Fifa-Wahl "verkommt zur Farce" England kritisiert, DFB kuscht
28.05.2011, 13:07 UhrAls "schmuddelig" kritisiert Großbritanniens Premier David Cameron die Arbeit des Fußball-Weltverbandes Fifa und fordert, die für Mittwoch angesetzte Präsidentenwahl zu verschieben. DFB-Boss Theo Zwanziger teilt diese Bedenken nicht, obwohl beide Anwärter auf das Präsidentenamt unter akutem Korruptionsverdacht stehen. Er steht fest zu Fifa-Boss Joseph Blatter. Im Netz regt sich derweil Widerstand.

Der große Aussitzer: Fifa-Präsident Joseph Blatter sieht auch nach den neuerlichen Skandalen keinen persönlichen Handlungsbedarf.
(Foto: dpa)
Der britische Premierminister David Cameron hat den Fußball-Weltverband Fifa kritisiert und als "düster" bezeichnet. "Der Premierminister hat öffentlich und privat deutlich gemacht, dass nach seinem Verständnis die Arbeit der Fifa ziemlich schmuddelig geworden ist", zitierte die Londoner "Times" eine Quelle aus dem Regierungssitz in der Downing Street.
Diese Quelle bestätigte der Zeitung auch, dass Cameron seinen Sportminister Hugh Robertson in der Forderung unterstütze, die Wahl des Fifa-Präsidenten am kommenden Mittwoch in Zürich abzusagen. Englands Sportminister Hugh Robertson sagte, die Wahlen - bei der Amtsinhaber Joseph Blatter gegen Herausforderer Mohamed Bin Hammam antritt - "verkommen zu einer Farce". Die Engländer hoffen nun, dass auch andere Länder diese Auffassung teilen.
Zwanziger lobt Blatter
Zumindest bei DFB-Präsident Theo Zwanziger beißen die Engländer damit auf Granit. Der DFB-Boss steht weiterhin fest an Blatters Seite, eine Wahlverschiebung ist für ihn kein Thema. In einem Gastbeitrag für die "Rhein-Zeitung" erläutert er, warum der DFB bei der Wahl am Mittwoch nicht Bin Hammam, sondern sein Ehrenmitglied Blatter unterstützt: "Wir können seine Stärken und Schwächen einschätzen. Weil stets nur die ganz großen Entscheidungen im Mittelpunkt stehen, wird häufig völlig übersehen, wie sehr sich die Fifa unter seiner Führung weiterentwickelt hat." Damit spielt Zwanziger auf das exorbitante Gewinnwachstum der Fifa unter Blatter an.
Gleichzeitig zweifelt Zwanziger an, dass man von Bin Hammam "wirklich Aufklärung, neue Entscheidungsstrukturen und Transparenz" erwarten könne und lobt Blatter für das Vorgehen der Fifa nach den Korruptionsvorwürfen im Dezember 2010. Dass genau dieses Vorgehen dazu führte, dass drei nachweisliche Empfänger von Schmiergeldern bei den umstrittenen WM-Vergaben mitstimmen durften, verteidigt Zwanziger. Deshalb traut er auch Blatter zu, "den Fußballfans ein Stück Vertrauen in die 'fußballerische Weltregierung' zurückzugeben" - obwohl die Fifa das Vertrauen in Blatters 13-jähriger Amtszeit verspielt hat.
Facebook-Initiative für Wahlverschiebung
Der renommierte deutsche Sportjournalist und Fifa-Kritiker Jens Weinreich hat derweil eine Facebook-Initiative gestartet, die sich für eine Verschiebung der Fifa-Wahlen einsetzt. Unter dem Titel "Crack Fifa. For the Game. For the Fans" fordert er angesichts der massiven, bislang bekannten Vorwürfe, die mittlerweile 10 von ursprünglich 24 Mitgliedern des Fifa-Exekutivkomitees betreffen, den Verzicht auf den geplanten Wahltermin.
In seinem Blog begründet er das wie folgt: "Das Bildchen, was hierzulande manche Medien malen, stimmt halt nicht: Im FIFA-Präsidialkampf gibt es nicht Gut und Böse. Es gibt nur: Böse." Weinreichs Fazit: Blatter muss zurücktreten, Bin Hammam auf die Kandidatur verzichten.
Bewerber vor der Ethikkommission
Sowohl Amtsinhaber Joseph Blatter als auch sein Herausforderer Mohamed Bin Hammam müssen sich im Vorfeld der Wahl vor der Fifa-eigenen Ethik-Kommission erklären. Bin Hammam wird vorgeworfen, im Vorfeld der Vergabe der WM 2022 an sein Heimatland Katar möglicherweise stimmberechtigte Vertreter von Fifa-Mitgliedern bestochen zu haben. Bin Hammam vermutet, dass Blatter hinter den Ermittlungen stecke, und beantragte seinerseits eine Untersuchung gegen den Schweizer. Blatter soll von Zahlungen gewusst und diese toleriert haben.
Die Briten sind seit der Vergabe der Weltmeisterschaften 2018 an Russland und 2022 an Katar nicht gut auf die Fifa zu sprechen, die unter anderem die englische Bewerbung übergangen hatte. Der englische Fußball-Verband FA will sich aufgrund der Bestechungsvorwürfe gegen Blatter und Bin Hammam demonstrativ bei der Präsidentenwahl am kommenden Mittwoch enthalten. "Die zuletzt aufgekommenen Themen machen es aus Sicht der FA äußerst schwierig, einen der Kandidaten zu unterstützen", teilte die FA mit.
Quelle: ntv.de, cwo/sid/dpa