100 Tage van Gaal in München Euphorie sieht anders aus
07.10.2009, 14:28 UhrAcht Spiele, zwölf Punkte und nur Tabellenrang acht: Die 100-Tage-Bilanz von Bayern Münchens neuem Chefcoach Louis van Gaal ist unbefriedigend. Zwar ist beim deutschen Fußball-Rekordmeister zweifelsohne eine Handschrift des Niederländers zu erkennen, aber nach dem vollmundigen Amtsantritt van Gaals am 1. Juli hatten die Verantwortlichen des FC Bayern München einen reibungsloseren Start des neuen Trainers erhofft.
Statt einer glorreichen Eroberung der Tabellenspitze muss der Liga-Primus den für sich beanspruchten Platz seit mehr als 500 Tagen von unten anschauen. "Ich denke nicht, dass die Preise jetzt verteilt werden, sondern immer in den Monaten April und Mai", entgegnete van Gaal, der in der Länderspielpause zu einem Kurztrip in die Heimat startete. Am 100. Tag seiner Bayern-Amtszeit an diesem Donnerstag stellt van Gaal in den Niederlanden seine Biografie vor. Viele erfolgreiche Geschichten hat das Trainerleben des Champions-League-Siegers mit Ajax Amsterdam (1995) schon aufzuweisen.
Die ersten Kapitel in München sind abwechslungsreich. Starke Vorstellungen des mit mehr als 70 Millionen Euro verstärkten Ensembles wie gegen Meister VfL Wolfsburg (3:0) oder in der Champions League gegen Juventus Turin (0:0), aber auch ernüchternde Auftritte wie in Mainz (1:2) oder jüngst gegen den 1. FC Köln (0:0). "Wir haben einen Schlachtplan, wie wir da wieder rauskommen", betonte Manager Uli Hoeneß jüngst in der "Bild"-Zeitung. Noch eine titellose Saison will sich der "FC Ruhmreich" (Süddeutsche Zeitung) jedenfalls nicht erlauben.
Die Spielidee ist zu erkennnen
Euphorie, so befand Präsident Franz Beckenbauer, komme derzeit jedoch keine auf. Wie vor einem Jahr, als Jürgen Klinsmann nach acht Spieltagen ebenfalls nur zwölf Punkte auf der Haben-Seite hatte. Rechnerisch sieht es unter dem Fußball-Lehrer van Gaal ähnlich aus wie unter dem in München gescheiterten Fußball-Visionär, der ebenso wie der Niederländer auf den "Prozess" der Entwicklung verwies; aber vieles ist anders. Eine Spielidee van Gaals - viel Ballbesitz, viele Pass-Stafetten und jede Menge Ordnung - ist deutlich zu erkennen. "Bei Bayern ist immer der Erfolg das wichtigste und nicht die Spielphilosophie und das System", warnte jedoch Münchens Ex-Trainer Ottmar Hitzfeld im DSF, glaubt aber zugleich an einen Aufschwung. "Ich bin überzeugt, dass Louis van Gaal die Resultate bald einfahren wird."
Davon ist auch van Gaal selbst überzeugt, wie von sich selbst und seiner Arbeit. "Ich bin ein sehr direkter Trainer. Ich trainiere mehr das Gehirn als die Beine. Ich bin fanatisch beim Training, das ist schwierig für die Spieler", sagte der 58-Jährige, der mit seinem rigorosen Leistungsprinzip aber auch schon für Verunsicherung sorgte. Mario Gomez oder Ivica Olic wunderten sich, dass sie trotz ihrer Treffer plötzlich wieder auf der Bank saßen. Drei Spiele wartet die Bayern-Offensive auf ein Tor.
Die teuren neuen Spieler tun sich schwer
"Ich beobachte die Spiele und die Trainings und dann analysiere ich. Auch den Gegner und seine Qualitäten und dann mache ich meine Aufstellung", erläuterte van Gaal, der andererseits Eigengewächsen wie Holger Badstuber und Thomas Müller zum kometenhaften Aufstieg verhalf. Dagegen tun sich gerade die teuren neuen Spieler schwer. Beim Torlos-Kick gegen Köln stand der bislang nicht überzeugende Edson Braafheid als einziger Neueinkauf in der Startformation.
Gegen die Geißbock-Elf war zudem zu spüren, dass der Gegner den FC Bayern nicht mehr wie einst fürchtet. Aber da will der mit seiner "Mia-san-mia"-Rede angetretene van Gaal wieder hin. "Die Ära von Louis van Gaal ist noch am Anfang", betonte Bastian Schweinsteiger. Und am Saisonende will der Coach dann auch "die Preise" vorweisen.
Quelle: ntv.de, Christian Kunz, dpa