Als Fifa-Präsident längst untragbar Gebauer: Blatter "gehört in Mafiafilm"
14.08.2012, 11:32 Uhr
Pose: der Pate. Der Rücktritt von Fifa-Präsident Joseph Blatter ist überfällig, findet der Sportphilosoph Gunter Gebauer.
(Foto: dpa)
Mit deutlichen Worten fordert der Sportphilosoph Gunter Gebauer einen Neuanfang bei der Fifa - ohne Präsident Joseph Blatter. Der Fifa-Patron gehöre in einen Mafiafilm. Das Problem sei aber, dass die Fifa "als korrupter Verein ein absolut erstklassiges Produkt" habe. Auch beim Thema Doping sieht Gebauer den Sport "auf der Kippe".
Der Berliner Sportphilosoph Gunter Gebauer hat Fußball-Weltverbandspräsident Joseph Blatter hart kritisiert und dessen Rücktritt als überfällig bezeichnet. Der 76 Jahre alte Schweizer sei "schon lange nicht mehr tragbar", sagte Gebauer im Gespräch mit n-tv.de: "Ich finde, das ist eine verschlagene Person, die in einen Mafiafilm gehört."
Die Aussage von Ex-DFB-Präsident und Fifa-Exekutivmitglied Theo Zwanziger, Blatter sei "absolut tragbar", könne niemand ernst nehmen: "Vielleicht hat er versucht, damit ein Bonmot zu prägen, das kann natürlich sein. Aber wenn es ernst gemeint ist, finde ich das einen Witz."
Definitionsgemäß korrupt
Transparency International definiert Korruption als Missbrauch von anvertrauter Macht zum privaten Nutzen oder Vorteil.
Quelle: www.transparency.de
Der seit Jahren mit massiven Korruptionsvorwürfen konfrontierte Blatter war zuletzt verstärkt unter Druck geraten, nachdem Mitte Juli die Einstellungsverfügung zum ISL/ISMM-Prozess veröffentlicht wurde. Seitdem ist unstrittig, was investigative Journalisten schon vor Jahren aufgedeckt hatten: Dass Blatter Schmiergeldzahlungen an hochrangige Fifa-Funktionäre gedeckt hat, unter anderem an seinen Mentor und Amtsvorgänger Joao Havelange. Laut der Definition von Transparency International ist Blatter damit selbst korrupt.
Dennoch glaubt Gebauer nicht an einen Rücktritt des Fifa-Patrons. Die Öffentlichkeit habe schlichtweg keine Handhabe: "Es ist ja nicht so, dass sie im Sinne eines Volksbegehrens verlangen könnte, dass die Fifa sich demokratische Statuten geben soll und einen neuen Präsidenten wählt. Das ist ein Geschehen, das sich einerseits zwar auf öffentlicher Bühne vollzieht, bei dem das Publikum aber vollkommen machtlos ist. Das liegt eben an der Sonderstellung der Fifa, genauso wie beim IOC oder bei anderen Sportverbänden."
Verruchter Verein, erstklassiges Produkt

Allerdings: Die Fans und Zuschauer wollen "nicht den schönen Verband, sondern den guten Fußball". Und den liefert die Fifa trotz ihrer Korruptionsskandale.
(Foto: REUTERS)
Zudem würde das Publikum strikt zwischen dem Sportverband mit "teilweise abstoßenden Persönlichkeiten" als Funktionäre und dem Sport unterscheiden: "Die Fifa als korrupter Verein hat ein absolut erstklassiges Produkt. Dadurch hat der Verband mit seiner korrupten Struktur eine Scheinlegitimität. Damit legitimiert sich Herr Blatter." Solange die Stadien stehen, die Leute hinreisen können, berichtet werden kann, solange der Sport vor allem als Bild auf dem Fernseher erscheint, sei nur noch entscheidend, was dort zu sehen ist, alles andere nicht: "Das ist die Kraft des Sports."
Erst wenn das Produkt leidet, sagte Gebauer, könnte der Druck groß genug werden, um etwas zu verändern. Bislang aber sei es für "so einen verruchten Verband" wie die Fifa sogar "bemerkenswert, wie gut sie den Sport organisieren".
Wie desaströs der Zustand und die Außenwahrnehmung der Fifa selbst seien, werde aber an den "völlig berechtigten Rücktrittsforderungen" aus nationalen Verbänden und Vereinen deutlich. "Es ist erstaunlich, dass Leute aus dem Sport selber diese Forderungen erheben. Normalerweise ist das nicht der Fall, die Familie hält ja zusammen. Da trifft das Sprichwort zu, eine Krähe hackt der anderen kein Auge aus." Dass sich insbesondere der FC Bayern mit Präsident Uli Hoeneß und Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge kritisch zu Wort melde, zeigt für Gebauer, "dass gerade offenbar Bayern keine Krähe ist".
"Erinnerung an 2006 nicht kaputt machen"
Nicht überrascht ist Gebauer davon, dass die von Blatter erhobenen Korruptionsvorwürfe in Zusammenhang mit der WM-Vergabe 2006 nicht näher untersucht wurden, obwohl es berechtigte Zweifel gibt. Allerdings habe "niemand der möglichen Akteure ein Interesse daran hat, das hochzukochen". Die Fifa nicht, der Deutsche Fußball-Bund nicht, die Medien nicht und auch nicht die deutsche Öffentlichkeit - "nicht, weil es nicht aufklärbar wäre. Aber man möchte die Decke draufhalten. Das war so eine schöne WM. Da will man sich die Erinnerung an 2006 nicht kaputt machen, in Deutschland jedenfalls".
Eine bewusste Blindheit attestiert Gebauer Sportfans und Journalisten auch beim Thema Doping, das er als ernste Gefahr für den Sport sieht. Die Frage, ob es dem Publikum irgendwann zu viel werde, sei jedoch schwer zu beantworten und auch altersabhängig: "Ich glaube, das ist auf der Kippe. Die Älteren sind von Doping schon sehr angewidert und wollen das auch nicht mehr sehen, siehe Tour de France. Andere, Jüngere, finden das völlig belanglos, ob jemand gedopt ist oder nicht. Hauptsache, es sieht gut aus."
Die Leistungen seien dann viel besser, die gedopten Sportler sähen auch klasse aus und es sei doch prima, wenn einer so schnell laufe. Die Frage, die sich Jugendliche stellen und mit der sich auch Sportjournalisten in ihren Redaktionen immer häufiger konfrontiert sehen würden, sei dann: "Warum sollen wir uns das verderben, indem wir jetzt an irgendwelche Dopingdinger denken?"
Quelle: ntv.de