Fußball

Sexismus, Blockaden, Faschisten Fifa-Chef-Reformer teilt aus

Strafrechtler Mark Pieth soll dem korrumpierten Fußball-Weltverband Fifa zu neuer Glaubwürdigkeit verhelfen. Eine Sisyphus-Aufgabe, sagt der Schweizer. Denn nicht nur schwer belastete Fifa-Funktionäre sträuben sich gegen Aufklärung, Reformen und Transparenz. Auch Uefa und DFB blockieren fröhlich mit.

Der renommierte Strafrechtler Mark Pieth versucht, den desaströsen Ruf der Fifa zu reparieren - und läuft Gefahr, seinen eigenen zu verspielen.

Der renommierte Strafrechtler Mark Pieth versucht, den desaströsen Ruf der Fifa zu reparieren - und läuft Gefahr, seinen eigenen zu verspielen.

(Foto: dpa)

In einer Generalabrechnung mit den Verhältnissen in den internationalen Fußball-Organisationen hat Fifa-Reformer Mark Pieth die Aufklärungsarbeit im Schmiergeld-Skandal beim Weltverband infrage gestellt. In einem Interview der "Süddeutschen Zeitung" wirft der Schweizer außerdem zahlreichen Spitzenfunktionären eine Blockade der offiziell versprochenen Transparenz-Bemühungen, Verbindungen zu ehemaligen Diktatoren und mittelalterlichen Sexismus vor. Exemplarisch für die mangelnde Reformfähigkeit des Weltverbandes Fifa ist für Pieth das für März angekündigte Ende der Untersuchungen zur Schmiergeld-Affäre um den einstigen Fifa-Vermarkter ISL.

"Der Weg verstößt gegen die Statuten", sagte der Strafrechtler und verurteilte die Pläne für die Vorlage des Abschlussberichtes von Chefermittler Michael Garcia bei der FIFA-Exekutive. Laut Ethikreglement müsste der Fall, in dem FIFA-Boss Joseph Blatter Kenntnis von millionenschweren Bestechungsgelder für seinen Vorgänger Joao Havelange und andere Top-Funktionäre des Weltverbandes hatte, entweder eingestellt oder aber der unabhängigen Spruchkammer unter Vorsitz des Münchner Richters Hans-Joachim Eckert vorgelegt werden.

Diesselben Fragezeichen wie Eckert

Die Vorsitzenden der beiden Fifa-Ethik-Kammern: Michael Garcia (l.), der Chefermittler, und Joachim Eckert. Der Deutscher steht der rechtssprechenden Kammer vor. Das Bild trügt dabei: Das Verhältnis zwischen beiden ist inzwischen nicht mehr ungetrübt.

Die Vorsitzenden der beiden Fifa-Ethik-Kammern: Michael Garcia (l.), der Chefermittler, und Joachim Eckert. Der Deutscher steht der rechtssprechenden Kammer vor. Das Bild trügt dabei: Das Verhältnis zwischen beiden ist inzwischen nicht mehr ungetrübt.

(Foto: ASSOCIATED PRESS)

"Ich habe mit Eckert gesprochen", sagte Pieth: "Wir setzen dieselben Fragezeichen. Unklar ist ja auch: Wie kann man sagen, Garcia wird im März fertig sein. Das weiß man doch nicht." Offenbar fürchtet der Basler die Gefahr, dass Eckert durch Umgehung seines Gremiums seiner Möglichkeiten zu eigenständigen Ermittlungen beraubt werden könnte.

Doch alleine die Personalie Garcia ist für Pieth, der Ende 2011 den Vorsitz der unabhängigen Kommission für Regierungsführung bei der Fifa übernommen hatte, bezeichnend für die herrschenden Missstände. Der Jurist stellte klar, dass der US-Amerikaner nicht einmal zu seinem erweiterten Kandidatenkreis für die Schlüsselposition gehört hatte und lediglich durch Verbindungen der Fifa zur länderübergreifenden Ermittlungsbehörde Interpol ins Amt gekommen ist.

Ein früherer Chefankläger am internationalen Strafgerichtshof in Den Haag und bekannt antifaschistischer Richter aus Argentinien sowie zwei Frauen, die Pieth favorisiert hatte, seien an Fifa-Widerständen gescheitert. "Wenn Sie die Leute im Fifa-Vorstand anschauen, waren viele verbandelt mit ehemaligen Diktatoren", sagte Pieth und erläuterte die Ablehnung des südamerikanischen Kandidaten mit Hinweis auf Argentiniens Fifa-Exko-Mitglied Julio Grondona.

"Bei einer Frau sollen wir beichten?"

Der Gedanke an weibliche Ermittlerinnen löste offenbar in der Fifa-Spitze ebenfalls Empörung aus. "Da haben die älteren Herren in der Fifa gesagt: Bei einer Frau sollen wir beichten, dass wir Böses getan haben? Da verlangt ihr zuviel!", berichtete Pieth von der Reaktion auf seine Ersatzvorschläge. Seine Schlussfolgerung: "Ich habe mich geäußert. Ich lehne die politischen Gründe und auch den Sexismus ab, der die Frauen verhindert hat. Das ist Mittelalter. Im Exekutivkomitee sind alle 20 Jahre zurück."

Pieth kritisierte auch den Europa-Verband Uefa und den Deutschen Fußball-Bund (DFB) für die Ablehnung seiner Vorschläge zur Prüfung von Kandidaten für die Fifa-Führung durch eine unabhängige Kommission und zur Beschränkung der Amtszeiten auf allen Ebenen. "Europa, die Uefa, die demontieren die Reform", meinte der Jurist mit Blick auf das Signal der Uefa und ihrer Mitglieder an die übrigen Kontinental-Verbände.

Die Verschleppung der Reformen sieht Pieth als Risiko für den Kampf gegen Korruption und für mehr Transparenz an: "Die Fifa hat extreme Mühe mit externer Kontrolle. Nun geht es ums Ganze, da besteht die Gefahr, dass die Fifa noch einmal zehn Jahre verliert." Es könne allerdings auch sein, "dass der Prozess am Ende nicht gelingt".

DFB widerspricht Vorwürfen

DFB-Präsident Wolfgangs Niersbach wies Pieths Vorwürfe zurück. "Von einer Blockadehaltung kann überhaupt keine Rede sein", sagte Niersbach der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung". Das von der Uefa favorisierte Verfahren einer Integritätsprüfung von Anwärtern auf einen Platz in der Fifa-Exekutive durch ihre jeweiligen Kontinentalverbände - und nicht wie von Pieth gefordert durch unabhängige Institutionen - bezeichnete der DFB-Chef als "richtig und notwendig".

Zur von Pieth geforderten und im Uefa-Papier ebenfalls abgelehnten Beschränkung der Amtszeit von Fifa-Exekutivmitgliedern gebe es, so Niersbach, "in Europa nun einmal eine klare Mehrheit, die sich dagegen ausspricht". Der DFB sei innerhalb der UEFA, das solle nicht vergessen werden, "nur einer von 53 Mitgliedsverbänden und habe auch nur eine Stimme".

Quelle: ntv.de, sid

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