Korruption bei der WM-Vergabe Fifa suspendiert Funktionäre
20.10.2010, 20:22 Uhr
Die Anhörungen vor der Fifa-Ethikkommission dauerten länger als eingeplant. Das Ergebnis war jedoch so milde wie erwartet.
(Foto: dpa)
Nach einer Anhörung der offensichtlich korrupten Fifa-Exekutivmitglieder Amos Adamu und Reynald Temarii beurlaubt der Fußball-Weltverband beide, gemeinsam mit vier weiteren Funktionären. Der Ausschluss aus der Fußball-Familie erfolgt aber zunächst nur auf Zeit.
Der Fußball-Weltverband Fifa hat in der Bestechungsaffäre die Exekutivmitglieder Amos Adamu aus Nigeria und Reynald Temarii Tahiti vorläufig suspendiert. Das gab Claudio Sulser, Vorsitzender der Ethik-Kommission des Weltverbandes, bekannt.
Zuvor hatte die Kommission die beiden Hauptbeschuldigten angehört und die von der "Sunday Times" erhaltenen Dokumente ausgewertet. Die englische Zeitung hatte am Sonntag nach einer Undercover-Recherche ein Video mit belastendem Material gegen den Nigerianer Adamu und Temarii aus Tahiti veröffentlicht. Darauf ist zu sehen, wie beide ihre Stimmen für die Vergabe der WM 2018 und 2022 feilbieten.
Neben den beiden Exekutivmitgliedern hat die Fifa vier weitere Offizielle vorläufig suspendiert. Slim Aloulou (Tunesien), Amadou Diakite (Mali), Ahongalu Fusimalohi (Tonga) und Ismael Bhamjee (Botsuana) seien vorläufig von allen fußballbezogenen Aktivitäten ausgeschlossen. Dem Quartett wirft die FIFA Verstöße gegen die FIFA-Statuten sowie den Ethik- und den Disziplinarcode des Verbandes vor - alles im Zusammenhang mit den kommenden Entscheidungen über die WM-Vergabe. Bhamjee war schon während der WM 2006 negativ aufgefallen. Damals musste er "mit sofortiger Wirkung von allen WM-Aufgaben zurücktreten", weil er zwölf WM-Karten der Kategorie 1 für das Spiel England gegen Trinidad und Tobago für 300 Euro und damit 200 Euro über dem Nennwert verkauft hatte.
Entwicklungshilfe aufs Privatkonto
Laut "Sunday Times" soll Adamu für seine Stimme umgerechnet rund 570.000 Euro gefordert haben. Für das Geld sollten vier Fußball-Felder mit künstlichem Rasen in Nigeria errichtet werden. Allerdings sollte die "Entwicklungshilfe" auf Adamus Privatkonto fließen. Die nigerianische Anti-Korruptions-Behörde hat deshalb ebenfalls eine Untersuchung gegen ihn eingeleitet. "Wir ermitteln gegen Adamu wegen Korruptions-Anschuldigungen. Sein Verhalten hat das Image des Landes beeinflusst", sagte Femi Babafemi, der Sprecher der Behörde.
Bei dem anderen Hauptbeschuldigten handelt es sich um Reynald Temarii aus Tahiti, der sogar 1,6 Millionen Euro für seine Stimme gefordert haben soll. Der Präsident des ozeanischen Verbandes beteuerte allerdings seine Unschuld. Seine Aussagen sollen aus dem Zusammenhang gerissen worden sein. Die Ethik-Kommission mochte dieser Argumentation nicht folgen: Sie kam nach dem Betrachten des kompletten Videos zu dem klaren Ergebnis der vorläufigen Suspendierung.
Suspendierung auf Zeit
Die Suspendierung durch die Fifa gilt zunächst für 30 Tage und kann für weitere 20 Tage verlängert werden. Dies soll dem Verband Zeit für eingehendere Untersuchungen in der Sache geben. Bei einer Sitzung der Ethik-Kommission vom 15. bis 17. November soll über das weitere Vorgehen beraten werden. Dann fällt auch die Entscheidung, ob Adamu und Temarii bei der Vergabe der WM-Turniere 2018 und 2022 mitstimmen dürfen.
"Weil sie Exekutivmitglieder sind, müssen sie eine Einstellung haben, die über jeden Zweifel erhaben ist", begründete Sulser die Maßnahme. Fifa-Präsident Joseph S. Blatter erklärte, es sei die Pflicht des Verbandes, den Fußball "vor jeglicher Manipulation und schlechtem Verhalten zu schützen": "Wir müssen eingreifen, wenn es nötig ist. Wir haben eingegriffen. Wir kämpfen dafür, dass die verantwortlichen Personen im Fußball sich so verhalten, wie es nötig ist."
Lauter leere Worte
Die pathetischen Worte von Sulser und Blatter werden allerdings dadurch konterkariert, dass im Fifa-Exekutivkomitee mehrere Mitglieder sitzen, deren kriminelle oder korruptive Praktiken gerichtsfest belegt sind. Dazu zählen Jack Warner aus Trinidad und Tobago, der sich mit illegalen Ticketverkäufen bereichert hat und trotzdem einer von acht Fifa-Vizepräsidenten ist. Oder Brasiliens Verbandspräsident Ricardo Terra Teixeira. Er zählt zu den wenigen bekannten Empfängern von Schmiergeldzahlungen im ISL/ISMM-Skandal, dem größten bekannten Korruptionsskandal der Sportgeschichte. Der erfolgreichen Bewerbung Brasiliens um die WM 2014 hat dies aber nicht geschadet.
Die Ausrichter der WM-Turniere 2018 und 2022 werden am 2. Dezember in Zürich gewählt. Derzeit gebe es keine Diskussion, diesen Termin aufgrund der Korruptionsvorwürfe zu ändern, teilte die Fifa mit. Parallel zu den Untersuchungen gegen Aduma und Temarii sowie den vier weiteren suspendierten Funktionären laufen auch noch Ermittlungen gegen die WM-Bewerber. Adamu hatte laut "Sunday Times" nämlich auch angedeutet, nicht nur von den Undercover-Reportern angesprochen worden zu sein.
Quelle: ntv.de, cwo/sid/dpa