Politik? Nur Ablenkung! Eishockey-Welt gastiert in Weißrussland
09.05.2014, 17:20 Uhr
(Foto: imago/ITAR-TASS)
Weißrussland gilt als letzte Diktatur Europas. Menschenrechtler kritisieren deswegen die heute beginnende Eishockey-WM in Minsk als Propaganda für Präsident Alexander Lukaschenko. Die deutsche Mannschaft will nur eins: sich auf den Sport konzentrieren.
Ein wenig stimmen die politischen Verhältnisse im WM-Gastgeberland Weißrussland die deutschen Eishockey-Nationalspieler schon nachdenklich. "Natürlich macht sich jeder Einzelne Gedanken", berichtete etwa Routinier Alexander Barta am Rande des Trainings in Minsk. Als Kritiker des totalitären Regimes von Staatschef Alexander Lukaschenko wollen sich der 31-Jährige und seine Teamkameraden geschweige denn Bundestrainer Pat Cortina jedoch nicht hervortun.
Mannschaft und vor allem der Deutsche Eishockey-Bund (DEB) begegnen dem brisanten Thema mit Vorsicht und noch mehr Zurückhaltung. "Wir als Spieler können solche Dinge sowieso nicht beeinflussen", schränkte Barta ein: "deswegen versuchen wir, dass wir die Nebenschauplätze ausblenden."
"Sport soll unpolitisch sein"
Immerhin sprechen die deutschen Spieler über das heikle Thema. Bundestrainer und DEB-Sportdirektor Cortina will dazu lieber nichts sagen, "weil ich mich auf den Sport konzentrieren will". Auf Nachfragen verweist der DEB auf allgemein abgesprochene Äußerungen von Präsident Uwe Harnos. "Wir meinen, dass Land und Menschen durch Sportveranstaltungen und der damit einhergehenden Öffentlichkeit mehr geholfen ist", lautet ein verschicktes Statement zur Frage, ob ein Boykott der umstrittenen Veranstaltung besser gewesen wäre. "Sport soll unpolitisch sein, der Völkerverständigung dienen", lautet eine weitere Äußerung dazu.
Weißrusslands Präsident Lukaschenko gilt nach westlichem Verständnis als einzig verbliebener Diktator Europas, die Menschenrechtslage gilt als katastrophal. Massiv stürzte die Kritik an der WM-Vergabe auf den Weltverband IIHF ein. Die Forderungen häuften sich - trotzdem sah der Weltverband davon ab, den WM-Schauplatz zu verlegen. "Das war eine ganz demokratische Entscheidung, die wir trafen in 2009 in der Schweiz, wo die Weißrussen kandidiert haben", sagte Weltverbandspräsident Rene Fasel im Deutschlandfunk.
Nur keine Ablenkung
Seit diesem Freitag ist das Eishockey-Spektakel in der weißrussischen Hauptstadt im vollen Gange. Aus Sicht von Amnesty International bietet die WM die Chance, die Menschenrechtsverletzungen in dem Nachbarland von Polen anzuprangern. Dies deckt sich durchaus mit der Sichtweise von Harnos. Verpflichtet fühlt sich die deutsche Mannschaft jedoch nicht, Politik interessiert die in Minsk als Außenseiter antretende Auswahl derzeit nur am Rande. Nichts soll sie von einem erfolgreichen WM-Abschneiden und einem gelungenen Auftakt am Samstag gegen Kasachstan ablenken.
Lukaschenko als Gesprächsthema in der Kabine oder im Hotelzimmer? Eher nicht. "Ich muss ehrlich sagen, ich bin jetzt nicht so der große Politiker", räumte Russland-Legionär Felix Schütz ein und ergänzte: "Wir kriegen eigentlich sehr wenig mit". In den kommenden zwei Wochen kann Weißrussland in der Öffentlichkeit einen Eindruck hinterlassen. Der Empfang und erste Eindruck sei "herzlich" gewesen, beschrieb Barta. Mit einer weißrussischen Brotspezialität hatten Einheimische die deutschen Gäste bei ihrer Ankunft im Hotel begrüßt.
Quelle: ntv.de, Kristina Puck, dpa