Fußball

Erst Pokal-Gala, dann Grütze FC Bayern zittert sich zur Großmacht

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Was soll jetzt noch kommen? Der FC Bayern hat im vierten Heynckes-Zeitalter zweimal RB Leipzig besiegt, er hat sich an PSG gerächt und im DFB-Pokal den BVB teilweise erniedrigt. Aber mit jedem Sieg wächst der Druck – auf den Trainer.

In der 60. Minute war das Fußball-Spiel in der Münchener Allianz-Arena für einen Moment egal. Es war ja eigentlich auch alles entschieden. Der FC Bayern hatte den BVB im Pokal-Achtelfinale bis hierher mit größtmöglicher Vehemenz erniedrigt, ihn verstört, ihn erinnert, wie einsturzsensibel die Statik auch unter dem neuen Trainer Peter Stöger noch ist. In dieser 60. Minute wurde nicht das Spiel zum Thema, sondern Franck Ribéry. Der hatte sich seinen ganz speziellen, überdrehanfälligen Borussen-Akku aus dem Körper gerannt und war der Expertise seines Trainers folgend, reif für einen Abgang. Wie also würde der Franzose reagieren? Er, der schon Handschläge mit seinen Chefs verweigert und Trikots wütend weggeschmissen hatte.

Teams & Tore

FC Bayern: Ulreich - Kimmich, Boateng, Süle, Alaba - Martinez (87. Rudy), Vidal - Müller, James (75. Tolisso), Ribery (60. Coman) - Lewandowski; Trainer: Heynckes.
Borussia Dortmund: Bürki - Bartra (35. Dahoud), Toprak, Sokratis - Toljan (88. Isak), Schmelzer - Weigl, Guerreiro (56. Schürrle), Kagawa - Jarmolenko, Pulisic; Trainer: Stöger.
Tore: 1:0 Boateng (12.), 2:0 Müller (40.), 2:1 Jarmolenko (77.)
Schiedsrichter:
Sascha Stegemann
Zuschauer: 75.000 in der Allianz-Arena (ausverkauft)

Er schüttelte nun natürlich auch in dieser 60. Minute genervt den Kopf, schlich durch ein sich bis zur Seitenlinie eilig aufbauendes und ermunternd agierendes Spalier aus Mitspielern in die offenen Arme des lächelnden Jupp Heynckes – und lächelte dann ebenfalls. In dieser 60. Minute waren sie sich beim FC Bayern ganz sicher, dass sie das Viertelfinale im DFB-Pokal erreichen würden. Zu dominant war die Leistung bis dahin gewesen, zu kläglich der Auftritt der Dortmunder – 2:0, nur 2:0 stand es, dank wuchtigem Offensivfußball und den beiden Toren von Jérôme Boateng (13.) und Thomas Müller (40.).

Klar, sie hätten jetzt auch mit den Ergebnissen ihrer irrwitzigen Zahl an verdaddelten Abschlüssen hadern können, aber das wollten sie nicht. Sie, die Zuschauer, sie sangen, sofern sie Bayern-Fans waren, in der mit 75.000 Zuschauern ausverkauften Allianz-Arena lieber Elogen auf ihre so sensible französische Nummer sieben, Frank Ribéry. Sie sangen so laut und so leidenschaftlich, dass sie das Spiel darüber hinaus völlig vernachlässigten. So wie ihre Mannschaft. Die zitterte sich nämlich nach mächtig eindrucksvollem Spitzenfußball in Halbzeit eins gegen die nun immer stärker werdende Borussia zunehmend mühsam, spürbar schnaufend und grützig über den Achtelfinal-Zielstrich. Die Mannschaft wankte, aber sie fiel nicht, nicht wie am 26. April, als der BVB die Bayern im Pokal-Halbfinale spät kollabieren ließ.

Hoeneß' Körper wird durchzuckt

Dass der abgefälschte Schuss des eingewechselten Dortmunder Youngsters Alexander Isak in der zweiten Minute der Nachspielzeit knapp am Pfosten vorbeieierte, nicht den Ausgleich brachte, sondern lediglich Uli Hoeneß' Körper einmal kräftig durchzucken ließ, war sicher unangenehm für den Bayern-Präsidenten, für das Ergebnis aber völlig egal: 2:1 hieß es nach Schlusspfiff – den einzigen BVB-Treffer hatte der fleißige Andrej Jarmolenko (77.) erzielt.

"Ich bin sehr unglücklich mit unserer zweiten Hälfte", urteilte Bayern-Kapitän Thomas Müller, wollte gerade lospoltern, zwang sich aber zur Jahreszeit obligatorischen Besinnlichkeit: "Heute ist ein schöner Tag, wir gehen zufrieden in die Weihnachtspause." Und das hängt vornehmlich, nein eigentlich ausschließlich mit Jupp Heynckes zusammen. Denn der hat den Bayern als Nachfolge-Interim von Maestro Carlo Ancelotti nicht nur die Erfolge, sondern auch das Selbstvertrauen, die Leidenschaft und Gier zurückgebracht. "Wir müssen mindestens ein oder zwei Tore mehr machen, so zittern wir uns weiter. Man sieht aber auch, dass am Ende des Jahres die Kraft ein bisschen gefehlt hat", erklärte Boateng.

Mit Heynckes kam der Erfolg zurück.

Mit Heynckes kam der Erfolg zurück.

(Foto: picture alliance / Tobias Hase/d)

So wie zuletzt bei den zähen 1:0-Erfolgen in Frankfurt, gegen Köln und beim VfB Stuttgart. Dennoch hatten sich die Bayern an diesem winterlichen Mittwochabend dazu gezwungen, das für Prestige, Stimmung und Saisonurteil so wichtige Duell gegen die geschrumpfte Borussia – neben den Langzeitverletzten fehlte auch Torjäger Pierre-Emerick Aubameyang - mit einschüchternder Wucht und Entschlossenheit früh zu entscheiden.

Heynckes: "Sind der verdiente Sieger"

Bis zum 1:0 durch Boateng in Minute 13, war der Ball schon zweimal an die Latte geklatscht und zweimal selbst aus Toppositionen nicht an Keeper Roman Bürki vorbeigekommen. "Man hat von Anfang an gesehen, dass wir das Spiel gewinnen wollten", analysierte Joshua Kimmich. Der Wille allerdings, der forderte ein Höchstmaß an Aufwand, wie Coach Heynckes beobachtete: "Wir haben in der ersten Halbzeit wahnsinnig viel gegen die Fünferkette des BVB investieren müssen. Wir mussten sehr viel laufen, konnten das aber nicht ummünzen. So sind wir dann in den letzten 30 Minuten unter Druck geraten. Aber wenn wir die 94 Minuten sehen, sind wir der verdiente Sieger."

Zum 14. Mal im 15. Spiel. "Das ist eine überragende Quote", lobte der Trainer in der ARD. Eine Quote, die eine Frage chronisch werden lässt, nämlich: Warum bleibt Heynckes nicht doch länger Trainer als vereinbart? Er selbst reagiert zunehmend gereizt auf den öffentlichen Druck seines Präsidenten, der erst am Wochenende bei einem Fanclub-Besuch darüber abstimmen ließ, wer den Coach gerne noch ein Weilchen in München sehen wollen würde (Ergebnis: 300 zu Null pro Heynckes), kehrt aber selbst beste Argumente für eine Weiterbeschäftigung nach dem Carlo-Ancelotti-Missverständnis heraus. "Wir haben vieles verändert, die Umfänge im Training gesteigert, die Intensität erhöht. Wir haben viele Gespräche geführt, eine andere Stimmung erzeugt", monologisierte Heynckes auf Nachfrage. "Ich kenne den Klub und einige Spieler. Ich weiß, wie ich eine Mannschaft führen muss. Mir war klar, dass wir wieder Erfolg haben werden."

Bayerns Ziele

Und für den tut auch der Klub alles. Noch vor dem Anpfiff des Pokalspiels hatte Bayern-Boss Karl-Heinz Rummenigge erklärt, dass der Wechsel von Hoffenheims Nationalspieler Sandro Wagner für bis zu 15 Millionen Euro kurz dem Abschluss steht. "Ich kann grundsätzlich bestätigen, dass wir auf der Zielgeraden sind. Da gibt es noch ein paar kleine technische Details zu lösen."Wagner ist auf dringenden Wunsch von Heynckes als Vertreter für Topstar Robert Lewandowski eingeplant. Denn noch einmal wollen sie München nicht so planlos dastehen, wie am 13. April dieses Jahres, als sie im Viertelfinal-Hinspiel gegen Real Madrid ohne Angreifer auskommen mussten, das Spiel verloren und dann trotz spektakulärem Rückspiel-Comeback dramatisch ausschieden.

Drei Etappenziele hat der Klub in der vierten Ägide seines Coaches zur Winterpause erreicht: Er ist souveräner Tabellenführer der Fußball-Bundesliga. Er ist Achtelfinalist in der Champions League, hat sich auf dem Weg dorthin nebenbei noch an PSG für die schmerzhafteste Watsch'n seit Jahren gerächt und im Kreis der Henkelpott-Kandidaten wieder angemeldet. Und nun ist er auch noch Viertelfinalist im DFB-Pokal, hat mit RB Leipzig und dem BVB seine wohl größten Konkurrenten mit Wucht und Glück aus dem Wettbewerb gespielt. "Zurücklehnen dürfen wir uns aber nicht", so Heynckes. "Der FC Bayern hat Ziele."Eines lautet: Endlich wieder Fußball-Großmacht in Europa sein. Ein anderes: Vertragsverlängerung (falls das Arbeitspapier mittlerweile unterschrieben ist) mit Heynckes. An der - an seiner eigenen - arbeitet übrigens auch Franck Ribéry. Er würde gerne über den kommenden Sommer hinaus in München bleiben und das "am liebsten mit Jupp".

Quelle: ntv.de

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