dieser Kader herzugeben scheint. Eine sich etablierende und weiterentwickelnde Idee es Trainers war auf dem Feld nicht zu erkennen. Weder traten seine Fußballer dominant auf, noch setzten sie auf schnelles Umschaltspiel. Die Schalker wirkten zu oft zögerlich und in entscheidenden Momenten unorganisiert. Wie etwa die Gegentore gegen Rostock fielen, das war schon erschreckend. Erschreckend planlos.

Nur einen Moment der Stärke erlebt

Was aber auch zur Wahrheit gehört: Schalke hat es seinem Trainer eigentlich nie möglich gemacht, aus seiner Position der Schwäche nach dem Abstieg herauszukommen. Schon im Sommer war Grammozis angezählt. Bei den Fans hatte er das Vertrauen verspielt, irgendeine Verbesserung, eine Veränderung im Vergleich zu seinen Vorgängern gab es nicht. Auch Schröder soll ja nach seinem Amtsantritt am 1. Juli 2022 Zweifel daran gehabt haben, ob der Übungsleiter der richtige für die schwierige Mission sei. Dass zwischendurch auch immer der Name des emotionalen T-Shirt-Trainers Steffen Baumgart durch die verwaisten Schachtanlagen der Malocher-Stadt geisterte und wilde Fantasien befeuerte, stärkte die Position von Grammozis zusätzlich nicht.

Einen Moment der Stärke, nicht der Unangreifbarkeit, erreichte der 43-Jährige in seiner königsblauen Zeit vielleicht nur ein Mal, am 22. Januar dieses Jahres. Mit 5:0 war Schalke im Bergmannsduell bei Erzgebirge Aue über einen überforderten Gegner gerauscht. Neuzugang Andreas Vindheim, der einen Treffer selbst erzielt hatte und drei weitere vorbereitete, ließ an diesem Abend die schönsten Träume vom Aufstieg, reifen. Doch (viel zu) schnell platzten diese wieder. Das ist die Murmeltiergeschichte des FC Schalke 04. Statt der großen Befreiung, gab es zähe Siege gegen Regensburg (2:1) und Paderborn (2:0), eine fürchterliche Leistung gegen Düsseldorf (1:2), ein bitteres Remis gegen Karlsruhe (1:1), als Marvin Pieringer in der Nachspielzeit eine Mega-Chance zum Sieg liegenließ, und eben die Peinlichkeit gegen Hansa Rostock.

Viele Versprechen, wenig Wirkung

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"Der Mannschaft mangelte es seit Jahresbeginn an der notwendigen Konstanz, sowohl was Resultat, aber insbesondere auch die zentralen Leistungsparameter betrifft", urteilte nun Sport-Vorstand Peter Knäbel, der im Sommer die Chance für Grammozis zum Neuaufbau des Teams durchgesetzt hatte: "Es ist gerade diese Konstanz, die Teams, die aufsteigen wollen, benötigen." Und es ist eben auch ein Plan B, den eine Mannschaft immer braucht, wenn die bevorzugte taktische Herangehensweise nicht wirkt. Im Nachgang der Spiele konnte der Trainer oft erklären, was nicht gut war und was man hätte besser machen müssen. Auch umstrittene und gescheiterte Personalentscheidungen konnte er immer irgendwie erklären. Doch allen Ansagen zum Trotz, dass es nach Länderspielunterbrechungen oder der Winterpause spielerische Fortschritte gebe, gab es kaum bis keine Entwicklungen mehr. Auf das erfolgreichen Stabilisieren des Teams nach einem schwachen Start in die Saison erreichte Grammozis aber nie die nächste Ebene, die für den Schalker Erfolg wichtig gewesen wäre.

Den soll nun schnell ein neuer Mann absichern. Wer das wird? Noch unklar, womöglich wird er aber schon am heutigen Montag präsentiert. Die Gerüchte reichen von Friedhelm Funkel, über Uwe Neuhaus bis hin zu Daniel Farke, der erst von wenigen Tagen als Reaktion auf den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine in Krasnodar aufgehört hatte. Die Mission für den neuen Mann ist klar umrissen: Schalke zum Aufstieg führen. Neun Spieltage bleiben dafür Zeit, neun Spieltage in denen es noch gegen die Top vier der Liga, also gegen Werder Bremen, den SV Darmstadt 98, den FC St. Pauli und den 1. FC Nürnberg geht. Tore von Simon Terodde sind willkommen, aber noch mehr in Plan B.

Quelle: ntv.de

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