Brisantes Drittliga-Derby Ein Unentschieden, das doch nicht versöhnt
01.03.2020, 10:10 Uhr
Die Fanblocks zündeten vor und während der Partie mehrmals Pyro-Technik.
(Foto: imago images/Jan Huebner)
Der SV Waldhof Mannheim freut sich über Spiele in der Dritten Fußball-Liga, für den 1. FC Kaiserslautern sind diese dagegen eine Strafe. Das eher selten ausgetragene Südwest-Derby elektrisiert die Menschen - ein paar wenige sorgen auch für negative Schlagzeilen.
Ganz zum Schluss zogen die Chaoten die Aufmerksamkeit noch einmal auf sich. Als die allermeisten der mehr als 23.000 Zuschauer das Stadion schon verlassen hatten, und die Mannschaften bereits in den Kabinen waren, lieferten sich etwa 250 Anhänger des SV Waldhof Mannheim und des 1. FC Kaiserslautern einen dümmlichen Wettstreit. Zunächst traten einige Pfälzer solange auf den Zaun vor ihrem Block ein, bis dieser nachgab und sie auf den Rasen des Carl-Benz-Stadions laufen konnten.
Daraufhin öffneten auch die Mannheimer ein Tor vor ihrem Block und ein knappes Dutzend betrat den Innenraum. Mehr geschah jedoch nicht. Zu körperlichen Auseinandersetzungen kam es nicht, weil beide Seiten nur ihre Muskeln spielen ließen und sich von der schnell eingreifenden Polizei wieder zurück in den Block drängen ließen. Es gab ein paar Festnahmen, einen nicht unerheblichen Sachschaden und viel Unverständnis unter den Beobachtern der Szenerie. Insgesamt fiel die Bilanz des Südwest-Derbys in der Dritten Liga zwischen dem SV Waldhof und dem FCK aber positiv aus. Die im Vorfeld befürchteten schweren Ausschreitungen blieben aus.
Den aufstrebenden Klub aus Mannheim und den taumelnden ehemaligen Riesen aus Kaiserslautern verbindet eine tiefe Feindschaft, was deshalb komisch ist, weil die Mannschaften beider Vereine am Samstag erst zum 20. Mal überhaupt aufeinandergetroffen sind. Die Rivalität ist nicht über Jahrzehnte hinweg gewachsen, wie beispielsweise zwischen Borussia Dortmund und dem FC Schalke 04. Das erste Pflichtspiel gab es erst im Oktober 1983.
Fans zahlen 100 Euro für Schwarzmarkt-Karten
Trotzdem ist die Abneigung so groß, dass ein Großaufgebot der Polizei sowie des Sicherheitsdienstes im Stadion nötig war, um die Emotionen unter Kontrolle zu halten. Unter diesen Vorzeichen gab es das richtige Resultat, denn wie im Hinspiel Anfang September in Kaiserslautern endete die Partie 1:1-Unentschieden. Da es keinen Verlierer gab, musste niemand seinem Frust freien Lauf lassen. "Man hört ja, was hier los ist", sagte Kevin Conrad in den Katakomben des Carl-Benz-Stadions, als draußen gerade wieder ein paar Böller abgeschossen wurden. Der Kapitän der Mannheimer mag die knisternde Atmosphäre, die solche Fußballspiele bieten, ärgert sich aber über die wenigen Chaoten auf beiden Seiten, die immer wieder für Zwischenfälle sorgen.
Ohne die aggressiven Streitsucher, die es mit ihrem Vandalismus in die regionalen Nachrichten schaffen, gab es in Mannheim am Samstag ein Freudenfest für Fußball-Nostalgiker - inklusive "Pyro-Show" vor dem Anpfiff beider Halbzeiten. Schon weit vor Spielbeginn war im und vor dem Stadion die Vorfreude der Menschen auf die Partie zu spüren. Das Duell gegen den Rivalen elektrisierte die Anhänger, auf dem Schwarzmarkt wurde für eine Karte des Drittliga-Duells mehr als 100 Euro bezahlt. Gefühlt gab es im gesamten Stadion keinen Zuschauer, der ohne Fan-Utensilien unterwegs war. "Das ist toll, vor so einer Kulisse zu spielen", sagte Mannheims Mittelfeldspieler Maurice Deville und Trainer Bernhard Trares erklärte: "Für unseren Verein ist es fantastisch, dass das Stadion ausverkauft ist."
"Weiß nicht, ob es bei diesem Klub Ruhe geben kann"
Die Waldhöfer saugten die 90 Minuten in sich auf wie ein ausgetrockneter Schwamm. Der Aufsteiger genoss nicht nur das Derby im eigenen Stadion, sondern die gesamte Spielzeit, denn der SVW war 16 Jahre lang in den Niederungen des Amateurfußballs verschwunden, ehe er die bundesweite Bühne im vergangenen Sommer wieder betrat. Für den SVW fühlen sich Spiele wie gegen den FCK oder andere klangvolle Namen in der Dritten Liga wie ein Geschenk an.

FCK-Torwart glaubt nicht an Ruhe im Klub - im Hintergrund das Großaufgebot der Polizei.
(Foto: imago images/Jan Huebner)
Für die Menschen in Kaiserslautern ist es immer noch eine Strafe. Der Klub war 1998 Deutscher Meister, spielte bis 2012 in der Bundesliga und scheiterte 2015 noch knapp an der Rückkehr ins Oberhaus, ehe der Abstieg begann. Vor knapp zwei Jahren zogen die Lauterer in die Dritte und kämpfen seither vergeblich um die Rückkehr in die Zweite Liga. Im Moment sind die Roten Teufel tabellarisch der Regionalliga näher als dem Aufstieg und müssen bis Anfang Mai mindestens zehn Millionen Euro auftreiben, um die Lizenz für die kommende Saison zu erhalten. Der Klub taumelt am Abgrund und deshalb war es wichtig, das Derby beim verhassten Rivalen aus Mannheim nicht auch noch zu verlieren.
Das Remis verhindert zumindest, dass die Unruhe beim FCK kurzfristig noch größer wird. "Ich weiß gar nicht, ob es bei diesem Klub überhaupt Ruhe geben kann", sagte Lennart Grill. Der Torhüter der Lauterer ist mit 21 Jahren das größte Talent des Klubs und als Eigengewächs ein Liebling der Fans. Für Grill war die Partie in Mannheim besonders wichtig, weil es die erste ohne Gerry Ehrmann war. Der Torwarttrainer war zu Beginn der Woche nach einem Disput mit Cheftrainer Boris Schommers gefeuert worden - und die Folge war ein mittelstarkes Erdbeben in der Pfalz.
Ehrmann ist eine Identifikationsfigur beim FCK. Zunächst stand er zwischen 1984 und 1996 im Tor. Anschließend formte er eine ganze Reihe erstklassiger Keeper wie Roman Weidenfeller, Kevin Trapp, Tim Wiese, oder eben zuletzt Grill. Künftig müssen der FCK und Grill ohne Ehrmann auskommen. "Ich kann es ja nicht ändern", sagte das Torwarttalent am Samstag in Mannheim.
Quelle: ntv.de