Frankreichs peinliche WM-Versager Evra schimpft auf Domenech
09.08.2010, 14:11 UhrFrankreichs Kapitän Patrice Evra hat nach der peinlichen Vorstellung der Equipe Tricolore bei der Fußball-WM in Südafrika nun Ex-Nationaltrainer Raymond Domenech kritisiert. "Nach jedem Training gab es Beschwerden bei mir wegen Domenechs schlechter taktischer Arbeit."
Eineinhalb Monate nach der französischen Blamage bei der Fußball-WM bricht auch der mittlerweile ehemalige Team-Kapitän Patrice Evra sein Schweigen. "Die WM war ein wahrer Alptraum", sagte Evra der französischen Zeitung "Le Figaro". Wie andere Spieler vor ihm ging auch der 29-Jährige mit Ex-Trainer Raymond Domenech hart ins Gericht: "Es gab bei der WM überhaupt keinen Dialog mehr mit dem Coach." Man habe "das Wichtige vergessen. "Wir haben nämlich mehr über die Probleme des Alltags in Südafrika als über den Fußball gesprochen", so der Profi von Manchester United.
Wenig freundliche Worte fand Evra auch für den früheren Nationalspieler Lilian Thuram, der als Vorstandsmitglied des französischen Verbandes FFF Evras Verbannung aus der Nationalmannschaft gefordert hatte. "Er hat meinen Ruf geschädigt, ohne zu wissen, was passiert ist. Ich habe versucht, eine Erklärung von ihm zu bekommen. Aber er hat nicht reagiert und anschließend behauptet, ich würde nicht antworten."
"Sollte sich nicht für Malcolm X halten"
Thuram solle aufhören, eine Rolle zu spielen, die er nicht inne hätte, und zu behaupten, die Mannschaft schüre Rassismus. "Er sollte nicht mit Büchern über Sklaverei und einer Brille herumlaufen und sich für Malcolm X halten", meinte Evra in Richtung Thuram, der den Verteidiger für den Spielerstreik während der WM verantwortlich gemacht hatte.
Evra verriet, dass die Spieler um Ribéry und Rekordtorjäger Thierry Henry Domenech schon vor dem Testspiel gegen Costa Rica darum baten, mehr Anweisungen zu geben. "Daraufhin hat er sich angegriffen gefühlt. Er hat jeden Meinungsaustausch abgelehnt", erzählte der linke Außenverteidiger. Kameraden hätten sich bei ihm, dem Kapitän, "nach jedem Training beschwert", weil es kaum taktische Arbeit gegeben habe. Er selbst habe die Verbannung von Henry auf die Bank, die plötzliche Änderung des Spielsystems beim WM-Auftakt gegen Uruguay (0:0) sowie die kurze Einsatzzeit des offensiven Mittelfeldmannes Florent Malouda überhaupt nicht verstanden.
"Wir Spieler hätten mehr geben müssen"
Domenech trage aber nicht die ganze Schuld. "Wir Spieler, ich allen voran, hätten mehr geben müssen. Die Hauptverantwortlichen standen auf dem Rasen", räumte er ein. Auch der Trainingsboykott im WM-Quartier in Knysna sei ein Fehler gewesen. "Wir hätten unsere Unzufriedenheit mit dem Ausschluss von Nicolas Anelka anders zeigen müssen". Anelka sei von der Arbeit von Domenech so genervt gewesen, dass er schon vor WM-Beginn die Équipe tricolore habe verlassen wollen. Evra bat die Fans um Verzeihung, betonte aber, er sei stets ehrlich geblieben.
Evra will nun alles vergessen. "Man muss an die Zukunft denken", sagt er. Er sei deshalb sehr überrascht, dass der FFF-Verband den Trainingsboykott untersucht und ihn, Anelka, Ribéry, Jérémy Toulalan und Éric Abidal in diesem Zusammenhang befragt habe. "Ich dachte, wir wollten ein neues Kapitel beginnen." Die Entscheidung des neuen Nationaltrainers Laurent Blanc, die 23 WM-Fahrer für das erste Freundschaftsspiel am Mittwoch in Oslo gegen Norwegen zu sperren, sei unterdessen korrekt. "Sie zeigt aber, dass es in Südafrika nicht fünf oder sechs 'Bandenführer' gegeben hat."
Quelle: ntv.de, dpa/sid