Nächste Blamage, dann der BVB VfL Bochum dreht Lautsprecher Sandro Wagner den Ton ab
29.10.2025, 07:45 Uhr
Bochumer Partyzone in Augsburg.
(Foto: IMAGO/MIS)
Der FC Augsburg rast immer schneller in die Krise, der VfL Bochum kämpft sich langsam von der fußballerischen Intensivstation. Im DFB-Pokal sorgt der Zweitligist für eine dicke Überraschung und wirft den FCA raus. Deren Trainer wehrt Zweifel ab.
Tonlage und gesagte Worte passten bei Sandro Wagner in der Nacht zu Mittwoch nicht zusammen. Die Stimme fast brüchig betonte er, "null komma null verunsichert" zu sein. Er sei weiter "total überzeugt" von den Spielern. Und auch von dem Weg, den er als Trainer beim FC Augsburg eingeschlagen habe. Der führt indes rasant in die in Richtung Höllenschlund. Auf die 0:6-Klatsche gegen RB Leipzig in der Fußball-Bundesliga folgte nun das peinliche DFB-Pokal-Aus gegen den Zweitligisten VfL Bochum.
Der philippinische Nationalspieler Gerrit Holtmann, der den Klub im Sommer erst verlassen hatte und dann doch zurückkehrte, traf nach einer feinen Kombination in der 39. Minute zum Sieg (1:0). Ein großer Kampf gegen den nächsten Untergang der Augsburger blieb danach aus.
Wagner, eigentlich ein Mann der großen Töne, wurde an diesem Dienstagabend immer leiser. Der VfL Bochum hatte ihn fast stumm geschaltet. "Jetzt nach den zwei Heimspielen große Parolen rauszuhauen, wäre nicht so intelligent." Offenbar habe die herbe Niederlage gegen RB "doch mehr reingehauen, als wir gedacht hatten". Und die Aussichten auf schnelle Linderung der großen Schmerzen sind alles andere als gut. Am Freitag kommt Borussia Dortmund und das mit dem emotionalen Pokalsieg nach Elfmeterschießen bei Eintracht Frankfurt.
Wagners Best-Of an Fußball-Floskeln
Wagner wird dann wieder an der Seitenlinie stehen. Andere Indizien gibt es derzeit nicht. Sollte aber auch das Spiel in die Binsen gehen, dürften die Diskussionen um den ehemaligen Assistenten von Bundestrainer Julian Nagelsmann richtig heiß werden. Zumal dann auch der Absturz auf einen Abstiegsrang droht. Vorerst setzt er der Krise ein Best-of an Fußball-Floskeln entgegen: Man müsse "das Spiel inhaltlich abhaken. Alles Formulierungen, die Sie wahrscheinlich schon ein paar Mal gehört haben in den letzten Jahren. Dann müssen wir uns einen guten Plan ausdenken gegen ein Top-Team, damit wir da ein gutes Spiel hinkriegen." Was besser werden muss? Ganz einfach: nahezu alles.
Die Bochumer, ein noch vor zwei Wochen maximal verunsichertes Team, verdienten sich den Sieg. Mit ein bisschen Glück, aber auch dank einer fußballerisch guten Leistung. Das jüngste VfL-Team seit 1974 stellte sich dem Pressing der Gastgeber mutig entgegen und entwickelte Lösungen am Ball. Das hatte man in Bochum lange nicht gesehen. "Der Schlüssel war heute, dass wir mehr Ballbesitz haben wollten – auch unter großem Druck. Das ist die Mannschaft in dieser Form nicht gewohnt, von hinten rauszuspielen", sagte Rösler. Und sah dabei einen Matchwinner: Francis Onyeka. Die junge Leverkusener Leihgabe kommt immer besser in Form.
Zuletzt sammelte der hoch veranlagte 18-Jährige bei der deutschen U19-Nationalmannschaft mit vielen Toren reichlich Selbstvertrauen und seither wird er auch im Spiel der Bochumer das, was sie sich mit seinem Transfer von ihm erhofft hatten: ein Unterschiedsspieler. Das Tor von Holtmann leitete er mit ein. Er spielte den Ball auf Farid Alfa-Ruprecht, ebenfalls ein junger Bayer-Leihspieler, der bei Manchester City vergangene Saison mit Erling Haaland trainierte und nun den glücklosen Philipp Hofmann als flexibler Stürmer ersetzte, der ihn gefühlvoll zum Torschützen rüberlegte. Dessen Schuss wurde nach einem Haken abgefälscht. "Der Treffer war überschallmäßig herausgespielt", sagte der als Spieler des Spiels ausgezeichnete Flügelmann zu dem rasanten VfL-Konter.
Von wegen "alles scheiße"
Die Stimmung hat sich radikal gedreht beim Absteiger, der allerdings immer noch auf einem Absturzrang steht und am Wochenende das Rote-Laterne-Derby gegen 1. FC Magdeburg bestreitet. Aus einem "Alles ist scheiße"-Gefühl ist Glückseligkeit geworden. Schon nach dem ersten Spiel unter Uwe Rösler, als Hertha BSC mit 3:2 nach 3:0-Führung besiegt worden war. Die Fans feierten den erlösenden Sieg mit "Uwe, Uwe"-Rufen. Die Sehnsucht nach Erfolg war so groß, dass der vermeintliche Heilsbringer vielleicht ein kleines bisschen zu euphorisch auf den Thron gehoben wurde. Aber er hatte eben auch viel dafür getan. Er hatte nicht nur die Mannschaft angestachelt, sondern auch die Fans. Vor dem Spiel, während des Spiels und mit geballter Faust nach Abpfiff vor der Kurve. Trotz Schweinekälte im Stadion stand er in kurzer Hose an der Seite. Er rannte wie ein wilder Stier mit, fauchte und lobte. Ein zwölfter Mann. Und er behält diesen Habitus bei, weiterhin kurzhosig.
Drei Spiele hat Rösler nun hinter sich, zwei konnte er gewinnen, in Kiel gab's einen Punkt. Und der neue Trainer ist restlos begeistert von seiner Mannschaft, die von vielen Fans noch vor wenigen Tagen für absolut untauglich erklärt worden war. "Unser Spirit war top, ich bin sehr, sehr stolz. Ich bin begeistert. Wir haben die jüngste Bochumer Mannschaft seit 1974 auf dem Platz gehabt", freute sich Rösler. Aber nicht nur der spielfreudige und mutige Kindergarten garantierte Bochum den Sieg, wieder einmal war es auch Torwart-Routinier Timo Horn. In der 82. Minute entschärfte er einen starken Freistoß von Alexis Claude-Maurice mit Glück und Können.
"Ich hoffe, dass Sie es mir nicht arrogant auslegen"
Es war die zweite Situation, in der Horn eine Wende in diesem Spiel verhinderte. Schon nach 25 Minuten war er zumindest einmal zur Stelle. Einen wuchtigen Schuss von Marius Wolf lenkte er an die Latte, dann hatte er aber Glück, dass auch der zweite Versuch von Ismaël Gharbi nur an den Querbalken knallte. Augsburg hatte drei Top-Chancen, vielmehr aber auch nicht. Das hatten die Bochumer gut verteidigt. Wieder mit ihrer Viererkette, die der Mannschaft sehr viel Stabilität gibt, anders als der vehemente Versuch von Röslers Vorgängern David Siebers und Dieter Hecking einen Dreierkette mit Schienenspielern durchzudrücken. "Wir haben mit Uwe einen guten Weg eingeschlagen", befand Horn.
In Augsburg sagt solche Sätze derzeit niemand. Die Krise hat den ganzen Verein in Haft genommen. "Die letzten zwei Spiele waren natürlich ergebnistechnisch scheiße. Wir haben uns viel, viel mehr vorgenommen. Es ist eine Riesenenttäuschung", sagte Krisen-Trainer Wagner. "Wie sehr ich verunsichert bin?", wiederholte er die an ihn gerichtete Frage in der Pressekonferenz und antwortete dann: "Ich hoffe, dass Sie es mir jetzt nicht arrogant auslegen. Aber ich bin total überzeugt von unseren Spielern. Und wenn ich das nicht wäre, hätte ich, glaube ich, eine Verunsicherung. Aber ich bin nicht verunsichert - null komma null."
Quelle: ntv.de