"Albtraum", Neuer-Pfiffe, Rausch FC Bayern geht "durch die Hölle" für diese Meisterleistung
05.11.2025, 07:12 Uhr
Am Ende spurtet selbst Bayern-Trainer Kompany in völliger Ekstase auf den Platz. Sein Team brilliert und "leidet gemeinsam" gegen PSG in einer epischen Abwehrschlacht. Heraus sticht Manuel Neuer, der ein spezielles Pfeifkonzert provoziert.
Am Ende haut irgendeiner immer noch ein Bein dazwischen. Wahlweise auch eine Haxe oder sonst noch ein Körperteil. Das "Wie" ist dem FC Bayern zu diesem Zeitpunkt längst egal, es geht in den finalen Minuten nur noch ums Überleben. Um den absoluten Willen, alles und jeden wegzuverteidigen. Dann folgt der erlösende Pfiff und damit der Platzsturm eines Mannes in völliger Ekstase - der da kein geringerer ist als Cheftrainer Vincent Kompany höchstpersönlich, der wie im Rausch auf seine Profis zuspurtet für wilde Umarmungen.
Gute 15 Minuten vor dem Ende schießt João Neves den 1:2-Anschluss für ein immer stärker werdendes Paris Saint-Germain in diesem Champions-League-Kracher zwischen den beiden derzeit besten Mannschaften der Welt. Einmal ist die Münchner Defensive zu spät, weil die Beine langsam müde werden. Denn nach einem bösen Foul von Luis Díaz muss der deutsche Rekordmeister die komplette zweite Hälfte in Unterzahl ran.
"Ich muss sagen, das war eine der intensivsten Halbzeiten meiner Karriere, von beiden Mannschaften, dieses ständige Mann-gegen-Mann-Spiel", gibt Joshua Kimmich anschließend zu. "In der zweiten Halbzeit wurde es gefühlt sogar noch intensiver." Abwehrboss Jonathan Tah fügt hinzu: "Die erste Halbzeit war brillant von uns. Die zweite Halbzeit war einfach: gemeinsam leiden, gemeinsam verteidigen, einmal durch diese Hölle gehen." Und Kompany meint sogar: "Ich möchte auch, dass wir es genießen, wenn wir verteidigen müssen."
Neuer: "Wir machen das im Training oft genug"
Die grandiose Abwehrschlacht der Münchner kommt nicht von ungefähr: "Mit zehn Mann ist es nicht so leicht. Das war dann in der zweiten Halbzeit ein Kampf", sagt Kapitän Manuel Neuer bei Prime Video und ergänzt: "Wir machen das im Training oft genug, dass wir Überzahl gegen Unterzahl spielen, 10 gegen 8. Dann wollen wir richtig gut verteidigen. Das haben wir heute bewiesen, dass wir das können."
Der Prinzenpark explodiert förmlich nach Neves' Anschlusstreffer, sodass man wohl noch am Eiffelturm die Jubelschreie hören kann. "Ici c'est Paris", schallt es durchs Rund. Das hier ist Paris. Die lautstarken Fans haben die gesamte Partie auf einen positiven Moment hingefiebert. Bei jeder noch so kleinen Aktion springen sie nun auf. Sie sehen längst kein einfaches Königsklassen-Spiel mehr. Die bayerischen Verteidigungsbemühungen mit allem Drum und Dran müssen auch diesem Fan-Feuerwerk in der finalen Phase standhalten.
Dass das 1:2 aus französischer Sicht auch den Endstand bedeutet und die Abwehrschlacht positiv für die Münchner ausgeht, liegt daran, dass sie kämpfen wie lange nicht mehr und eine selten sichtbare Defensivgier zeigen. Weil die Bayern in dieser Saison bei den vorherigen 15 Siegen nicht auf diese Art gefordert worden waren, kannte man diese Qualität noch nicht. Doch sie ist da, wenn benötigt; eine wichtige Erkenntnis für die heißen Champions-League-Wochen im Frühjahr.
Abwehrschlacht und Retro-Neuer
Die Abwehrschlacht gelingt aber vor allem auch, weil ein Torwart namens Manuel Neuer zwischen den Pfosten steht, mal wieder über sich hinauswächst und eine Retro-Leistung wie zu seinen besten Tagen der totalen Dominanz zeigt. In der 65. Minute ist Neuer erstmals in der zweiten Halbzeit gefordert, als Khvicha Kvaratskhelia nach einem feinen Steckpass frei vor dem Keeper auftaucht. Aber der Abschluss des Georgiers ist zu lasch und zentral, um Neuer in Bedrängnis zu bringen. 180 Sekunden später muss dieser sich aber bereits mächtig strecken, einen Fernschuss von Vitinha wehrt er mit einem gehechteten Faustsprung ab.
Dann macht Neuer sich wenig später ganz breit und hält grandios gegen Warren Zaire-Emery im Fünfmeterraum. Und in der 81. guckt der Keeper den Ball am Pfosten vorbei, als der Kopfball von Neves hauchzart am rechten Pfosten vorbeirauscht. Die Pariser im Rund können diesen Manuel Neuer kaum fassen - allerdings nicht nur wegen dessen Glanzparaden.
Denn den gesamten Abend über geht Torwart eine persönliche Fehde mit dem Publikum ein. Schon in der ersten Hälfte lässt sich Neuer mehrmals auffällig viel Zeit bei seinen Abstößen. Verschiebt die Kugel immer wieder von links nach rechts und zurück, bevor er endlich schießt. Schließlich führen die Bayern nach den beiden Toren von Díaz (4. und 32.) früh.
Pfeifkonzert für Bayern-Torwart
Doch gleich zu Beginn der zweiten Halbzeit hat Schiedsrichter Maurizio Mariani genug von diesen Spielchen und zeigt Neuer Gelb für Zeitspiel. Sofort brandet Jubel auf. Doch der ehemalige DFB-Kapitän lässt nicht locker und zögert Abstöße und Freistöße auch danach etliche Male hinaus. Immer wieder erntet er laute Buhrufe und Mittelfinger aus dem Pariser Publikum. Doch die persönliche Fehde scheint ihn zu reizen und zu Höchstleistungen anzustacheln. In der Abwehrschlacht nach Neves' Anschlusstor hält Neuer jeden Ball fest.
Mit dem Schlusspfiff und Kompanys Platzsturm hat der FC Bayern die große Reifeprüfung bestanden. Mehr noch: Er zeigt dabei eine offensive wie defensive Meisterleistung, mit der kein Gegner zu groß ist auf dem Weg zum ersehnten Champions-League-Triumph, dem ersten seit 2020. In der ersten Halbzeit spielen die Münchner die Pariser teilweise an die Wand, sind das klar überlegene Team. Teilweise ist es fast ein Klassenunterschied. Das Fachmagazin "L'Équipe" schreibt zu diesem Zeitpunkt von einem "Albtraum für PSG".
In der zweiten Hälfte kassieren Kompanys Männer gegen die bis dato überragende Königsklassen-Offensive in Unterzahl nur ein Gegentor. So spielt ein Topfavorit auf den Henkelpott. Dank Manuel Neuer und der Abwehrschlacht. Chapeau.
Quelle: ntv.de